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Entwarnung für Leber und Co

Innereien ist der Sammelbegriff für die essbaren Organe, wie Herz, Magen oder Leber. Während sich bei den einen der Magen schon bei dem Gedanken umdreht, so etwas überhaupt vorgesetzt zu bekommen, gibt es andere, die das ganz gerne essen, aber sich nur selten zubereiten oder im Restaurant bestellen. Denn gerade in den Innereien lagern sich die ungesunden Schwermetalle an und deshalb hieß die Devise lange Zeit: Leber oder Niere gehören, wenn überhaupt, dann nur in großen Abständen auf den Mittagstisch. Doch diese amtliche Empfehlung könnte bald der Vergangenheit angehören - so jedenfalls die Erkenntnisse der Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach. Denn sowohl bei den Innereien als auch beim Fleisch insgesamt gehen die Schadstoffmengen zurück.

Von Ursula Mense |
    Sie können jederzeit einmal in der Woche Schweineleber essen, gar keine Frage. Im Gegenteil: Schweineleber ist gesund ob ihres großen Vitamingehalts. Vitamine und Mineralstoffe in der Leber sind ja sehr konzentriert.

    Die Aussage von Professor Karl Otto Honikel überrascht. Galt doch bisher, was alle Berufs- und Hobbyköche verinnerlicht hatten: keine Innereien. Marita Krippendorff zum Beispiel. Sie ist Hauswirtschaftslehrerin an einer Hauptschule bei Köln:

    Grundsätzlich verarbeite ich Fleisch in der Schule, aber es darf nicht zu teuer sein und es muss schnell gehen. Das heißt: Ich bevorzuge kurz gebratenes Fleisch. Rindfleisch ist zu teuer, Hammel oder Lammfleisch ebenfalls; also bleiben Hühner- oder Putenfleisch übrig. Innereien nehmen wir grundsätzlich seit Jahren nicht mehr, weil wir ja alle wissen, dass sie schadstoffbelastet sind, und eine gesunde Ernährung der Schüler steht natürlich im Vordergrund.

    Gesund und preiswert kochen. Die ideale Alternative hieße da: Leber. Aber zu Recht war ihr Image in den vergangenen Jahrzehnten schlecht. Schuld daran hatte vor allem die hohe Cadmiumkonzentration. Professor Honikel:

    Wir stellten damals fest, dass vor allem die Schwermetalle in hoher Konzentration in den Geweben vorkommen und vor allem in den Innereien. Cadmium zum Beispiel. Dort hatten wir etwa 0,25 Milligramm pro Kilogramm im Jahre 1973 und haben jetzt 0,07 - also ein Faktor von etwa drei bis vier Reduktion innerhalb von 30 Jahren.

    Auch die Bleibelastung im Schweinefleisch ist kleiner geworden. 0,35 Milligramm pro Kilogramm Muskelfleisch waren es in den 70er Jahren. Heute sind es weit weniger als 0,1 Milligramm. Gleiches gilt für Schwermetalle in Rehwild. Eine Folge gesetzlicher Auflagen, sagt Honikel. Denn durch Abgasfilter für Industrieanlagen oder den Katalysator für Autos und das bleifreie Benzin wird die Umwelt heute weitaus weniger mit Schwermetallen belastet. Auch bei den so genannten Organochlorverbindungen wie PCB, Lindan, DDT und Dioxin gibt es Fortschritte. Allerdings nur langsam, da viele dieser Stoffe sehr langlebig sind. Angesichts der schlechten Ausgangsposition bewertet Professor Honikel aber auch diese Entwicklung positiv:

    Wir haben das intensiv untersucht in einer repräsentativen Studie Ende der 90er Jahre und haben festgestellt, dass etwa nur sechs Prozent des wünschenswerten Wertes durch Fleisch und Fleischerzeugnisse erreicht wird und die Belastung durch Lebensmittel nur bei der Hälfte dessen ist, was als Wunschgedanke einer minimalen Belastung - die minimale Belastung bedeutet, lebenslang kein Problem - jetzt schon erreicht wird. Und das wird in den nächsten Jahren sicher noch besser.

    Ein Problem aber bleibt weiterhin Cäsium 137. Der radioaktive Niederschlag nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl ist zumindest in den Wäldern im Süden Deutschlands noch heute messbar:

    In landwirtschaftlichen Nutztieren gibt es keine Probleme mit der Radioaktivität, weil dort durch die Düngung und Behandlung der Böden das Cäsium so festgehalten wird, dass es in die Pflanzen nicht übergeht und damit nicht ins Futter der Tiere. Das heißt: wenn ich Gras oder Klee füttere, ist die Belastung nicht mehr vorhanden. Das bleibt und ist im Boden, wird aber im Boden festgehalten, denn durch die Behandlung mit Kunstdünger steigt der ph-Wert des Bodens an. Und genauso wie der Kunstdünger ja über Jahre lang im Boden bleiben soll, bleibt auch das Cäsium im Boden und wird nicht von der Pflanze aufgenommen.

    Im Wald dagegen gibt es keinen Kaliumüberschuss. Dort nehmen die Pflanzen das Cäsium auf und mit ihnen auch die Tiere. Und wenn sie - wie die Wildschweine - im Boden wühlen, fressen sie auch Bodenpartikel. Darum ist Schwarzwild, vor allem im Süden Deutschlands, mit Cäsium belastet:

    Das geht über die 600 Becquerel - dem Grenzwert - bis an die 1000 hin. Und das wird auch noch einige Jahre so bleiben. Sie müssen damit rechnen, dass eine radioaktive Belastung nach 10 Halbwertzeiten abklingt. Eine Halbwertzeit des Cäsiums 137 ist 30 Jahre. Das heißt: 300 Jahre wird es dauern, bis dass es in diesen Gegenden auf eine Konzentration absinkt, die man als vernachlässigbar bezeichnen kann.