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Erinnerung braucht Erinnerungsorte

Die Städte sind voll mit Denkmälern. Doch ausgerechnet die friedvolle Geschichte der überwundenen Teilung, die deutsche Einheitsgeschichte, hat kein eigenes Denkmal. Dabei wurde am 9. November 2007 im Bundestag entschieden, in Berlin ein Freiheits- und Einheitsdenkmal zu errichten. Doch die Erwartungen an ein solches Denkmal sorgen immer noch für Diskussion.

Von Verena Herb | 26.11.2008
    Welche inhaltlichen Ansprüche müssen an ein Freiheits- und Einheitsdenkmal geknüpft sein - das war die entscheidende Fragestellung des Abends. Also: Was soll es thematisieren, wo soll es zukünftig stehen und ab wann soll es da stehen. Richard Schröder, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Nationalstiftung diskutierte in der Hamburger Dependance der Deutschen Bundesbank mit Klaus von Dohnanyi, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und Erster Bürgermeister der Hansestadt a.D. und Lothar de Maiziere, dem letzten Ministerpräsidenten der Deutschen Demokratischen Republik sowie Franziska Augstein, Autorin der Süddeutschen Zeitung.

    "Wir brauchen ein Denkmal für die Einheit in Freiheit aus zwei Gründen, finde ich: Zur Erinnerung und zur Ermunterung."

    Der Deutsche Bundestag entschied, nach mehr als zehnjähriger Überzeugungsarbeit, dass eben jenes Freiheits- und Einheitsdenkmal zur Erinnerung an die friedliche Revolution im herbst 1989 und an die Wiedergewinnung der staatlichen Einheit Deutschlands errichtet werden soll. Das war am 9. November 2007. Doch auch nach einem Jahr wird noch debattiert: "Brauchen wir überhaupt ein solches Denkmal und wenn ja, soll es dann in Berlin stehen?"

    "Was wir hier jetzt zu Bauen im Begriff sind, ist eine Stätte der Selbstbeweihräucherung. "

    Die Schwierigkeit, die Franziska Augstein, Tochter des Spiegel-Gründers, mit diesem Denkmal habe, sei eine kategorische:

    "Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass Politiker, die viele Jahrzehnte lang gearbeitet haben für den Aufbau der Demokratie in Deutschland, sich darüber freuen und sich wünschen, dass die Bevölkerung sich auch freut. Aber ich weiß nicht, ob ein Denkmal, das errichtet wird, in der Tat in der Tradition der Beweihräucherungsdenkmäler des 19. Jahrhunderts das richtige Objekt dafür ist. Das fängt schon an bei der Frage: Was wollen wir eigentlich feiern?"

    Und mit dieser Frage war das altbekannte Thema nach "Tatsächlicher Einheit" und Wiedervereinigung, auch und vor allem in den Köpfen der Menschen wieder auf dem Tisch. Und ließ sich so richtig auch nicht von selbigem fegen...

    Ebenso die Frage, ob es sich damals überhaupt um eine Revolution gehandelt habe. Richard Schröder von der Deutschen Nationalstiftung lieferte eine Erklärung:

    "Ob es eine Revolution war oder nicht, darüber wird gestritten. Ich denke, man kann die Sache relativ einfach klären: Wenn man von einer Revolution verlangt dass Blut geflossen sein muss, dann war es allerdings keine. Wenn man unter einer Revolution versteht, den Zusammenbruch eines Herrschaftssystems mitsamt seiner Legitimation - sonst wär´s ein Putsch - dann war es eine. "

    Und nun lebe das deutsche Volk gänzlich in Freiheit,

    "...das ich allerdings noch mehr mit dem Akzent "Freiheit" als mit dem Akzent Einheit versehen würde. Das scheint mir für Deutschland noch wichtiger zu sein, weil auf diesem Punkt sind wir, glaube ich, wirklich noch belehrungsfähig. "

    Franziska Augstein ließ sich nicht belehren. Sie war der Anti-Part, diskutierte und debattierte gegen die Meinung der Herren auf dem Podium an - und auch gegen die Meinung vieler im Publikum.

    "Jemand der kommt und mir sagt: Wir müssen doch jetzt lernen, dass wir eine Nation sind und wir müssen glücklich sein und dankbar sein und jetzt brauchen wir da irgendwie nen Klotz, von dem wir eigentlich gar nicht wissen, was er symbolisieren soll - das halte ich wirklich für überflüssig!"

    Der Klotz brachte dann letztendlich doch die Sprache auf die Ästhetik des zukünftigen Denkmals und auf den Ort, wo es aufgestellt werden solle. Nämlich: auf einem Sockel auf dem Berliner Schlossplatz, der sogenannten Schlossfreiheit, auf dem von 1897 bis 1949 Wilhelm der 1. zu Pferde thronte, der erste deutsche Kaiser nach der Reichsgründung 1871.

    Vor einhundert Jahren hat man auf Denkmäler mit Vorliebe verdiente Männer gestellt, als in Stein gemeißelte oder in Bronze gegossene Verkörperung ihrer großen Taten. Doch solche Denkmäler sind aus der Mode gekommen, und nicht nur das - erklärt Lothar de Maiziere:

    "Da hätten es vielleicht andere osteuropäische Völker leichter, die könnten eine Figur drauf stellen. Vielleicht hätten die eine. Aber wir hatten keine so charismatische Führungsfigur, sondern bei uns war die Führung das Volk. Leipzig war das Volk. "

    Und für das Volk soll nun dieses Freiheits- und Einheitsdenkmal errichtet werden: Ob als abstrakte Installation oder ähnlich der "Bürger von Calais" von Auguste Rodin - das ist noch vollkommen offen. Denn "noch nicht mal der Ausschreibungstext für einen zweistufigen Künstlerwettbewerb" sei veröffentlicht. Und deshalb ist es auch mehr als fraglich, ob der avisierte Termin im November 2009 zum 20. Jahrestag des Mauerfalls, auch tatsächlich eingehalten werden kann.