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"Er war ein wunderbarer Freund"

Mit Helmut Frielinghaus zusammenzuarbeiten, sei immer reine Vertrauenssache gewesen, sagt der Literaturnobelpreisträger Günter Grass zum Tod seines Lektors und Freundes. Besonders für die Übertragung seiner Werke in andere Sprachen sei dieser unersetzbar, betont Grass.

Günter Grass im Gespräch mit Mascha Drost |
    Mascha Drost: Er ist meist der Erste, der das neue Buch eines Schriftstellers zu lesen bekommt – und er ist nicht nur der erste Leser, er ist auch der erste Kritiker. Ein guter Lektor kann zum Erfolg eines Buches ebenso viel beitragen wie ein schlechter zum Misserfolg – es ist ein Beruf, der Feinfühligkeit, Einfühlungsvermögen, aber auch Durchsetzungsfähigkeit im Übermaß verlangt.
    Der Tod eines bedeutenden Lektoren wurde heute gemeldet, der von Helmut Frielinghaus. Er war Lektor und Verlagsleiter bei den Verlagen Rowohlt, Claassen und Luchterhand, Lektor und Berater etwa von Schriftstellern wie Günter Grass. - Vor der Sendung hatte ich Gelegenheit, mit ihm über Helmut Frielinghaus zu sprechen. Als glasklar, aber niemals gnadenlos wird sein Urteil in einem Nachruf bezeichnet. Was hat dieses Urteil für Günter Grass bedeutet?

    Günter Grass: Ich kenne Helmut Frielinghaus seit den 80er-Jahren, beim Luchterhand-Verlag und dann später, als er zum Steidl-Verlag wechselte, als Lektor und als Freund. Mit ihm zusammenzuarbeiten - eine reine Vertrauenssache, weil er so zuverlässig war und eben seine Entscheidungen, wo er Kritik äußerte, nicht etwa mit, so wie es jetzt gesagt wird, glasklarem Urteil, sondern auch mit selbst in Fragestellung vorbrachte, immer mit Vorschlägen verbunden, immer mit "vielleicht solltest du das noch mal überprüfen". Und ich habe erst nach einer gewissen Zeit gemerkt, dass diese vorsichtige Zurücknahme durchaus mich fordern musste und ich auch darauf zu reagieren hatte, und so hat sich diese Zusammenarbeit über Jahre ergeben.

    Drost: Er war Ihr Lektor, aber er war ja auch Übersetzer. Was für einen Einfluss hatte er auf die Übertragungen Ihrer Werke in andere Sprachen, von Werken, die nicht besonders einfach zu übersetzen sind?

    Grass: Ich glaube, in der Beziehung ist er unersetzbar, kann man das nur nennen. Er hat es ja fertiggebracht, Bücher von mir, die dann übersetzt wurden – laut meines Verlagsvertrages war das möglich -, die versammelten Übersetzer (oft 25 an der Zahl) beieinanderzuhalten und von Seite zu Seite, von Satz zu Satz sie zu führen, sie zu provozieren, noch mal nachzudenken, eventuellen Missverständnissen vorzubeugen, und alles mit sehr leiser Stimme, die wiederum alle anderen zwang, aufmerksam zu bleiben – eine Meisterleistung ohne gleichen.

    Auch was er zum Schluss auch noch vor einigen Jahren gemacht hat – da haben wir uns in Polen getroffen, da wurde die "Blechtrommel" in neuer Übersetzung von zehn Übersetzern vorbereitet, und das war ein spannender Vorgang. Immer in Kenntnis der schon vorliegenden Übersetzungen, die ja zum Teil recht gut waren, aber doch Fehler und Auslassungen hatten, wurde noch mal sehr differenziert und jeweils dem einen oder anderen Sprachbereich folgend an diese Arbeit gegangen.

    Ich wollte noch eines sagen: Er war ein wunderbarer Freund und ich habe ihn in seiner schweren Krankheit bis zum Schluss begleiten dürfen, und solange es noch ging, hat er gelesen, gelesen und gelesen und sich gefreut, dass es ihm auch noch in der Schlussphase der Krankheit gelungen ist, aus dem Amerikanischen zu übersetzen und auch noch die Erzählungen von Siegfried Lenz in zwei Bänden bei dtv herauszubringen. Er ist bis zum Schluss tätig geblieben und hat es sich auch so gewünscht.

    Im Sommer hat er mir nach Dänemark, wo wir Ferien machten, einen Brief geschrieben, der eigentlich schon ein Abschiedsbrief war und in dem er ausdrückte, wie dankbar er ist, was er alles hat, doch mit großen Schwierigkeiten und Umständen von dem einen Verlag zum anderen wechselnd, zu leisten und dass er bis zum Schluss der Literatur verbunden sein konnte mit vorzeigbaren Ergebnissen.

    Drost: ... , sagt Günter Grass über Helmut Frielinghaus.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.