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Erfolgreicher Schutz

Ökologie. - Korallenriffe sind sensible Gemeinschaften, die unter erheblichem Druck stehen. Überfischung, globale Erwärmung und Wasserverschmutzung setzen ihnen sehr zu. Ob die mancherorts eingerichteten Schutzzonen jedoch ihren Zweck erfüllen, war bislang nicht klar. Jetzt hat ein internationales Forscherteam erstmals Daten dazu gesammelt und heute im Fachblatt "Science" vorgestellt.

Von Michael Stang |
    Die karibischen Korallenriffe und Algen stehen in direkter Konkurrenz. Seit Jahren liegen jedoch die Algen leicht vorn, weil ihnen - im Gegensatz zu den Korallen - eine höhere Wassertemperatur durch die globale Erwärmung entgegenkommt. Einen Verbündeten haben die Korallen in der Karibik jedoch: den Papageienfisch. Dieser schillernd bunte Fisch ernährt sich von den Algen, die auf den Korallen wachsen. Durch dieses Abweiden sorgen die Papageienfische für ein Gleichgewicht. 1986 wurden einige Gebiete rund um die Korallenriffe zu Marinen Schutzparks erklärt. Diese sollten die Fische vor einer Überfischung schützen und den Tieren ein Rückzugsgebiet sein. Viele Forscher äußerten damals Bedenken, da ein absolutes Fangverbot kontraproduktiv sein könnte. Durch einen Schutzpark würden nicht nur die Papageienfische geschützt, sondern auch deren Feinde, die Nassaubarsche, sagt Ove Hoegh-Guldberg. Der Direktor des Zentrums für Marine Studien an der Universität von Queensland in St. Lucia, Australien beschreibt die damaligen Einwände.

    "Wenn für ein Gebiet ein Fangverbot verhängt wird, werden Raubfische genauso geschützt wie die Algen fressenden Papageienfische. So kann es also dazu kommen, dass die Papageienfische trotz eines Fangverbots dezimiert werden."

    Da die Raubfische - also die Nassaubarsche - nun keine Feinde mehr in Form von Fischnetzen, Fallen oder Angeln hatten, befürchteten viele Forscher eine Verschlimmerung der Lage. Jetzt, knapp 20 Jahre nach der Erschließung der 456 Quadratkilometer großen Schutzzone nahe dem Zentrum der Bahamas, hat ein internationales Forscherteam die Bewohner der Korallenriffe gezählt und vermessen. Peter Mumby von der Universität von Exeter, Leiter der Studie und Hauptautor des Artikels in "Science".

    "Dabei sahen wir, dass einige Papageienfische wieder ihre Normalgröße von rund 20 Zentimetern erreicht hatten. Als wir dann die Maulgröße der Barsche gemessen haben, war klar, dass diese Fische zu groß waren, als dass die Barsche sie schlucken könnten. Nur die kleineren Exemplare fielen den Barschen zum Opfer, die anderen konnten dem Gefressenwerden entrinnen."

    Große Papageienfische, die früher als erste in den Fischernetzen landeten, konnten sich wieder vermehren und etablieren. Ove Hoegh-Guldberg hat die neue Studie gelesen und war ähnlich wie die Autoren erstaunt, dass trotz der gestiegenen Population der Nassaubarsche die Raubfische die Papageienfische nicht dezimieren konnten:

    "Es klingt paradox, aber letztlich ist es logisch. Beide Populationen pendeln sich in ihrer optimalen Größe irgendwann ein, weil die Barsche nicht alle Fische fressen können. Dadurch bleiben genügend Papageienfische zum Abgrasen der Algen."

    Anscheinend hat sich die Zunahme der Nassaubarsche, die in diesem Gebiet sieben Mal häufiger zu finden sind als in der übrigen Karibik, positiv auf das sensible ökologische Gleichgewicht ausgewirkt. Peter Mumby sieht in diesem Widerspruch lediglich das Resultat eines über die Jahre ausgereiften und ausgeglichenen Ökosystems. Die Papageienfische sorgten in den vergangenen 20 Jahren durch das stetige Abgrasen der Algen sogar für ein Wachstum des Korallenriffs und wuchsen dabei mit. Niemand hatte damals vermutet, dass es möglich ist, Korallen durch ein Fangverbot der Fische zu schützen. Mumby:

    "Die Anzahl der großen Papageienfische hat sich verdoppelt, ebenso die Fläche der abgegrasten Algen, weil es ein absolutes Fangverbot dort gibt. Diesen Mechanismus, dass sich die Korallen erholen, wenn wir die Fische schützen, konnten wir jetzt zum ersten Mal belegen. Dadurch können wir vielleicht später aktiv zur Regeneration der Korallen nach Katastrophen wie Hurrikans oder Tsunamis beitragen."

    Die Forscher konnten erstmals zeigen, dass Ökosysteme einfach Zeit brauchen, um sich selbstständig einzupendeln. Ove Hoegh-Guldberg blickt deshalb optimistisch in die Zukunft und hofft, dass diese Daten die Grundlage für zukünftige politische Entscheidungen sein könnten:

    "Diese Ergebnisse belegen hervorragend, dass marine Schutzgebiete tatsächlich funktionieren, dass sich auch überfischte Gebiete erholen können. Ich denke, dass diese Daten neue Möglichkeiten für den Schutz von Korallenriffen bieten, weil die Schutzparks definitiv einen positiven Effekt auf das Ökosystem haben."