Eine junge Dame im weißen Kittel streicht sich unbeholfen und verklemmt über die Oberschenkel und zuckt unwillkürlich mit den Oberarmen. Und sie erzählt verliebt vom Objekt ihrer Forschungen. Sie hat mit ihren Kollegen in das Erbgut der Fruchtfliege eingegriffen und staunt jetzt mit perverser Fürsorge über die lustigen Mutationen. Natürlich sind die Damen und Herren Abstammungsforscher wieder von dieser unverwechselbaren Marthaler-Spezies der rührend verschrobenen und in milden Slapstick verwickelte Menschenwesen. Gut zwölf Jahre nach dem finster getäfelten Murx-den Europäer-Raum hat Anna Viebrock für Marthalers Rückkehr an die Volksbühne diesmal einen von Pastelltönen beherrschten und damit ungewohnt heiteren Raum gebaut: Garderobenschränke stehen dort und Bänke. Auf den Hutablagen lagern Milchflaschen, magere Hinweise auf die Fliegennährlösungen. Denn Marthalers Versuchstiere sind natürlich die verkrampft auftretenden Liebes-Versuchs-Menschen, wie etwa Matthias Matschke, der bei seinem Vortrag über Affekte und Emotionen um die menschliche Fortpflanzung im furiosen Wechsel, Dr. Jeckyl und Mr. Hyde sowie einen mühsam gezähmten Wehrwolf verkörpert.
Komödiantisch süffig ist dieser Abend unten auf der Bühne, während darüber sehr ernste Bemerkungen über den durchaus bedrohten Stadt der Kulturleistung "Liebe" projiziert werden. "Ist Liebe ein Adrenalin?" wird dort gefragt, und schließlich mitgeteilt, dass man seine DNA auch ohne Liebe an die Nachwelt weitergeben kann, weil man ja lediglich das Produkt seiner DNA lieben könne. Es geht also um die so brisante Feststellung, dass die Liebe zwischen Mann und Frau entwicklungsgeschichtlich ausgedient hat. Aber all diese, außerhalb von Marthalers Schmunzeltheater zurecht so heftig diskutierten Probleme des Selbstverständnisses der Menschheit und ihrer durch Bioforschung erschütterten Denkgebäude sind hier doch fast nur Anlass für eine lange lose Folge holder Gesänge quer durchs Opern- Song- und Musicalrepertoire.
Da ist ein Greis, der gegen seinen körperlichen Verfall ansingt, ein Bild, das symptomatisch ist für Marthalers ironisch-milde Rettung der überflüssig werdenden Spezies. Die Liebe wird nicht mehr gebraucht und der Mann ist genetisch als minderwertig klassifiziert worden, aber Marthaler leistet sich eben doch eine hemdsärmelig optimistische Auflösung: Eine völlig unvermittelt einsetzende Lautsprecherstimme ruft Männlein und Weiblein plötzlich auf eine ganz andere Bühne zu "Faust 2, Pandämonium". Alle verschwinden nach hinten, dahin wo sie an diesem mit zweieinhalb Stunden etwas langen Liederabend noch nie waren. Gegen die Reproduktion setzt Marthaler die Repräsentation des Theaters. Denn Fliegen treten im diesem Theater nicht auf. Ist das die Lehre? Die Fliege mag evolutionsgeschichtlich der Sieger sein, theatralisch aber ist sie ein jämmerlicher Verlierer, weil nicht in Liebesleid und Liebeslied verwertbar. "Vielleicht stirbt heute niemand mehr an der Macht der Liebe, vielleicht ist ja die Liebe gestorben", das hatte Marthaler anlässlich seiner im Übrigen eher gescheiterten Bayreuther "Tristan und Isolde"- Inszenierung gesagt. Jetzt war Rache an Wagner und dessen Liebes-Todes-Wahn nötig. Zum Sterben wird die Liebe in der "Fruchtfliege" nicht gebraucht, zum Leben irgendwie auch nicht, aber zum Lachen, ohne das es auch der Retortenzukunft schlecht ergehen dürfte.
Komödiantisch süffig ist dieser Abend unten auf der Bühne, während darüber sehr ernste Bemerkungen über den durchaus bedrohten Stadt der Kulturleistung "Liebe" projiziert werden. "Ist Liebe ein Adrenalin?" wird dort gefragt, und schließlich mitgeteilt, dass man seine DNA auch ohne Liebe an die Nachwelt weitergeben kann, weil man ja lediglich das Produkt seiner DNA lieben könne. Es geht also um die so brisante Feststellung, dass die Liebe zwischen Mann und Frau entwicklungsgeschichtlich ausgedient hat. Aber all diese, außerhalb von Marthalers Schmunzeltheater zurecht so heftig diskutierten Probleme des Selbstverständnisses der Menschheit und ihrer durch Bioforschung erschütterten Denkgebäude sind hier doch fast nur Anlass für eine lange lose Folge holder Gesänge quer durchs Opern- Song- und Musicalrepertoire.
Da ist ein Greis, der gegen seinen körperlichen Verfall ansingt, ein Bild, das symptomatisch ist für Marthalers ironisch-milde Rettung der überflüssig werdenden Spezies. Die Liebe wird nicht mehr gebraucht und der Mann ist genetisch als minderwertig klassifiziert worden, aber Marthaler leistet sich eben doch eine hemdsärmelig optimistische Auflösung: Eine völlig unvermittelt einsetzende Lautsprecherstimme ruft Männlein und Weiblein plötzlich auf eine ganz andere Bühne zu "Faust 2, Pandämonium". Alle verschwinden nach hinten, dahin wo sie an diesem mit zweieinhalb Stunden etwas langen Liederabend noch nie waren. Gegen die Reproduktion setzt Marthaler die Repräsentation des Theaters. Denn Fliegen treten im diesem Theater nicht auf. Ist das die Lehre? Die Fliege mag evolutionsgeschichtlich der Sieger sein, theatralisch aber ist sie ein jämmerlicher Verlierer, weil nicht in Liebesleid und Liebeslied verwertbar. "Vielleicht stirbt heute niemand mehr an der Macht der Liebe, vielleicht ist ja die Liebe gestorben", das hatte Marthaler anlässlich seiner im Übrigen eher gescheiterten Bayreuther "Tristan und Isolde"- Inszenierung gesagt. Jetzt war Rache an Wagner und dessen Liebes-Todes-Wahn nötig. Zum Sterben wird die Liebe in der "Fruchtfliege" nicht gebraucht, zum Leben irgendwie auch nicht, aber zum Lachen, ohne das es auch der Retortenzukunft schlecht ergehen dürfte.