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Erdölsuche mit dem Quantenpendel

Physik. - In der Tiefe verbergen sich große Schätze, sei es Öl oder Trinkwasser. Doch wer sich nicht auf die Wünschelrute verlassen möchte, braucht ausgefeilte Hightech, um fündig zu werden. Italienische Physiker bemühen dazu die Quantenphysik.

Von Thomas Migge |
    Es ist vollkommen unsichtbar. Jedenfalls für das menschliche Auge. Es ist nur einige wenige Mikrometer groß, also nur einige Millionstel eines Meters. Die Bewegungen des kleinsten Pendels der Welt sind nur mit wissenschaftlichen Instrumenten erkenn- und messbar. Ein Pendel der Mikrosystemtechnik, zum Beispiel für die Lagerstättensuche, entwickelt hat es der Quantenphysiker Massimo Inguscio vom Europäischen Labor für nicht-lineare Spektroskopie (LENS):

    "Das ist ein Novum, denn dieses Pendel misst die Kraft der Gravitation auf Quantenlevel - das heißt in den kleinsten Einheiten physikalischer Größen, die nach der Quantentheorie nur als ganz- oder halbzahlige Vielfache einer Einheit auftreten. Bei unserem Pendel haben wir es mit einem Wirkungsquantenpendel zu tun, das Wellenteilchen misst."

    Das erste Quantenpendel der Welt ist von Massimo Inguscio und seinen Mitarbeitern am Europäischen Institut für Spektroskopie in Florenz entwickelt worden, eine von der EU finanzierte Wissenschaftseinrichtung. Inguscios Pendel basiert auf einem simplen Prinzip.

    "Auch wenn es sich um einen hochtechnologischen Vorgang handelt, lässt er sich relativ einfach erklären: uns ist es gelungen, im Labor Atome eines Gases bei Minus 240 Grad Celsius zum Schwingen zu bringen. Die Atome sind in einem Behälter von nur wenigen Mikrometern Größe im Vakuum konzentriert. Uns ging es darum, festzustellen, wie und wann diese Atome schwingen."

    Der Mini-Behälter und sein Gas-Inhalt werden mit einem Laser bestrahlt. Die elektromagnetische Strahlung im Wellenlängenbereich des sichtbaren Lichts werden von einer Basis aus durch den Behälter nach oben gestrahlt - in Richtung eines Spiegels, der das Licht reflektiert und wieder nach unten und damit erneut durch den Atom-Behälter zurückstrahlt. Auf diese Weise wird eine intensive Lichtwellenfrequenz erzeugt. Sie löst eine Reaktion aus: die Atome beginnen sich zu bewegen. Ohne die Einwirkung durch den Laserstrahl würden die Atome - wie alles, was über ein Gewicht verfügt - nach unten fallen, auf den Boden des Behälters, in dem sie sich befinden. Der Laserstrahl in Inguscios Experiment verfügt über einen Wellenlänge von einem halben Mikrometer:

    "Dank der durch den Spiegeleffekt erzeugten Lichtwellenfrequenz schwingen die Atome nach oben und nach unten, runter und hoch und runter und hoch. Wir haben es also mit einem Atompendel zu tun. Die Pendelfrequenz hängt von der Intensität des Laserlichts ab. Bei nur wenigen Kilohertz fallen und steigen die Atome rund 1000 Mal pro Sekunde. So ist das wohl kleinste Pendel entstanden."

    Die Frequenz der Schwingungen der Atome wird auch durch jene Materie beeinflusst, die sich unterhalb des in Florenz entwickelten Quantenpendels befindet. Existiert unterhalb der Oberfläche, auf der das Pendel steht, eine große Menge Wasser, fallen die Schwingungsfrequenzen anders aus als bei einem Erduntergrund, der nur aus Felsen besteht. Im ersten Fall sind die Kräfte der Gravitation stärker als im zweiten Fall. Nimmt die Kraft der Gravitation der durch den sich reflektierenden Laserstrahl zum Schwingen gebrachten Gasatome ab, hat man es mit einem Erduntergrund zu tun, der nicht aus einer dichten Felsmasse besteht. Das Quantenpendel lässt sich bei der Exploration von Lagerstätten einsetzen. Mit seiner Hilfe können die Forscher unter die Erdoberfläche schauen. Die messbaren Kräfte der Gravitation geben Auskunft darüber, ob es sich um Wasser oder Petrolium handelt oder aber auch um gigantische Hohlräume.