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Erdmittelalter
Riesiges säugetierähnliches Reptil entdeckt

Riesige Dinosaurier dominierten mit ihrer Artenvielfalt große Abschnitte des Erdmittelalters. Doch neue Fossilien aus Polen zeigen, dass diese Sauropoden den Riesenwuchs nicht gepachtet hatten. Zumindest in der ersten Phase des Erdmittelalters gab es einen Konkurrenten.

Von Dagmar Röhrlich | 23.11.2018
    Grafische Darstellung eines Brontomerus
    Die großen Dinosaurier waren nicht die einzigen Riesen des Erdmittelalters (imago/ElenaxDuvernay/StocktrekxImages)
    Als die Paläontologen in einer Tongrube bei dem Dorf Lisowice in Südpolen die ersten, großen Knochen fanden, glaubten sie, es mit einem Dinosaurier zu tun zu haben - und zwar mit einem Sauropoden, also einem der großen, vierbeinigen Pflanzenfresser mit langem Hals und kleinem Kopf:
    "Wir dachten natürlich, dass es einer der Sauropoden wäre, die wir in gleich alten Schichten vor allem in Thüringen finden. Doch als wir mehr Knochenfragmente hatten, war klar: Das ist kein Sauropode, sondern etwas ganz anderes, nämlich ein säugetierähnliches Reptil, ein Dicynodont."
    Eine Art Nilpferd mit Hornschnabel
    Grzegorz Niedzweidski von der Universität Uppsala erzählt, dass die Dicynodontia so etwas seien wie die Cousins der modernen Säugetiere. Die Knochen, die die Paläontologen aus der Tongrube holten, gehörten zu einer neuen Art, die den Namen Lisowicia bojani erhielt. Es war ein ungewöhnliches Tier: eine Art Nilpferd mit einem Hornschnabel wie Schildkröten - und den Dimensionen eines ausgewachsenen Elefantenbullens:
    "Die Tiere waren wirklich gewaltig: Sie waren so groß und schwer wie die Sauropoden in dieser Zeit. Wir haben bislang angenommen, dass zwischen 225 und 200 Millionen Jahren vor unserer Zeit die großen pflanzenfressenden Sauropoden die Welt dominierten. Doch durch Lisowicia bojani sieht es so aus, als hätten zur gleichen Zeit auch die säugetierähnlichen Reptilien bei den Pflanzenfressern Megaformen hervorgebracht."
    Säugetierähnliche Reptilien wurden nicht verdrängt
    Außerdem belege dieser Fund, dass die Dinosaurier im Lauf der Trias die säugetierähnlichen Reptilien nicht einfach verdrängt haben:

    "Es zeigt, dass diese Gruppe noch viel länger als bisher gedacht erfolgreich war."
    Und sie waren offenbar auch innovativ, erklärt Jens Lallensack von der Universität Bonn, der nicht an der Arbeit beteiligt war. Um riesig zu werden, mussten die Dicynodontia gravierende Veränderungen in Körperbau und Stoffwechsel durchlaufen.
    "Normalerweise sitzen die Vorderbeine der Dicynodontia seitlich und gespreizt wie bei Eidechsen. Bei Lisowicia hingegen saßen die Oberarmknochen direkt unter dem Körper - so wie bei heutigen Elefanten oder den großen pflanzenfressenden Sauriern. Aus biomechanischer Sicht war das eine völlig neue Konstruktion."
    Knochenfunde belegen überraschend schnelles Wachstum
    Diese neue Konstruktion verlangte unter anderem eine komplett andere Konfiguration der Muskeln. Wohl zur Gewichtsreduktion waren in den Wirbeln Aushöhlungen, so wie bei den großen Sauropoden. Und eine erste Analyse der Knochenfeinstruktur brachte eine Überraschung:
    "Die Knochen in den Gliedmaßen von Lisowicia legen nahe, dass die Tiere schnell gewachsen sind, wie die Wirbeltiere heute oder einige Dinosaurier: Es scheint keine Phasen gegeben zu haben, in denen das Wachstum stoppte, so wie es für Reptilien und auch für säugetierähnlichen Reptilien typisch ist. Die Physiologie Lisowicias war für ein Tier aus dieser Zeit und Gruppe wohl sehr ungewöhnlich und glich eher der eines modernen Säugetiers. Aber diese Ergebnisse sind noch sehr vorläufig."
    Die Forscher stehen nun vor vielen neuen Fragen: etwa die, was das Riesenwachstum im Erdmittelalter in zwei so unterschiedlichen Gruppen ausgelöst hat. Und wie verbreitet das Phänomen unter den säugetierähnlichen Reptilien war. Bei den Dinosauriern damals war es jedenfalls schon weit verbreitet.