Das alte Backsteingebäude auf dem Gelände der Charité erinnert eher an vergangene Tage. Doch drinnen auf den Fluren des Reformstudienganges Medizin sieht es ganz anders aus. Hier kennt jeder jeden, in kleinen Grüppchen wird lebhaft diskutiert. Meist handelt es sich um eine POL-Gruppe. POL steht für problemorientiertes Lernen. Auch Katrin Jüngling ist in so einem Team:
Das hier sind jetzt die Räume, in denen jede POL-Gruppe arbeitet, wenn sie montags ihren Fall bekommt und den freitags wieder bespricht. Die sind alle gleich ausgerüstet, es gibt natürlich Tische und Stühle, es gibt eine Tafel, es gibt Stellwände, wo man die ganzen Kärtchen anpinnen kann, es gibt Flipcharts, einen Röntgenschirm, einen Moderationskoffer, wo alle Unterlagen drin sind, Karteikarten, Stifte, Packpapier. Außerdem sind die meisten Räume auch für Untersuchungen geeignet: Viele haben eine Liege, ein Waschbecken, das man auch gegenseitig die Untersuchung üben, die Praxis proben kann.
Kommunikation und praktische Fähigkeiten werden hier genau so wichtig genommen wie Theorie. Der reformierte Studiengang ist völlig anders aufgebaut als das normale Medizinstudium. Wo herkömmlich erst einmal lediglich Naturwissenschaften und Anatomie dran sind, werden hier gleich "Fälle" behandelt. Zunächst gehen die sieben Mitglieder der POL-Gruppe ins Brainstorming und tragen alles zusammen, was ihnen zu dem Fall einfällt:
Man lernt in komplexen Zusammenhängen. Man fängt im ersten Semester zum Beispiel mit einer Fraktur vom Unterschenkel an, mit einem Beinbruch. Und man fängt an: Wie ist denn der Knochen aufgebaut? Was für Arten gibt es, sich das zu brechen? Was hängen denn noch für Sehnen, für Muskeln, für Nerven dran, wie versorge ich das im Notfall, was wird da operiert und was für Schrauben kommen da rein. Und so eröffnet sich von einem zum anderen eine ganze Bandbreite.
Anfangs zählt nicht so sehr in die Tiefe, sondern der Überblick. Da Erlernte wird sofort ausprobiert und verknüpft. Im Verlauf des Studiums werden die Themen dann wieder aufgegriffen und gründlicher behandelt. Die Kognitionspsychologie hat längst bewiesen, dass diese Art des Wissenserwerbs effektiver ist, als das sture auswendig lernen.
Im angloamerikanischen Raum wird es schon lange praktiziert. Nach der Privat-Uni Witten Herdecke war die Berliner Charite die erste staatliche Hochschule, die ihren Medizinstudiengang von Anfang an reformiert hat. Sie startete damit im Wintersemester 1999/2000. Gerade am Anfang sahen sich die Reformer jedoch vehementer Kritik ausgesetzt. Da würden "Barfußärzte" ausgebildet werden, die nichts so richtig gründlich wüssten. Sämtliche Wissenstests während des Studiums und die Examensergebnisse haben solche Vorwürfe längst widerlegt. Die Abbrecherquote ist im Reformstudium um ein Fünftel geringer als beim alten Medizin-Studium, betont Charité-Professor Dieter Scheffner:
Das zeigt sich auch auf einem anderen Gebiet, dass die Ungeeignetheit für ein Studium uns sehr schnell auffällt, dass wir der ganz genau und sehr intensiv in Form einer intensiven Beratung nachgehen, und dann diejenigen, die fehl am Platze sind, entsprechend beraten können, dass sie ihr Studium oder ihr Studienziel ändern oder ihr Studium aufgeben und nicht erst bis zu irgendeinem Zwischenexamen mitgeschleppt werden und dann feststellen: Ich bin völlig fehl am Platze.
Nach dem Studium geht es mit besseren handwerklichen Fähigkeiten in die Praxis. Aber auch für die Dozenten hat sich einiges geändert. Durch den intensiven Kontakt zu den Studierenden kann sich niemand mehr hinter der Forschung verstecken. Die Lehre bekommt einen höheren Stellenwert. Insgesamt waren Erfahrungen mit dem Reformstudiengang Medizin bisher so positiv, dass kaum jemand der Beteiligten sein Mitmachen bereut hat.
Das hier sind jetzt die Räume, in denen jede POL-Gruppe arbeitet, wenn sie montags ihren Fall bekommt und den freitags wieder bespricht. Die sind alle gleich ausgerüstet, es gibt natürlich Tische und Stühle, es gibt eine Tafel, es gibt Stellwände, wo man die ganzen Kärtchen anpinnen kann, es gibt Flipcharts, einen Röntgenschirm, einen Moderationskoffer, wo alle Unterlagen drin sind, Karteikarten, Stifte, Packpapier. Außerdem sind die meisten Räume auch für Untersuchungen geeignet: Viele haben eine Liege, ein Waschbecken, das man auch gegenseitig die Untersuchung üben, die Praxis proben kann.
Kommunikation und praktische Fähigkeiten werden hier genau so wichtig genommen wie Theorie. Der reformierte Studiengang ist völlig anders aufgebaut als das normale Medizinstudium. Wo herkömmlich erst einmal lediglich Naturwissenschaften und Anatomie dran sind, werden hier gleich "Fälle" behandelt. Zunächst gehen die sieben Mitglieder der POL-Gruppe ins Brainstorming und tragen alles zusammen, was ihnen zu dem Fall einfällt:
Man lernt in komplexen Zusammenhängen. Man fängt im ersten Semester zum Beispiel mit einer Fraktur vom Unterschenkel an, mit einem Beinbruch. Und man fängt an: Wie ist denn der Knochen aufgebaut? Was für Arten gibt es, sich das zu brechen? Was hängen denn noch für Sehnen, für Muskeln, für Nerven dran, wie versorge ich das im Notfall, was wird da operiert und was für Schrauben kommen da rein. Und so eröffnet sich von einem zum anderen eine ganze Bandbreite.
Anfangs zählt nicht so sehr in die Tiefe, sondern der Überblick. Da Erlernte wird sofort ausprobiert und verknüpft. Im Verlauf des Studiums werden die Themen dann wieder aufgegriffen und gründlicher behandelt. Die Kognitionspsychologie hat längst bewiesen, dass diese Art des Wissenserwerbs effektiver ist, als das sture auswendig lernen.
Im angloamerikanischen Raum wird es schon lange praktiziert. Nach der Privat-Uni Witten Herdecke war die Berliner Charite die erste staatliche Hochschule, die ihren Medizinstudiengang von Anfang an reformiert hat. Sie startete damit im Wintersemester 1999/2000. Gerade am Anfang sahen sich die Reformer jedoch vehementer Kritik ausgesetzt. Da würden "Barfußärzte" ausgebildet werden, die nichts so richtig gründlich wüssten. Sämtliche Wissenstests während des Studiums und die Examensergebnisse haben solche Vorwürfe längst widerlegt. Die Abbrecherquote ist im Reformstudium um ein Fünftel geringer als beim alten Medizin-Studium, betont Charité-Professor Dieter Scheffner:
Das zeigt sich auch auf einem anderen Gebiet, dass die Ungeeignetheit für ein Studium uns sehr schnell auffällt, dass wir der ganz genau und sehr intensiv in Form einer intensiven Beratung nachgehen, und dann diejenigen, die fehl am Platze sind, entsprechend beraten können, dass sie ihr Studium oder ihr Studienziel ändern oder ihr Studium aufgeben und nicht erst bis zu irgendeinem Zwischenexamen mitgeschleppt werden und dann feststellen: Ich bin völlig fehl am Platze.
Nach dem Studium geht es mit besseren handwerklichen Fähigkeiten in die Praxis. Aber auch für die Dozenten hat sich einiges geändert. Durch den intensiven Kontakt zu den Studierenden kann sich niemand mehr hinter der Forschung verstecken. Die Lehre bekommt einen höheren Stellenwert. Insgesamt waren Erfahrungen mit dem Reformstudiengang Medizin bisher so positiv, dass kaum jemand der Beteiligten sein Mitmachen bereut hat.