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Entwicklungshilfe mit dem Einkaufskorb

Fairen Handel, der den Erzeugern in Entwicklungsländern ihr Auskommen sichert, hat sich die Organisation TransFair auf die Fahnen geschrieben. Beim Start vor 15 Jahren waren einige Anlaufschwierigkeiten zu überwinden. Doch heute sind die Produkte in zahlreichen Supermärkten zu haben.

Von Monika Hoegen | 15.06.2007
    Am Anfang standen eine gute Idee, ziemlich viel Unklarheit darüber, wie sie konkret umgesetzt werden kann und jede Menge Skepsis. Das erste, sehr kurze Telefonat mit dem Einkäufer einer großen Handelskette vergisst Dieter Overath, seit dem Gründungsjahr 1992 Geschäftsführer der Siegelinitiative TransFair, jedenfalls nicht:

    "Das letzte Wort, was dieser Mensch mir freundlich aber bestimmt entgegenschleuderte, war: 'Vergessen Sie die Idee Herr Overath, die deutsche Hausfrau gibt nicht einen Pfennig mehr aus, als nötig.' Und damit war für ihn der faire Handel auch erst mal gelaufen."

    Doch der Mann hatte sich geirrt. Im Februar 1993 führte REWE als erste Supermarktkette bundesweit den TransFair-Kaffee ein. Schon bald zogen andere Supermarktketten nach. Auch auf der anderen Seite des Globus, bei den Produzenten im Süden, stieg das Bewusstsein dafür, dass es da einen sogenannten fairen Handel gibt, der aus manch einer Krise heraushelfen könnte.

    Zum Beispiel La Florida in Peru: Die Kaffeekooperative, 1966 gegründet, war in den peruanischen Bürgerkriegwirren zerstört worden, die Kaffeebauern waren vor der Gewalt geflohen und hatten ihre Fincas aufgegeben. Mit dem fairen Handel gelang der Neuanfang. 1993 wurden die ersten 100 Säcke über die Schweizer Fairhandelsinitiative Max Havelaar verkauft. Inzwischen ist Kaffee aus La Florida auch in Deutschland zu haben. In der schwierigen Wiederaufbauzeit standen die europäischen Partner aus dem Fairen Handel der peruanischen Kooperative zur Seite, erinnert sich Geschäftsführer Cesar Rivas:

    "Vielleicht hätten wir es auch so geschafft weiterzuarbeiten, aber ich glaube, wir hätten ohne die Hilfe aus dem fairen Handel nicht so schnell wieder Vertrauen aufbauen können. Für uns war diese Unterstützung durch den fairen Handel grundlegend."

    Gleichzeitig aber musste sich TransFair Ende der 90er Jahre hierzulande einem harten Preiskampf stellen. Der Kaffeeabsatz stagnierte, weil konventionell gehandelter Kaffee immer billiger angeboten wurde. Der erste Versuch, auch fair gehandelte Bananen auf den Markt zu bringen, scheiterte an Lieferschwierigkeiten, ausgelöst durch Hurrikan Mitch. Und in den Medien gab es plötzlich nicht mehr nur Lob für die gute, faire Idee, sondern auch kritische Berichte wie eine ZDF-Reportage über die ghanaische Kakaokooperative Kuapa Kokoo, bei der faire Gelder angeblich nicht rechtmäßig verwendet worden waren. Zwar konnten die meisten Vorwürfe entkräftet werden - eine gewisse Skepsis in der Öffentlichkeit blieb. Außerdem wuchsen auch beim sozialkritischen Verbraucher die Ansprüche an die Qualität fair gehandelter Produkte. Für TransFair hieß es nun, das Marketing neu auszurichten. Dieter Overath:

    "Also in kurzen Worten kann man sagen, dass wir stärker den Konsumenten in den Mittelpunkt gerückt haben und gemerkt haben, der will nicht die Welt verändern, wenn er einkaufen geht, er will ein gutes Produkt haben."

    Auch im entfernten Peru in La Florida musste man sich ab Mitte der 90er Jahre über die Qualität Gedanken machen. Der Kaffee aus dem Andenland galt zu dieser Zeit als minderwertig, die Preise pro Sack lagen um zwölf Dollar niedriger als sonst auf dem Weltmarkt üblich. Mit Unterstützung aus dem fairen Handel startete man in La Florida eine Qualitätsoffensive: Ausbildungsprojekte wurden durchgeführt, die Umstellung auf Bio-Kaffee wurde gefördert. Und das lohnte sich.

    Rivas: "Der faire Handel ermöglichte es uns, einem Bauern zu sagen: Senor, wenn Du Deine Qualität verbessert, bekommst Du auch einen höheren Preis. So haben wir Vertrauen hergestellt - nicht durch Worte, sondern durch Taten. Wir haben zu höheren Preisen verkauft und das an die Produzenten weitergegeben."

    In Peru wie in Deutschland - die Anstrengungen machten sich bezahlt. Seit rund vier Jahren ist der faire Handel hierzulande wieder im Aufwind und verzeichnet starke Wachstumsraten. Dafür verantwortlich sind neue Produkte wie Wein, Rosen, Reis oder Fußbälle und die anfangs nicht ganz unumstrittene -Einführung fair gehandelter Produkte im Discounter Lidl. Jetzt will TransFair sein Engagement auf Afrika ausdehnen. Damit bilde der faire Handel immer mehr eine Alternative zur herkömmlichen Entwicklungspolitik, sagt TransFair-Geschäftsführer Overath:

    "Ich glaube nicht, dass einer von unseren Baumwoll- oder Kakaobauern auf den Nussschalen Richtung Kanarische Inseln sich befindet. Die Leute wollen zuhause bleiben, und sie wollen sehen, dass sie mit ihrem Lohn auch ihren Kindern eine bessere Perspektive schaffen."