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Enttäuschter Blick zurück

Die Prager EU-Präsidentschaft endet mit dem heutigen Tag. Sie sorgte im letzten halben Jahr oft für Verwunderung. Da war der Sturz der Regierung Topolanek im März durch ein Misstrauensvotum der linken Opposition und da ist der europaskeptische tschechische Präsident Vaclav Klaus, der dieses politische Vakuum nutze.

Von Christina Janssen |
    Prager Politiker in Feierlaune. Es ist der 31. Dezember 2008 kurz vor Mitternacht - der Countdown für die tschechische EU-Ratspräsidentschaft läuft.

    Noch ahnt niemand, welch ein Chaos Tschechien der EU bescheren wird. Erstes Indiz: Der Kunstskandal um David Cerny. Das enfant terrible der tschechischen Avantgarde, hatte sich mit seiner Riesenskulptur Entropa in Brüssel über die einzelnen EU-Länder lustig gemacht. Bulgarien als Stehtoilette? - Entschuldigungen und Erklärungsversuche aus Prag:

    "Entropa ist in der Tat eine Provokation,"

    … so Europaminister Vondra damals.

    "Ich verstehe, dass sich einige dadurch verletzt fühlen und entschuldige mich bei ihnen. Wir wollen mit Ihnen lachen und nicht über Sie."

    Doch mit dem Spaß war es ohnehin schnell vorbei. Schon im Januar war Tschechien als Vermittler in zwei großen Krisen gefordert - dem Krieg im Gazastreifen und dem russisch-ukrainischen Gasstreit. Während Prag für das holprige Management der Nahostkrise Kritik einstecken musste, konnte Mirek Topolanek als Ratspräsident den Gasstreit erfolgreich schlichten. Eine Sternstunde. Plötzlich war bei den Tschechen das Erstaunen darüber zu spüren, dass ihr Land mit den alten, größeren EU-Ländern mithalten kann.

    "Wir haben Europa auch etwas gegeben,"

    meint der gestürzte Premier Mirek Topolanek im Rückblick.

    "In der Gaskrise waren wir als Krisenmanager für ganz Europa aktiv. Dass wir diesen Konflikt im Laufe von 17 Tagen beilegen konnten, das sehen auch die schärfsten Kritiker der tschechischen Präsidentschaft positiv."

    Die meiste Zeit aber waren Mirek Topolanek und seine Mitstreiter mit innenpolitischen Querelen beschäftigt. Kaum ein Tag verging, ohne dass Präsident Vaclav Klaus zu einem rhetorischen Rundumschlag gegen die Europäische Union ausholte. Der Dauerstreit über den Lissabon-Vertrag lähmte die Politik über Monate.

    Als dann zur Halbzeit die Regierung über ein Misstrauensvotum stürzte, blieb von der Ratspräsidentschaft nur noch ein Scherbenhaufen. Tschechien und die EU standen plötzlich führungslos da.

    "Mir ist das völlig unbegreiflich,"

    …so Europaminister Vondra.

    "Das ist das erste Mal seit wir vor 20 Jahren ein demokratischer Staat wurden, dass das Parlament in so einem kritischen Moment der Regierung ein Messer in den Rücken rammt. In einem Moment, in dem es um das Prestige des ganzen Landes geht."

    Das Prestige ist beschädigt. Die Verhandlungen über die Wirtschafts- und Finanzkrise mussten in den vergangenen Wochen andere Länder vorantreiben. Den verbleibenden Gipfeltreffen in Tschechien blieben viele Staats- und Regierungschefs fern. Der Politologe Petr Drulak sieht im Sturz der Regierung ein Versagen der politischen Elite:

    "Die Verantwortung für diesen Fall tragen alle politischen Kräfte. Die Regierung hat nicht genug getan, um mit der Opposition einen Friedensvertrag abzuschließen und die Opposition war nicht zurückhaltend genug. Und das zeigt, dass für die tschechischen Politiker Europa eigentlich nicht ein wichtiges Thema ist. Und das ist eine sehr schlechte Nachricht."

    Doch Vaclav Klaus und das EU-kritische Lager gehen nicht gestärkt aus diesem turbulenten halben Jahr hervor.

    Bei den Europawahlen sind die neu gegründeten tschechischen Anti-Lissabon-Parteien bei dem Urnengang glatt durchgefallen. Einige Spitzenpolitiker denken inzwischen laut darüber nach, auf welche Weise man Klaus des Amtes entheben könnte. Prominente und Bürgerinitiativen rufen immer wieder zu Protestaktionen gegen Klaus auf. Es wird einsam um den EU-Kritiker auf der Prager Burg.

    Was also bleibt nach einem halben Jahr tschechischer EU-Ratspräsidentschaft? - Es bleibt das Lob für den tschechischen Übergangspremier Jan Fischer, unter dessen Leitung der Abschlussgipfel in Brüssel konkrete Ergebnisse zustande brachte - unter anderem die endgültige Einigung auf ein zweites Referendum zum Lissabonvertrag in Irland. Und es bleibt eine Gewissheit: Die Tschechen sind keine EU-Skeptiker. Gerade viele junge Tschechen sahen in der Ratspräsidentschaft eine große Chance - und sind nun bitter enttäuscht:

    "Wir haben keinen Beitrag für die EU geleistet, wir haben nichts bewegt. Ich persönlich schäme mich für unseren Präsidenten. Sein Verhalten ist eine internationale Blamage, ich kann mir das nicht mehr mit ansehen."