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Erdbeeren aus dem ewigen Eis

In Grönland schmilzt das Eis stärker als je zuvor gemessen, was den weltweiten Anstieg des Meeresspiegels beschleunigt. Für die Einheimischen hat der Klimawandel allerdings auch erfreuliche Seiten: Obst und Gemüse gedeihen plötzlich - sogar wärmeliebende Erdbeeren.

Von Eva Firzlaff | 20.08.2012
    Im Sommer fährt der Schaf-Züchter Lars Nielsen mit dem Boot in die nächste Stadt, sein Hof liegt einsam am Fjord, eine Bootsstunde entfernt von Qaqortoq. Doch im Winter kommt er kaum noch hin. Früher, ja ... da konnte er übers Eis fahren.

    "Als ich vor 40 Jahren herkam, war alles schon im November, Dezember gefroren. Das Eis war sehr dick. Und man konnte mit Traktor und Auto da fahren. Jetzt kommt das Eis vielleicht im März, wenn überhaupt, und es ist sehr dünn. Sie können nicht da fahren. Mit dem Regen hat sich auch viel verändert. Es war vorher viel mehr Regen. Jetzt gibt es eigentlich gar kein Regen zwischen Juni und August. In den letzten fünf Jahren war es sehr trocken hier."

    Seine Schafe sind über den Sommer in den Bergen und finden ihr Futter. Doch das Gras für den Winter braucht Regen. Grönlands Eisschild lässt vor allem im Südwesten einen Küstenstreifen frei. Fjorde, kahle Felsen, aber gerade in Küstennähe auch "Grün", das die Schafe ernährt, und ein wenig Platz für kleine Felder. In der landwirtschaftlichen Versuchsanstalt Upernaviarsuk werden seit gut 50 Jahren Gemüse-, Kartoffel- und Grassorten auf Grönland-Tauglichkeit getestet. Gemüse wird bislang hauptsächlich importiert.

    Weil das importierte Gemüse so teuer ist, sagt die landwirtschaftliche Beraterin Anne Jensen, spielt es in der täglichen Ernährung kaum eine Rolle. Und je weiter man noch Norden kommt, umso weniger Gemüse wird gegessen. Im Süden schon eher, da hat man kleine Gemüsegärten. Aber erst zwei Landwirte bauen auch Gemüse an für den Verkauf.

    Auch in Grönland sei man gesundheitsbewusster geworden, achte mehr auf gesunde Ernährung und es gebe einen Markt für Gemüse. Kenneth Hoegh, einst Leiter der Forschungsfarm, zeigt einen Kohlrabi, fußballgroß, vier bis fünf Kilogramm schwer. Die lassen sich sehr lange lagern.

    "Selbst im März haben Riesen-Kohlrabi aus seinem Keller noch geschmeckt. Man nutzt sie wie Kartoffeln und kocht sie 15 Minuten. Passt gut zu Irish Stew."

    Die größte Überraschung allerdings sind Erdbeeren. Wegen dieser Erdbeeren sind Agrarexperten aus Norwegen, Island und den Färöer Inseln gekommen. Auf dem Fjord driftet ein Eisberg vorbei und ein Gärtner präsentiert frische Erdbeeren. Größer kann ein Kontrast kaum sein. Auf den Färöer Inseln, in Island, Nord-Norwegen und Grönland werden jeweils verschiedene Erdbeersorten getestet für den Anbau im Gewächshaus.

    "In Grönland haben sie um den 10. August die ersten Erdbeeren geerntet. Verschiedene Sorten, einige schmecken sehr gut, sehr süß."

    Genug Licht bekommen die Erdbeerpflanzen ja während der langen Tage im hohen Norden, nur der Wärme muss man eben mit leichten Gewächshäusern nachhelfen. Am Ende wird sich zeigen, ob der Ertrag den Aufwand lohnt, meint die landwirtschaftliche Beraterin Anne Jensen, die sich auch um die wirtschaftliche Seite Gedanken macht. Auf den Färöer-Inseln wurden die Versuchserdbeeren schon im Juli geerntet.

    Die eigenen Erdbeeren, auch wenn sie aus dem Gewächshaus kommen, würden viel besser schmecken als die importierten aus Dänemark und Europa, deren Geschmack auf dem langen Transport leide.

    Der Landwirtschaftsverband Grönland im Web