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Erbarmungsloser Kampf um Geld

Wie nie zuvor müssen die deutschen Hochschulen um Geld konkurrieren, müssen sich gegenseitig ausstechen. Die angeblich Besten bekommen am meisten Geld. Die Exzellenzinitiative ist das prominenteste Beispiel der neuen Leitlinie für die Mittelzuweisung.

Von Markus Rimmele |
    Es ist wie ein leiser Protestruf gegen den Zeitgeist. Ein nüchterner Saal in Berlin-Dahlem, ein kleines Publikum: Es geht um Exzellenz, um Wettbewerb und dessen Grenzen. Wolfgang Jäger, Geschäftsführer der veranstaltenden Hans-Böckler-Stiftung.

    "Wir sprechen uns keinesfalls gegen Exzellenz aus. Wir stellen uns auch nicht gegen eine sinnvolle Exzellenzinitiative. Nur, eine solche Exzellenzinitiative darf nicht auf Kosten der Breite der Universitäten und des Hochschulstudiums insgesamt gehen. Unsere Sorge ist, dass eben Spitze gegen Breite ausgespielt wird. Und es dürfen nicht Mittel aus den Hochschulen abgezogen werden, damit sie dann einzelnen Hochschulen gegeben werden, sondern dann müssen es eben zusätzliche Mittel sein."

    Wettbewerb hat viele Gesichter, oft aber ein finanzielles. Wie nie zuvor müssen die deutschen Hochschulen um Geld konkurrieren, müssen sich gegenseitig ausstechen. Die angeblich Besten bekommen am meisten Geld. Die Exzellenzinitiative ist wohl das prominenteste Beispiel dieser neuen Leitlinie für die Mittelzuweisung. Doch nach welchen Kriterien wird überhaupt entschieden, wer der Beste ist? Gesine Schwan, die Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder, wird energisch bei dem Thema. Ihre Hochschule ging leer aus beim Exzellenzverfahren. Die Auswahl der Sieger sei natürlich auch eine politische gewesen, die Landkarte der besten Hochschulen nichts als eine Scheinwelt.

    "Hier ist jetzt das Ergebnis, zweimal München, ohne jeden politischen Einfluss. Da hat niemand mit niemandem gesprochen, vorher nicht. Die sind einfach per se vom Himmel die wissenschaftstheoretisch unbefragbar besten exzellenten Universitäten. Und so wird es wahrscheinlich auch hier in Berlin laufen. Das können wir uns ja auch schon überlegen. Es hängt eben viel davon ab, wer dann doch die effektivsten Telefone hat."

    Mit dem Ergebnis einer Teilung, mit Hochschulen, die per se als exzellent gelten und dem Rest, der dann tatsächlich zurückfalle. Das bestätigt Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange. Die TU Dresden sei ebenfalls gescheitert im Verfahren, knapp.

    "Und jetzt wächst natürlich der Druck auf mich ganz konkret, auf die Landesregierung, auch eine Differenzierung der Hochschullandschaft innerhalb von Sachsen zu forcieren und die Universität, die sozusagen an der Schwelle zur Exzellenzinitiativ steht, besonders zu fördern, besonders Geld reinzustecken, ihr besonders viele Freiheiten zu geben, damit sie in diesem Exzellenzwettbewerb vorankommt."

    Geld, das den anderen Hochschulen entzogen werden könnte. Wettbewerb ums Geld, Wettbewerb zwischen den Ländern, zwischen den Hochschulen, Wettbewerb auf internationaler Ebene. Vom allgegenwärtigen Konkurrenzgedanken ist es nicht weit zur Ökonomisierung der Wissenschaft, so Gesine Schwan. Orchideenfächer würden geopfert, von denen niemand wisse, welche Bedeutung sie einmal für uns haben könnten - Stichwort Islamwissenschaft, für die sich lange niemand interessiert habe. Auch inneruniversitär entstehe zunehmend eine Konkurrenzatmosphäre. Der beste Wissenschaftler sei aber nicht unbedingt derjenige, der sich am besten produzieren könne. Wettbewerb, Ökonomisierung, da fehlt noch die Kritik an den Privatisierungstendenzen im Hochschulbereich zum Beispiel bei der Studienfinanzierung. Der Erziehungswissenschaftler Andrä Wolter:

    "Wenn man das über eine lange Zeitreihe seit Ende der 80er Jahre beobachtet, verschiebt sich durchweg der Anteil staatlicher Unterstützung in der Studienfinanzierung auf die Anteile der Eltern. Das heißt, die relative Belastung der Familien für das Studium ist in den letzten 20, 25 Jahren in Deutschland stark angestiegen. Und das kann dazu führen, dass die Barrieren für bestimmte soziale Gruppen größer werden."

    Zu viel Wettbewerb in der Hochschule kann zerstören, so der Grundtenor der Tagung: In Gefahr sind die soziale Gerechtigkeit, das allgemeine Bildungsniveau und am Ende sogar die Exzellenz.