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Erfolgreiche Wiederansiedlung

Der Weiße Storch, in vielen deutschen Regionen, wie Brandenburg zum Beispiel, im Sommer ein alltäglicher Anblick, war in Italien seit fast drei Jahrhunderten nicht mehr gesichtet worden. Südlich von Turin bemühten sich Naturschützer deshalb um die Wiederansiedlung des Storches in Italien. Und diese Arbeit zeigt erste Früchte.

Von Katrin Kühne |
    "Jetzt befinden wir uns vor der Fassade des Schlosses von Racconigi und was sofort beeindruckend ist, ist ganz oben, wo die zwei Seitentürme sind, kann man sofort verschiedene Nester sehen und das sind die sogenannte Weiße Störche."

    Dass junge Italiener und Italienerinnen wie Noemi Icardi überhaupt wieder Störche auf dem Dach des Schlosses beobachten können, ist dem etwas außerhalb von Racconigi gelegenen "Centro Cicogne e Anatidi" zu verdanken. Das didaktisch aufgebaute "Storchen- und Entenzentrum" umfasst heute auf seinen 6 Hekar Lehrpfade, Teiche und ein Feuchtgebiet für die Vögel. Geleitet wird es von Bruno Vaschetti.
    "300 Jahre hat der Weiße Storch nicht mehr in Italien genistet. Es ist das einzige Land überhaupt in Europa, wo er sich nicht mehr niederließ. Die italienische Storchen-Population war komplett zerstört. Die Leute hatten sie alle aufgegessen!"

    Nach jahrhundertelanger Bejagung - galt doch der Storch als delikater Braten - und Plünderung ihrer Nester mieden die Störche auf ihrem Zug gen Süden Italien komplett. Der Verlust der großen Tiere mit einer Flügelspannweite bis zu 1,80 Meter ärgerte den Landwirt und Hobby-Ornithologen derart, dass er 1985 mit einem Schweizer Storchenzentrum Kontakt aufnahm.


    "Zehn Vögel hatten wir von den Schweizer Spezialisten erhalten. Und auf ihren Erfahrungen aufbauend, haben wir 1985 mit der Wiederaufzucht begonnen. Bereits im nächsten Jahr ließen sich, durch die angesiedelten Störche angelockt, frei nistende Paare nieder. Heute haben wir 48 Pärchen in Racconigi. Seit 1986 sind 963 Störche hier geboren worden."

    Nachdem Vaschetti die Storchen-Neuansiedelung erfolgreich in die Wege geleitet hatte, startete er 1989 in Kooperation mit der LIPU, der nationalen italienischen Vogelschutzorganisation, ein weiteres Projekt: Die Wiedereinführung der in Italien ausgestorbenen und in weiten Teilen Europas bedrohten Weißköpfigen Ruderente. Die Ente mit ihren langen rotbraunen Federn wird in Racconigi gezüchtet.

    "Die ersten 20 Ruderenten konnten wir 2000 im Nationalpark des Gargano in Apulien, wo sie einst heimisch waren, auswildern."

    Zur Unterhaltung der jährlich 20.000 Besucher hält Vaschetti, neben Ruderenten und Weißen Störchen zur Aufzucht, zahlreiche Zierenten, Schwäne und Gänse. Je nach Jahreszeit gesellen sich Zugvögel dazu. Von den 5 Euro Eintritt (pro Person) allein können Vaschetti und seine 7 Mitstreiter die Einrichtung allerdings nicht erhalten.

    "Es gibt ein Umweltprogramm der Europäischen Union, das die Wiederherstellung von Feuchtgebieten unterstützt. Damit sollen neue Rastplätze für die Zugvögel auf ihrem Weg nach Süden eingerichtet werden. Ich habe mich für 15 Jahre verpflichtet, nichts auf dem Areal anzubauen und das Feuchtgebiet für mindestens 6 Monate jährlich überflutet zu halten."

    600 Euro erhält der Landwirt pro Hektar dafür von der EU. Das entspricht in etwa der Hälfte des Ertrags, den er durch Getreideanbau erwirtschaften könnte. Aber das sind ihm seine Vögel wert. Und auch die junge Noemi Icardi ist angetan vom Angebot des "Centro Cicogne e Anatidi".

    "Ich kann erfreut feststellen, dass die junge Generation wirklich Interesse daran hat, Natur ein bisschen zu pflegen und mehr darüber zu wissen. Deswegen finde ich auch persönlich so ein Projekt ganz interessant. Weil: Obwohl wir eigentlich auf dem Land sind, aber hier gibt es immer Maschinen, Traktoren, Lärm usw. und man kann im Alltag sonst gar kein Naturerlebnis entwickeln."