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Entspannung für den Diktatoren

Die Lage der Menschenrechte in Usbekistan habe sich gebessert, sagt die EU, lockert das Waffenembargo und intensiviert die Beziehungen zur usbekischen Regierung. Nichts habe sich gebessert, sagen dagegen Menschenrechtler.

Von Esther Hartbrich | 31.10.2009
    Die usbekische Botschaft in Moskau hatte kürzlich zu einem festlichen Empfang auch ausländische Journalisten eingeladen. Gleich zwei Anlässe wurden gefeiert: der 2200. Geburtstag der Hauptstadt Taschkent und 18 Jahre Unabhängigkeit des Landes. Vor der Bewirtung mit Wein und dem köstlichen Nationalgericht Plov, das ist ein Reis-Eintopf mit Hammel oder Lammfleisch, wurde den Gästen ein Film über das wunderbare Taschkent gezeigt.

    Aber das Leben in Usbekistan ist alles andere als paradiesisch. Wegen der weitverbreiteten Armut und des diktatorischen Regimes. Ausländische Journalisten, die darüber berichten könnten, sind nicht willkommen. Sie haben oft Probleme, ein Visum zu bekommen. Vor allem nach den Ereignissen von Andischan vor vier Jahren. Als usbekische Sicherheitskräfte wahllos auf demonstrierende Menschen schossen und einige Hundert töteten.

    Usbekische Journalisten, die nicht regimetreu berichten, bezahlen das mit Verfolgung, Haft, Folter und manchmal auch mit ihrem Leben. Muslime müssen damit rechnen, als Terrorristen verfolgt zu werden, aber auch Baptisten oder Anhänger der Bahai-Religion können nicht frei ihren Glauben ausüben. Auch sie gelten als verdächtig. Der russische Menschenrechtler Lew Ponomarjow über die Menschenrechtslage in Usbekistan:

    "In Usbekistan wird jede politische Opposition schon seit Langem unterdrückt. Absolut jede. Viele Menschen haben das Land verlassen. Die politische Opposition wird verdrängt, zu einer marginalen Gruppe gemacht, von daher zum Extremismus gezwungen."
    Das bevölkerungsreichste und ärmste Land Zentralasiens wird seit 18 Jahren diktatorisch von Islam Karimow regiert. Er ließ sich entgegen der Verfassung für eine dritte Amtszeit wählen. Bei den Parlamentswahlen im Dezember dürfen erneut nur regierungstreue Parteien kandidieren. Die wichtigsten Unternehmen im Lande gehören Karimows Familie.

    Wie im Nordkaukasus haben sich auch in Zentralasien Islamisten unter dem Druck staatlicher Verfolgung radikalisiert und sind in den Untergrund gegangen. Im Ferghana-Tal, der auf Tadschikistan, Kirgistan und Usbekistan aufgeteilten Ebene, kommt es immer wieder zu Anschlägen. Usbekische Sicherheitskräfte verfolgen mutmaßliche Terroristen auch auf kirgisischem Staatsgebiet – was zu Spannungen zwischen den beiden Nachbarn führt.

    Eine unabhängige Untersuchung der schrecklichen Ereignisse von Andischan verweigerte die usbekische Staatsführung bis heute. Die EU verhängte deshalb Sanktionen gegen das Land, Einreiseverbote gegen führende Politiker und ein Waffenembargo. Die Einreiseverbote wurden vergangenes Jahr aufgehoben, das Waffenembargo in dieser Woche. Auf Betreiben der deutschen Bundesregierung wie viele Beobachter vermuten. Sie hält auf einmal einen Menschenrechtsdialog für erfolgreicher als Sanktionen und Embargo. Die Lage in Usbekistan habe sich gebessert. Einige politische Häftlinge seien entlassen, die Todesstrafe sei abgeschafft worden.

    Bei Menschenrechtsorganisationen stößt die EU-Entscheidung auf starke Kritik. Laut Amnesty International werden Menschenrechtsverteidiger und Regierungskritiker immer noch häufig Folterungen und Misshandlungen ausgesetzt. Die Entscheidung der EU sei ein Schlag ins Gesicht der Opfer und Überlebenden von Andischan, heißt es. Angesichts der eigenen Interessen ist für Deutschland und die EU der Schutz der Menschenrechte in dem diktatorischen Regime Usbekistans offenbar zweitrangig.

    Usbekistan hat Gas. Deutsche und usbekische Geheimdienstler arbeiten bei der Suche nach islamistischen Terroristen zusammen. Vor allem aber gibt es Termez. Das ist der Luftwaffenstützpunkt der Bundeswehr für die Versorgung der deutschen Truppen in Afghanistan. Zynisch titelt das Greenpeace-Magazin: Usbekistan: Tausche Demokratie gegen Stützpunkt.