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"Entschuldungspauschale für Sportkriminelle"

Die Proteste gegen die so genannten "Ehrenerklärungen" für dopingbelastete Trainer reißen nicht ab. Heute hat auch der Dopingopferhilfeverein vehement die vom DOSB und dem Bundesinnenministerium als Durchbruch gefeierten Erklärungen kritisiert.

Von Jens Weinreich | 08.04.2009
    Die Presseerklärung des Dopingopferhilfevereins (DOH) ist mit den Worten "zur Reinwaschung von Fachdopern" überschrieben. Der DOH protestiert "gegen die Politik des Freikaufs und der Augenwischerei". Dopingopfer hatten in einer ähnlichen Resolution kürzlich von einer "Entschuldungspauschale für Sportkriminelle" gesprochen. Die Familie der Biathlon-Olympiasiegerin Antje Harvey-Misersky kritisierte eine "Generalamnestie" für Doping- und Stasi-Täter.

    Den Begriff der Generalamnestie benutzen auch Klaus Zöllig und der Rechtsanwalt Michael Lehner in ihrer Protestnote des Dopingopferhilfevereins. Sie kritisieren das Bundesinnenministerium, den Deutschen Olympischen Sportbund und den Deutschen Leichtathletik-Verband, die glauben, "ohne Einbeziehung der Opfer", "entgegen dem öffentlichen Widerspruch der Geschädigten des DDR-Staatsdopings" entscheiden zu können.

    "Geständnisse", die nach zwanzig Jahren nicht über längst Bekanntes und Belegtes hinausgehen, die keinen Beitrag zur Aufarbeitung leisten, sind ein Versuch der Verschleierung der Vergangenheit, nicht der Aufarbeitung. "Entschuldigungen", die gegen den Willen der Opfer akzeptiert werden, sind ein Affront gegen die Geschädigten.

    Der DOH stellt die mangelnde Dialogbereitschaft von BMI und DOSB mit den Dopingopfern heraus - und warnt vor Geschichtsklitterung: Vor dem Rückfall in die Strategie der Sportverbände vor 2006, also vor der Einigung auf Opferentschädigung, als "das Vorhandensein von Dopingopfern bestritten wurde".

    BMI, DOSB und DLV wollten mit diesen Trainer-Persilscheinen übertünchen, dass die Verbände mit der Anstellung belasteter Trainer gegen die Antidoping-Klauseln in den Fördermittel-Zuwendungsbescheiden des BMI verstoßen haben, betont der Dopingopferhilfeverein. Zur Rechtmäßigkeit dieser Zuwendungen regt sich auch parlamentarischer Widerstand, etwa in der Fraktion der Bündnisgrünen im Bundestag.

    Verzeihen können und Menschen zweite Chancen zu gewähren, gehöre zur Kultur der Dopingopferhilfe. Der DOH fordert eine Offenlegung der Beteiligung jedes einzelnen Trainers am DDR-Dopingsystem und erklärt sich bereit, jede "redliche" Form der Aufarbeitung zu unterstützen. Gegen die von BMI und DOSB gewählte Form aber werde geballter Widerstand organisiert.