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Entwicklungsmotor Klima

Archäologie. - Seit dem Ende der jüngsten Eiszeit, also seit rund 10.000 Jahren ist das Klima auf der Erde relativ stabil geblieben. Nur drei Mal ist es zu einem größeren Klimawandel gekommen, das aber genau in einer Zeit, als die Menschen ihre Zivilisation aufbauten. Diese Klimaschwankungen hatten auch Auswirkungen auf die Geschichte der Menschheit. Nach neueren Forschungsergebnissen bilden sie sogar einen sehr wichtigen Einfluss.

    Vor 8200 Jahren, vor 5200 und dann vor 4200 Jahren hat sich nach Untersuchungen an Bohrkernen von Meeres- und von See-Sedimenten das Klima abrupt geändert: 200 bis 300 Jahre lang war es danach kühler und trockener. Harvey Weiss, Anthropologe an der Yale Universität, hat sich mit diesem Phänomen befasst: "Stärke und Größe dieser abrupten Klimawandel waren jeweils unterschiedlich. Das mit Blick auf das Ausmaß der Abkühlung und die Abnahme des Niederschlags größte Ereignis war sicherlich das vor 8200 Jahren. Es lässt sich weltweit nachweisen. Die interessante Frage ist: Wie reagierten die Menschen darauf?" Genau vor 8200 Jahren finden sich im Süden Mesopotamiens - dem heutigen Irak - erstmals Spuren sesshafter Bauern. Ein Zufall? Das glaubt Harvey Weiss nicht: "Die Antwort ist meiner Meinung nach, dass die Bauern im nördlichen Mesopotamien durch zurückgehende Niederschläge gezwungen waren, nach Südmesopotamien zu ziehen. Dort war die Landschaft so, dass sie das Land bewässern konnten. Meiner Meinung nach fällt diese Periode mit trockenem und kühlem Klima genau mit der ersten Landnahme durch Bauern zusammen, die in Dörfern lebten und ihre Felder bewässerten."

    Im Süden wartete auf die Bauern viel mehr Arbeit: Sie mussten das Land bewässern, Kanäle graben, den Boden pflügen und mehr. Allerdings brachte die systematische Bearbeitung des Bodens am Ende höhere Erträge. "Es war also dieser klimatische Druck nach Südmesopotamien hinein, der zum ersten Mal das ganze Potenzial der Landwirtschaft freigesetzt hat. Und das war die Grundlage für die Entstehung der frühesten Hochzivilisation", so Weiss. Arbeitsteilung, komplexe gesellschaftliche Strukturen mit hoch entwickelten Hierarchien konnten sich ausbilden. Am Anfang des Beamtentums stand also eine Klimakatastrophe.

    Auch vor 4200 Jahren lassen sich ähnlich tiefe Spuren einer Klimaveränderung ausmachen. Damals strauchelten vom Indus bis nach Ägypten alle Hochkulturen. Eine Abkühlung und einhergehende Trockenheit traf vor allem die Städte und die Reiche jener Zeit, so Weiss: "Wo auch immer schriftliche Zeugnisse aus dieser Zeit existieren, sie beschreiben eine große Dürre. Sei es in dem berühmten Epos über den Fluch von Akkad oder in den ägyptischen Hieroglyphen: Überall liest man von versandenden Feldern und windgepeitschten Landschaften - die Folgen eines abrupten Klimawandels, den auch die Klimadaten belegen." Auch die Pharaonen des Alten Reiches stürzten danach also durch 200 Jahre Dürre.

    [Quelle: Dagmar Röhrlich]