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Erfahrungsaustausch und Weiterbildung

Die meisten Schafe gibt es in Australien, China und Neuseeland. Hier liegt der Bestand jeweils im zwei-, in Australien sogar im dreistelligen Millionenbereich. Im Vergleich dazu nimmt sich Deutschland eher bescheiden aus, aber immerhin: derzeit leben rund 6500 Schafhalter davon, sich um die rund 2 Millionen Tiere zu kümmern und sie zu vermarkten. Allerdings geben immer mehr Landwirte diesen Beruf auf, denn er rentiert sich kaum noch. Im Landkreis Göttingen hat deswegen der Landschaftspflegeverband ein bundesweites Pilotprojekt ins Leben gerufen und zwar eine Schafhalterbörse. Hier tauschen die Schafhalter Kummer, Erfahrungen und Ideen aus. Carolin Hoffrogge hat Schafe und ihre Halter im Stall des Versuchsgutes der Universität Göttingen getroffen.

von Carolin Hoffrogge |
    Das ist schöne langwachsende weiche, weiße Wolle, wenn man hier so reinfasst, das fasst sich schön weich an, da wird dann auch ein richtig angenehmer, warmer Pullover draus.

    Diese Wolle muss ab, denn sonst wird den Röhnschafen in ihrem süd-niedersächsischen Winterquartier zu warm, erklärt Scherer Matthias Brokop. Aus ganz Niedersachsen sind 40 Schafhalter angereist, um das Schafe scheren von ihm zu lernen. Er hat sich ein Schaf aus dem Stall geholt und klemmt es nun zwischen seine Beine.

    So, wir setzen sie jetzt hin. Da ist etwas Stroh am Bauch, das machen wir ab, das kommt raus. Wollen wir ein bisschen Scheren? Wir würden hier am Kopf anfangen, da schert man die Wolle ab, vom Kopf geht man dann runter zum Körper, damit die Wolle nach und nach vom Tier gelöst wird, es geht darum, das man die Wolle schön gleichmäßig abschert, damit das Tier nicht verletzt wird, aber auch damit man die Wollfaser nicht durchschneidet, die soll möglichst lang bleiben.

    Am Kopf des Schafes fängt Matthias Brokkop an. Dann kommt der Hals, der Bauch, bis zu den Hinterbeinen. 20 Minuten braucht er dafür. Das Schaf wehrt sich, strampelt energisch, aber Scherer Brokkop hat Kraft.

    Die Arbeit ist schon anstrengend, vor allem braucht man eine gute körperliche Kondition und der Rücken muss auch gesund sein, weil man gleichzeitig die Schafe auch halten muss.

    Nicht nur körperliche Kondition müssen die niedersächsischen Schafhalter mitbringen, sondern auch gutes Durchhaltevermögen, sagt Schafhalterin Sabine Säubert aus Reyershausen. Für ihre Schafwolle bekommt sie wenig Geld, und auch das Fleisch findet nur wenige Liebhaber. Der Austausch mit anderen Schäfern - ermöglicht durch die Schafhalterbörse - gibt ihr neuen Mut, ihre Schafe weiterhin zu halten.

    Ich lerne viel, denn jeder hat seine eigenen Erfahrungen gemacht. Ich bekomme viele Tipps, zum anderen bin ich daran interessiert meine Schafherde aufzubauen und brauche Möglichkeiten der Direktvermarktung.

    Für ihre Dirketvermarktung lernen die Schäfer bei der Göttinger Börse auch wie sie die Lämmer und Schafe schlachten und danach zerlegen. Außerdem informiert Agrarwissenschaftler Ralf Wasmuth von der Bayrischen Landesanstalt für Tierzucht die Schafhalter über die ganzjährige Weidehaltung.

    Wir haben relativ aufwendige Verfahren: Die Stallhaltung während der Winterperiode ist üblich. Dieser Stall wird aber nur während der Winterperiode genutzt, also über 50, 60 oder 100 Tage, ansonsten steht der Stall leer, und muss finanziert werden, ohne das er einen Nutzen bringt. Deshalb denken wir über Möglichkeiten nach, die Tiere ganzjährig im Freien zu halten, wo sicherlich witterungsgeschützte Bereiche vorhanden sein müssen, wo aber kein teurer, genehmigungspflichtiger Stall vorhanden ist.

    Aber auch die Pflege des einzelnen Schafs ist in Deutschland noch viel zu aufwendig, erklärt Wasmuth. Füttern, Scheren, Klauenpflege, Impfungen, vor allem aber die Hilfe während der Ablamm-Periode im März und April kostet die Schafhalter zu viel Zeit.

    Wir haben sehr aufwendige Systeme, wo sich jeder Schafhalter pro Jahr 9 Stunden um ein Mutterschaf kümmern muss. Wenn wir das mal mit Neuseeland vergleichen, wo sehr viele, große Mengen an Importen, an Lammfleisch kommen. Dort betreuen die Schafhalter ein Mutterschaf pro Tag nur eine Stunde lang. Die kommen damit bestens aus.

    Weniger Arbeit für die Schafhalter setzt bessere Erfolge bei den Schafzüchtern voraus, so Wasmuth. Die Züchter müssen die Eigenschaften der Mutterschafe verbessern. Zum Beispiel sollen die weiblichen Schafe in Zukunft ihre Lämmer ohne menschliche Geburtshilfe zur Welt bringen.

    Mit Schafen, die bessere Muttereigenschaften aufweisen, sind wir dann auch in der Lage, arbeitswirtschaftlicher zu arbeiten. Wichtigster Hintergrund dabei ist, das die Ablamm-Periode die aufwendigste Periode im ganzen Jahr überhaupt ist und das liegt bei uns daran, das wir den Mutterschafen helfen müssen ihren Nachwuchs anzunehmen, ihren Nachwuchs in der ersten Phase zu säugen.

    Haltungssysteme, Züchtung, Vermarktung: die Börse informiert die Schafhalter umfassend. Ute Grotey vom Landschaftspflegeverband Göttingen hat das Pilotprojekt initiiert. Damit will sie die Schafhalter gut ausbilden, aber gleichzeitig auch anspornen, ihre Schafe in Zukunft weiterhin zu halten. Denn kein anderes Tier und keine Maschine pflegt Deiche, Heide und Hänge so gut wie das robuste, wollige Schaf.

    Um die Schafhalter, die wir noch haben zu unterstützen, sie zu fördern. Das ist eine indirekte Förderung, man könnte sie auch finanziell locken, aber ich denke mal diese Förderung ist noch sinnvoller. Es ist wirklich so, dass wir einen dramatischen Rückgang haben an Schafhaltern und überhaupt die ganze Grünlandbewirtschaftung in Frage gestellt wird, in Zukunft.