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Enttäuschte Revolutionäre

Anderthalb Jahre nach der orangen Revolution in der Ukraine wird am Sonntag ein neues Parlament gewählt. Die ehemaligen Verbündeten in der Revolution, Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko und Präsident Viktor Juschtschenko, sind inzwischen politische Konkurrenten. Ihr damaliger Widersacher Viktor Janukowitsch tritt ebenfalls an - mit guten Chancen.

Von Isabella Kolar | 24.03.2006
    Viktorija Perschina schießt mit ihrem flotten metallic-blauen Japaner an den trompetenden Herrschaften der kleinen Militärkapelle des Innenministeriums vorbei, immer die Straße entlang und verschwindet am Horizont. Sie ist die erste Starterin der siebten Kiewer Frauen-Rallye: 90 starke Frauen flitzen mit 45 schnellen Maschinen vier Stunden lang kreuz und quer durch die ukrainische Hauptstadt. Der Himmel ist blau, die Sonne lacht: Es herrscht schon wieder eine fast revolutionäre Stimmung auf dem Maidan, dem zentralen Platz der Stadt, heute, am Internationalen Frauentag. Wie damals vor knapp anderthalb Jahren, als die orange Revolution das alte Regime hinwegfegte. Prominenteste Frau seitdem in der Ukraine: Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko. Die Rennfahrerinnen Natalja aus Odessa und Tanja aus Kiew sind ihre bekennenden Fans:

    "Julia Timoschenko gefällt mir sehr gut. Sie hat so viel Kraft, so viel Willen. Sie ist sehr klug und als Frau sehr anziehend. Eine moderne Frau muss überall Erfolg haben. Wenn wir mehr solche Anführer hätten, wäre die Ukraine ein anderes Land."

    "Julia Timoschenko ist ein Supertyp. Sie hat gezeigt, dass Frauen auch in der Politik etwas erreichen können. Wir lieben und verehren sie sehr."

    Weniger verehrt hat sie zum Schluss ihr Revolutionspartner, der amtierende Präsident der Ukraine, Viktor Juschtschenko. Er hat sie als Ministerpräsidentin vor einem halben Jahr entlassen. Bei den Parlamentswahlen in der Ukraine am kommenden Sonntag werden Timoschenko und Juschtschenko keine Partner mehr sein, sondern Konkurrenten, obwohl sie danach ganz schnell wieder, wenn auch widerwillig, zu Partnern werden könnten: Denn glaubt man den Prognosen, wird das Land nach dem 26. März von einer Koalition regiert, weil voraussichtlich keine Partei die absolute Mehrheit erringt. Wie aber die Koalition aussieht, orange oder mit einem Stich ins Weiß-Blaue, ist noch nicht ausgemacht. Weiß-Blau - das ist die Farbe der "Partei der Regionen" des an der Revolution gescheiterten ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Viktor Janukowitsch. Seit Wochen liegt sie in den Umfragen unangefochten vorne. In der jüngsten Prognose kommt sie auf 30,2 Prozent. Erst danach folgen Juschtschenkos Partei "Unsere Ukraine" mit 16,8 Prozent und der "Block Julia Timoschenko" mit 11,4 Prozent.

    Damit kommen die Parteien der orangen Revolution, dazu gehören auch die Sozialisten und die Erben der Jugendorganisation Pora laut Prognose nur noch auf 38 Prozent aller Stimmen. Dabei wurden sie im April letzten Jahres noch von 70 Prozent aller Wähler unterstützt. Da Julia Timoschenko erst in dieser Woche eine Koalition mit der Partei von Viktor Janukowitsch ausgeschlossen hat, halten Experten eine Einigung zwischen ihm und der Partei von Präsident Juschtschenko für am wahrscheinlichsten. Viktor Janukowitsch also könnte der nächste Ministerpräsident der Ukraine sein. Der Mann, der vor anderthalb Jahren voreilig die Glückwünsche des russischen Präsidenten Putin zum gelungenen Wahlsieg bei der Präsidentschaftswahl entgegennahm, damit aber Hunderttausende auf den Maidan trieb, wo sie Kälte und Wetter trotzten, bis er aufgab und schließlich nach hastig angesetzten Neuwahlen Ende 2004 durch Viktor Juschtschenko ersetzt wurde.

    Roman Butenko macht seit Wochen Wahlkampf für Viktor Janukowitsch. Er steht vor dem kleinen weiß-blauen Zelt auf dem Maidan und verteilt das Parteiprogramm und bunte Wahlzettel, an seinem weißen Hemd ein Anstecker mit der Inschrift "Ja ne buv na Maidane", "Ich war nicht auf dem Maidan".

    "Eine wirkliche Revolution nützt dem Volk immer irgendwie, aber wir sehen nur, dass es mit der Wirtschaft bergab geht. Doch viele Menschen hoffen trotzdem immer noch und trösten sich mit dummen, dummen Hoffnungen. Man muss die konkreten Fakten sehen."

    Gleich neben Romans Zelt steht ein kleines gelbes Zelt. Dort macht die Konkurrenz von Pora Wahlkampf. Pora - das war die Bürgerbewegung, die vor anderthalb Jahren das Rückgrat der Revolution in Orange bildete. Ihre jungen Aktivisten schliefen wochenlang in Zelten auf dem Maidan und protestierten gegen die Wahlfälschungen. Ihr Wahlmotto lautet heute "Die, die auf dem Maidan waren". Ihr Markenzeichen ist eine schwarze geballte Faust mit gestrecktem Daumen auf gelbem oder auch orangen Grund, Symbol für ihren Spitzenkandidaten Vitalij Klitschko, den ehemaligen Boxweltmeister, der Bürgermeister von Kiew werden oder ins Parlament einziehen will. Denn gleichzeitig mit den Parlamentswahlen finden auch Kommunalwahlen statt. Aber noch ist unklar, ob Pora über die Drei-Prozent-Hürde kommt. Ihr Vorsitzender Wladislaw Kaskyv glaubt dennoch an das eigene Lager:

    "Die Revanche und der angebliche Erfolg der 'Partei der Regionen' - das ist einer der größten Mythen in der Politik der Ukraine. Natürlich gibt es die Enttäuschung, und man kann sie erklären: Es war nicht real, all die Erwartungen zu erfüllen, die die Menschen nach dem Maidan hatten. Doch es gibt auch objektive Gründe: Die Regierung war nicht effektiv, und sie hat bis heute keinen Plan für ihre Reformen."

    Das sieht Ksenija Ljapina ganz anders. "Ne srad Maidan", "Verrate nicht den Maidan" - so lautet der Slogan ihrer Partei "Unsere Ukraine", doch die Wirtschaftsberaterin Juschtschenkos muss sich zur Zeit fast täglich mit den Vorwürfen ihrer gescheiterten Reform- und vor allem Wirtschaftspolitik auseinandersetzen. In anderthalb Jahren vollbringe man keine Wunder - so verteidigen die Anhänger des amtierenden Präsidenten seine Politik.

    "Die Wirtschaft war 2005 nicht unsere erste Priorität. Zuerst wollten wir Gerechtigkeit in den Beziehungen zu den sozialen Gruppen herstellen. Wir haben das Budget 2005 verdoppelt. Das hat uns die Möglichkeit gegeben, in bestimmten Bereichen die Ordnung wiederherzustellen. Aber das hat natürlich dazu geführt, dass das Wachstum sich verlangsamt hat. Wir haben zum Beispiel die Gehälter der Lehrer und der Beamten wesentlich erhöht. Das hat der Wirtschaft weh getan, aber das war notwendig."

    Nur Tropfen auf den heißen Stein seien diese Maßnahmen der Regierung gewesen, deren beabsichtigte wohltuende Wirkung durch ansteigende Inflation und Preise verpufft sei - sagen die Gegner der Regierung. Eine populistische Julia Timoschenko habe als Premier in die Wirtschaft hineinregiert, statt ihr vorteilhafte marktwirtschaftliche Bedingungen zu verschaffen. Die Folge: eine Krise löste die nächste ab - Benzinkrise, Zuckerkrise, Fleischkrise, ein Wirtschaftswachstum, das im vergangenen Jahr von zwölf Prozent auf fünf Prozent absackte, Investitionen blieben aus, das Kapital flüchtete ins Ausland. Das harte Vorgehen Timoschenkos gegen die Oligarchen war neben Korruptionsvorwürfen in den eigenen Reihen einer der Gründe dafür, dass Juschtschenko im letzten September die gesamte Regierung entließ. So gut wie alle Parteien in der Ukraine haben auch in diesem Wahlkampf die Entflechtung von Macht und Business zu einem ihrer obersten Ziele erklärt. Doch immer noch teilen einflussreiche Oligarchen dank guter Beziehungen zur Politik das Land unter sich auf.

    Einer von ihnen ist der mächtigste Wirtschaftsboss des Landes, Rinat Achmetow, der erfolgreichste von mehreren Dutzend seines Typs. Achmetow steht auf dem zehnten Platz der Wahlliste von Viktor Janukowitsch und will am Sonntag als Abgeordneter in die Oberste Rada einziehen. Ein Mandat brächte ihm zudem Immunität gegen Ermittlungen über seine Geschäfte. Der Politologe Vladimir Malinkowitsch:

    "Man kann die Oligarchen als Klasse heute nicht einfach liquidieren. Das ist eine Utopie, eine schöne, aber eine Utopie. Und nach den Wahlen am kommenden Sonntag wird das oligarchische System voraussichtlich noch stärker. Um dieses System zu überwinden, braucht es Zeit, demokratische Institutionen und eine starke Opposition. Aber so etwas macht man nicht auf dem Maidan, das ist ein historischer Prozess. Wir befinden uns in einer Übergangsperiode, das muss allmählich mit Hilfe politischer Reformen geschehen."

    Zwar gibt eine Verfassungsreform, die zu Jahresbeginn in Kraft trat, dem Parlament und der Regierung künftig mehr Macht. Doch die neue Regierung wird keinen leichten Start haben, da sind sich die Experten einig. Ihr vorbehalten bleibt auch das erneute Aushandeln eines Gaspreises mit Russland. Der Preis von 95 Dollar für 1000 Kubikmeter russisches Gas, der Anfang Januar in Moskau festgelegt wurde, gilt nur noch drei Monate. Er wird steigen, und schon jetzt hat die ukrainische Bevölkerung Probleme. Sie soll marktwirtschaftliche Preise zahlen, und das mit sozialistisch niedrigen Gehältern. Wladimir Saprykin, Energie-Experte am Kiewer Razumkov-Institut:

    "Die Lösung vieler Probleme, so auch die des Gasproblems, hat man auf die Zeit nach den Wahlen verschoben. Die neue Regierung muss gleich in den ersten zwei Monaten die Preisbelastung zwischen allen Verbrauchern neu verteilen und den Gaspreis für die Ukraine im kommenden halben Jahr heraushandeln. Das ist ein großer Druck, der die Regierung dazu zwingen wird, unpopuläre Entscheidungen zu treffen."

    Doch der negativen Wirtschaftsbilanz stellen die Anhänger der orangen Revolution ihre positiven demokratischen Errungenschaften gegenüber. Der Politologe Dmitrij Vydrin:

    "Wir haben heute die paradoxe Situation, dass ein Teil der Bevölkerung demokratischer und politisch gebildeter ist als die Elite. Der Garant für die demokratischen Veränderungen in der Ukraine ist nicht wie in vielen Ländern die politische Spitze, sondern das Volk selbst. Viele unserer Politiker würden mit Vergnügen zum alten Modell zurückkehren. Aber das ukrainische Volk wird das nicht zulassen, denn es hat sich im Vergleich zu 1995 sehr verändert. Es lässt sich nicht wegnehmen, was es sich auf dem Maidan erkämpft hat: weder die Freiheit des Wortes noch die Freiheit des Denkens."

    Und die Einstellung zu den Politikern an der Spitze des Landes ist auch eine andere geworden, sagt Schriftstellerin Oksana Sabuschko, selbst eine aktive Befürworterin der orangen Revolution:

    "Die Beziehung zwischen Volk und Macht hat sich verändert. Das Volk hat begriffen, dass von ihm die Macht ausgeht, dass es die Spielregeln selbst bestimmt. Vor allem die Entfremdung von der Macht ist verschwunden, jetzt denkt man: Wir haben sie dahin gestellt. Es ist die Einstellung wie zu einem angeheuerten Management, das es entweder packt oder nicht. Es läuft jetzt dieser Prozess eines Dialogs."

    Manchen Ukrainern ist es schon fast ein bisschen zu viel des Dialogs geworden: Tägliche lebhafte Live-Diskussionen in den zentralen Fernsehkanälen, Politiker und Bürger, die sich ungestraft alles Mögliche öffentlich an den Kopf werfen können. Dmitrij Vydrin:

    "In Sachen Demokratie haben wir heute fast alle Länder überholt. Wir haben jetzt eine Demokratie, die leider oft dem Chaos ähnelt: Man kann heute jedem alles sagen, man kann allen Gerichtsverfahren wegen Verleumdung und Lüge aus dem Weg gehen. Unsere Gerichte sind mittlerweile auch so demokratisch, dass man schon für eine geringe Summe jede beliebige Entscheidung kaufen kann. Unser Markt ist völlig frei, und bei uns werden Sachen verkauft, die gibt es nicht einmal im Westen: Man kann Menschen kaufen oder ein Strafverfahren für seinen Gegner."

    Und auch die Journalisten sind käuflich geworden, sagt Taras Schewtschenko, der Direktor des Instituts für Medienrecht in Kiew:

    "Noch haben nicht alle Journalisten ihre Rolle als Kritiker und Wächter der Demokratie verstanden. Sehr viele Journalisten und Verleger verkaufen sich für Geld und schreiben oder drucken jedes beliebige Material, das eine politische Partei bei ihnen bestellt, wenn sie dafür zahlt. Leider hat die Freiheit vom Staat dazu geführt, dass eine große Abhängigkeit vom Geld, vom Kommerz entstanden ist. Und die meisten Journalisten sind leider dazu bereit, sich zu verkaufen."

    Freiheit also gleich Kommerz gleich Chaos? - Die Beraterin des ukrainischen Präsidenten Ksenija Ljapina:

    "Die Bürger fangen an, sich wie im Irrenhaus zu fühlen. Sie sind diesen Meinungspluralismus nicht gewohnt. Sie warten immer darauf, dass der Präsident sagt: So muss es sein. Es sind schon viele Bürgerinitiativen entstanden, gesellschaftliche Organisationen und Bewegungen, die für ihr Recht zum Beispiel auf Wohnraum kämpfen. Aber sie wollen immer gleich zum Präsidenten gehen. Nach dem Motto: der Mülleimer wurde nicht geleert? Klarer Fall für den Präsidenten!"

    Doch die Mehrheit der Politiker und Experten ist sich einig: Der Weg der Ukraine ist unumkehrbar. Vor allem auch dann, wenn Europa - nach der ersten Begeisterung über die orange Revolution - die Ukraine nicht vergisst, sagt der Außenpolitikexperte Valerij Tschalyj:

    "Für die Ukraine ist nicht nur der eigentliche Beitritt zur EU wichtig, sondern auch der Prozess hin zu europäischen Standards. Das dient der Orientierung und wirkt wie ein Mechanismus der Modernisierung. Sowohl was die wirtschaftlichen als auch was die politischen und demokratischen Vorgänge im Land betrifft. Die Ukraine ist heute ein sich entwickelnder Markt, die Signale in Richtung EU sind gut für Investoren und eröffnen uns Reformperspektiven."

    50 bis 60 Prozent der ukrainischen Bevölkerung sind für den Beitritt ihres Landes zur Europäischen Union, während sie den Beitritt zur NATO mehrheitlich ablehnt. Der Weg der Westintegration könnte mit einem neuen Ministerpräsidenten Janukowitsch gebremst werden, auch wenn er sich bemüht, im Endspurt des Wahlkampfs europäische Signale auszusenden. Janukowitsch hat mittlerweile auch in den angestammten Wählerregionen Juschtschenkos und Timoschenkos im Westen der Ukraine deutlich zulegen können. Doch trotzdem setzt er nach wie vor gewandt auf die Nöte der Ostukrainer, die schon immer das Gefühl hatten, sie fütterten mit ihrer Schwerindustrie den Rest des Landes und seien in Kiew untervertreten. Janukowitsch macht aus seiner Russlandorientierung keinen Hehl und die Zuneigung ist gegenseitig.

    Eine willkommene und sicher von russischer Seite mit einkalkulierte Folge des russisch-ukrainischen Gaskonflikts zu Beginn des Jahres war für Russlands Präsident Putin die sich daraus entwickelnde Regierungskrise in der Ukraine und die dadurch bewirkte Stärkung der Position von Janukowitsch. Dieser nutzte die Gelegenheit zur Profilierung auf Kosten der Regierung Juschtschenko weidlich aus. Er ist auch in diesem Fall einmal mehr der lachende Dritte des Konfliktes zwischen Juschtschenko und Timoschenko. Gemeinsam setzten Timoschenko und Janukowitsch im Januar im Streit um das Gasabkommen mit Russland ein Misstrauensvotum des Parlaments gegen die Regierung durch. Die zum Teil auch in die Ukraine ausstrahlenden russischen Fernsehsender agitieren zurzeit so heftig für Janukowitsch, dass die ukrainische Regierung schon erwägt, sie zu verbieten. Im Westen dagegen ist Janukowitsch seit der orangen Revolution zumindest moralisch als Wahlfälscher diskreditiert.

    Nicht nur ihre sich verschlechternde wirtschaftliche Lage hat viele ehemalige Anhänger der orangen Revolution vor den Kopf gestoßen. Noch mehr verbittert sie, dass Politiker der alten Garde, wie Janukowitsch, für ihr Handeln in den vergangenen anderthalb Jahren nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Tabuthema in der Ukraine ist seit mittlerweile einem halben Jahr die Frage nach der Suche der Verantwortlichen für die Vergiftung, unter der Juschtschenko seit anderthalb Jahren leidet. Als ein Journalist des zentralen Fernsehkanals 1+1 den Fall noch einmal aufgreifen wollte, wurde er entlassen und seine Sendung abgesetzt. Die Verantwortlichen sind angeblich immer noch nicht gefunden. Sergej Taran, Direktor des internationalen Instituts für Demokratie in Kiew:

    "Ich schäme mich für die orange Regierung, die bis heute zulässt, dass bestimmte Politiker in der Politik und nicht im Gefängnis sind. Juschtschenko hat das Versprechen, das er dem Volk gegeben hat, nicht bis zum Schluss durchgehalten. Das ist dadurch zu erklären, dass in seiner Umgebung sehr viele Leute sind, die bereit zum Kompromiss sind. Die den Stil der Politik pflegen, der noch unter Kutschma herrschte. Sie denken in denselben Kategorien, obwohl sie aus unterschiedlichen politischen Lagern kommen."

    Deshalb ist auch eines der Wahlziele der jungen Aktivisten von Pora die ihrer Ansicht nach längst fällige Abrechnung mit der alten Garde. Der 22-jährige Ivan Figadli, der stellvertretende Chef der Jugendorganisation von Pora:

    "Nicht alle Forderungen des Maidan wurden erfüllt. Der Beamtenapparat wurde nach dem Sieg nicht ausgewechselt. Leute, die der Korruption verdächtig waren, blieben auf ihren Plätzen, obwohl sie versprochen hatten, alle Banditen ins Gefängnis zu setzen."

    Es sind die jungen Menschen in der Ukraine, die neue frische Generation, auf die der Direktor des Instituts für Philosophie der ukrainischen Akademie der Wissenschaften, Miroslaw Popowitsch, seine Hoffnung setzt. Die dunkle Vergangenheit auf jeden Fall - so ist er überzeugt - wird die Ukraine nicht mehr einholen:

    "Ein Zurück gibt es nicht, das ist völlig ausgeschlossen. Und selbst wenn Janukowitsch kommt, bedeutet das nicht die Rückkehr zur alten Ordnung. Ich erwarte jetzt keine wirtschaftlichen Revolutionen, doch die Ukraine wird einen schnellen und überzeugenden Fortschritt erleben. Wenn ich mir die junge Generation anschaue, dann bin ich einfach begeistert darüber, was uns da einmal ersetzen wird."