Archiv

Erkennungssoftware
Verpixelte Fische

Spanische Forscher haben eine Erkennungssoftware für Kleinsttiere entwickelt. Damit können sie beispielsweise Zebrafische oder Fliegen bei der Verhaltensbeobachtung auseinanderhalten. Mithilfe von hochauflösenden Videoaufnahmen lassen sich den Tieren bestimmte Pixelkombinationen zuordnen.

Von Monika Seynsche |
    "Wir haben das System entwickelt, um das Verhalten von Gruppen zu untersuchen", sagt Gonzalo de Polavieja vom neurowissenschaftlichen Forschungszentrum Instituto Cajal in Madrid.
    "Zum Beispiel wollten wir wissen, ob es in der Gruppe einen Anführer gibt, der vielleicht etwas schneller oder besser lernt und deshalb die Gruppe an einen anderen Ort bringt. Solche Untersuchungen waren bislang unmöglich, da wir nicht in der Lage waren, ein bestimmtes Tier - nennen wir es George - zu verfolgen und so zu sehen, ob George der Anführer ist."
    Gonzalo de Polaviejas Versuchstiere sind klein und sie leben im Labor. Zebrafische etwa oder Fliegen. Mit dem menschlichen Auge ist es praktisch unmöglich, zwei Fliegen derselben Art voneinander zu unterscheiden. Die Tiere zu markieren ist ebenfalls schwierig, verursacht ihnen Stress und verändert mitunter ihr Verhalten. Die Forscher brauchten also eine Methode, mit der sie unmarkierte Tiere sicher identifizieren können. Dafür tauchten sie so tief in hochauflösende Videoaufnahmen der Tiere hinein, dass George nur noch aus einzelnen Pixeln bestand.
    "Stellen Sie sich vor, George hat drei weiße Pixel am Kopf und drei dunkle am Schwanz. Mit dem Auge können Sie so winzige Unterschiede nicht erkennen, aber unsere Software ist dazu in der Lage. Die Kombination der unterschiedlich hellen Pixel dient ihr als Fingerabdruck."
    3.000 Pixelkombinationen zur Identifikation
    Die Software sieht nicht nur genauer als das menschliche Auge, sie hat noch einen anderen Vorteil. Wenn ein Mensch versucht, zwei Tiere voneinander zu unterscheiden, konzentriert er sich in der Regel auf einen Ausschnitt, etwa einen dunklen Fleck am Kopf oder ein auffälliges Muster am Bauch. Aber nicht auf beides zusammen. Die Software dagegen kombiniert verschiedene Besonderheiten am Körper des Tieres zu einem einzigartigen Fingerabdruck. Und das funktioniert auch dann, wenn George sich dreht und wendet.
    "Wir identifizieren George nicht anhand einer einzelnen Pixelkombination, sondern mithilfe einer ganzen Liste solcher Kombinationen, die jeweils einer bestimmten Haltung des Tieres entsprechen: George von vorne, George gekrümmt, George von hinten und so weiter. Der Fingerabdruck enthält all diese Varianten und bleibt deshalb eindeutig, auch wenn George sich bewegt."
    Gonzalo de Polavieja und seine Kollegen nutzen etwa 3.000 Pixelkombinationen, um ein Tier eindeutig zu identifizieren. Sie haben ihre Software an Fruchtfliegen, Zebrafischen, Mäusen und Ameisen getestet und konnten die Tiere auch dann wieder finden, wenn diese kurzzeitig vom Bildschirm verschwunden waren. Die Studie wird heute erst veröffentlicht, aber die spanischen Forscher können sich schon seit Monaten nicht vor Anfragen anderer Verhaltensbiologen retten.
    "Bis jetzt haben wir die Software für den Einsatz im Labor entwickelt. Hier sind zum Beispiel die Lichtverhältnisse sehr homogen. Wir brauchen noch etwas Entwicklungsarbeit, um sie auch draußen, etwa im Dschungel einsetzen zu können. Das liegt an den Schatten. Denn George im Schatten ist nicht dasselbe wie George im Licht. Daran müssen wir noch arbeiten."