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Erfurter Kunsthalle
Kunst und Kino - eine Beziehungsgeschichte

100 Jahre UFA: Zu diesem Jubiläum zeigt die Erfurter Kunsthalle eine Ausstellung zum Thema Kunst im Film und die Einflüsse von Kino-Ästhetik auf die bildende Kunst. Zu sehen sind historische Objekte und Werke zeitgenössischer Künstler. Eine interessant, charmante Mischung - und mitunter humorvoll.

Von Henry Bernhard | 16.07.2017
    Das Gebäude der Kunsthalle in Erfurt (Thüringen), aufgenommen am 23.02.2017.
    Die Erfurter Kunsthalle hat selbst bis 1959 Kinogeschichte geschrieben. (dpa / Bodo Schackow)
    Wohl kaum ein Filmliebhaber kann den Donauwalzer hören, ohne an das Raumschiff zu denken, dass in Stanley Kubricks Film "2001 - Odyssee im Weltall" zu Johann Strauß‘ Takten im Weltall kreist. Und er wird vielleicht auch an den Knochen denken, mit dem in der unmittelbar vorhergehenden Szene ein prähistorischer Menschenaffe erst den Anführer einer anderen Horde im Streit um eine Wasserstelle erschlägt und den er dann triumphierend in den Himmel schleudert. Der Schnitt, ein sogenannter "match cut" vom Knochen auf das Raumschiff gehört zu den bekanntesten Schnitten der Filmgeschichte. Kubrick überspringt hier Millionen Jahre Entwicklung vom ersten Werkzeug, der ersten Waffe zum Hightech-Raumschiff, von der Steinzeit in die Zukunft. Dieser Knochen aber ist nicht erhalten, wie Susanne Knorr, Kuratorin der Ausstellung "Kunst Ort Kino" erläutert.
    "Die Krux an dieser ganzen Geschichte ist, dass Stanley Kubrick ja jemand gewesen ist, der sehr drauf geachtet hat, dass sein Material nicht in fremde Hände kommt bis zu dem Moment, wo er dann so eine Panik hatte, dass die wiederum jemand nutzt und einen anderen Film damit dreht, dass er die alle komplett vernichtet hat. Und Clemens von Wedemeyer gelingt es aber mit einer ganz zeitgemäßen Technik dann, genau diese Requisite nachzubauen. Der Knochen wurde im Film gen Himmel geschleudert, und dazu gibt es dann diese Projektion mit dem Himmel."
    Filmgeschichte und künstlerische Positionen der Gegenwart
    Der rekonstruierte Knochen ist ein anthrazitfarbener Kunststoff-3-D-Druck, aufgebahrt unter Plexiglas; hinter ihm wird in Endlosschleife ein blauer Himmel mit weißen Wolken an die Wand projiziert. Die Aura des "Knochen" liegt nicht in der Authentizität, sondern im Wert der Rekonstruktion. In diesem Kunstwerk zeigen sich wohl aufs Beste die Intentionen der Ausstellung, Filmgeschichte zu zeigen und künstlerische Positionen der Gegenwart, die sich mit Film, mit Kino, mit Filmkunst und Filmkünstlern auseinandersetzen. Was ursprünglich für zwei Ausstellungsteile geplant war - einen zum 100. Geburtstag der Produktionsfirma UFA, einen zum Kino als Referenzpunkt für zeitgenössische Kunst -, griff am Ende ineinander, wie der Direktor der Erfurter Kunstmuseen, Kai-Uwe Schierz, erleichtert feststellt.
    "Das Historische zu aktualisieren und aus dem Blickwinkel der Gegenwart neu zu sichten; und gleichzeitig wollen wir natürlich einige Dinge vorstellen, die tatsächlich die bemerkenswerten Einflüsse von Kino Ästhetik auf die bildende Kunst dokumentieren beziehungsweise vorstellen."
    Plakate, Programme, Postkarten - das Merchandising des frühen 20. Jahrhunderts
    Einen großen Raum der Ausstellung nehmen gemalte Filmplakate der 10er, 20er, 30er Jahre ein, Filmprogramme, Film-Abreißkalender, Postkarten zum Film, gar ein Spiel zum Film - das Merchandising der heutigen Kinoindustrie ist also keine neue Erfindung. Filmplakatmaler des frühen 20. Jahrhunderts sahen sich kaum als Künstler, eher als Handwerker, als Werbetreibende. Kurator Patrick Rössler aber erklärt:
    "So, und auch das waren Plakatmaler, die die Plakate gestaltet haben, aber dann auch die kompletten Fassaden der Kinos, und dann ist ihm doch wieder so eine Fusion von Kinoästhetik und Filmästhetik. Wie zu dem Film "Frau im Mond" gab es dann so eine richtige Rakete und einen Mond und eine Erde; und die Rakete ist immer hin und her geflogen, war also animiert und hat quasi so diese beiden Dinge verbunden. Und das hat dazu beigetragen, dass sich schon eine spezifische Ästhetik herausgebildet hat."
    Humorvolle Videoinstallation
    Den Ausstellungsmachern ist es gelungen, durchaus interessante, charmante, mitunter auch humorvolle Positionen in der Erfurter Kunsthalle zu vereinen, die selbst einmal einige Jahrzehnte lang als Kino gedient hat. So zum Beispiel die nur fünf Minuten lange Videoinstallation des deutsch-norwegischen Künstlers Björn Melhus, der als Gärtner verkleidet mit Kettensäge in der Hand durch ein Landhaus führt. Er bewegt die Lippen, scheint zu sprechen, die Tonspur aber kommt von Alfred Hitchcock, der deutsch sprechend in einem Werbetrailer durch das Psycho-Motel führt.
    "Hier ist alles wieder in Ordnung. Das Badezimmer. Großer Unterschied. Sie hätten nur das Blut sehen sollen! Der ganze Raum war - nein, es ist zu grauenvoll! Nicht zu beschreiben! Der Mörder schlich sich hier herein. Die Dusche war an, sonst war kein Geräusch. Und -"
    (Psycho-Schrei)