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Erklärung im NSU-Prozess
Angehörige erwarten wenig von Zschäpes Aussage

Seit rund zweieinhalb Jahre läuft der NSU-Prozess, heute wird sich Beate Zschäpe wohl erstmals mit einer von ihrem Anwalt verlesenen Erklärung äußern - nach fast 250 Verhandlungstagen. Die Nebenkläger und die Angehörigen von Opfern haben lange gewartet, dass Zschäpe ihr Schweigen bricht. Jetzt allerdings erwarten sie sich nicht viel von ihrer Aussage.

Von Ina Krauß | 09.12.2015
    Die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe am 8. Dezember 2015 vor dem Oberlandesgericht München
    Die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe am 8. Dezember 2015 vor dem Oberlandesgericht München (imago stock & people)
    Umringt von Kamerateams und Mikrofonen steht Gamze Kubasik vor dem Justizzentrum in München. Die Tochter des im Jahr 2006 in Dortmund erschossen Mehmet Kubasik ist Nebenklägerin im NSU-Prozess. Diese Woche ist sie angereist, um persönlich zu hören, was Beate Zschäpe zu sagen hat. Zschäpes neuer, vierter Pflichtverteidiger hat eine gut 50 Seiten umfassende Erklärung seiner Mandantin angekündigt, die im Prozess verlesen werden soll.
    Aufklärung? "Das wird niemals geschehen"
    Dass Zschäpe die Wahrheit erklärt, erwartet Nebenklägerin Gamze Kubasik dabei nicht. Dabei hätten die Opferfamilien viele Fragen an die Hauptangeklagte. Sie will endlich die Hintergründe an dem Mord an ihrem Vater erfahren. "Natürlich ist mein Wunsch eine hundertprozentige Aufklärung. Aber ich weiß, das wird niemals geschehen", sagt Kubasik.
    Zschäpes Erklärung kommt spät. Die Erklärung Zschäpes, die bereits mehrmals angekündigt und dann wieder verschoben wurde, sei reine Taktik, meint Gamze Kubasiks Anwalt Sebastian Scharmer: "Von der Vorgeschichte war es so, dass die neue Verteidigung von Zschäpe Wert darauf gelegt hat, das möglichst kurzfristig anzukündigen oder gar nicht anzukündigen, damit eben die Nebenkläger möglicherweise gar nicht kommen. Das zeigt ja, das hinter dieser Einlassung kein reuiges Geständnis steht, sondern taktisch auf die Vorwürfe zu reagieren und auf die bisherige Beweisaufnahme, das wird auch dadurch bestätigt, dass die Fragen schriftlich zu beantworten sind, was für ein taktisches Vorgehen spricht."
    Fragen erlaubt - aber nur schriftliche Antworten sind angekündigt
    Zschäpe will sich zu allen Anklagepunkten äußern und im Anschluss an ihre Erklärung Fragen des Gerichts zulassen. Sie will die Fragen aber nur schriftlich entgegennehmen und dann mit ihren Verteidigern schriftliche Antworten ausarbeiten. Ob das Gericht sich auf dieses ungewöhnliche Verfahren einlässt, ist offen. Klar ist aber, dass Zschäpe keine Fragen der Nebenkläger zulassen will.
    Ein Schlag ins Gesicht der Opfer, findet Anwalt Mehmet Daimagüler, der mehrere Nebenkläger vertritt. Er erwartet keine Entschuldigung oder gar Reue. "Wir haben es doch in diesem Verfahren gesehen, wenn an die Wand zwei Mal zwei Meter groß Fotos der Ermordeten geworfen wurde, wie sie da lagen, tot in ihrem Blut - und eine Frau Zschäpe, die vollkommen unbekümmert an ihrem Laptop herumspielt. Ich habe nicht den Eindruck gehabt, dass hier ein Mensch ist, der mitfühlt. Ich lass mich sehr, sehr gerne eines Besseren belehren. Aber bis dahin bin ich sehr, sehr skeptisch", sagt Daimagüler.
    Zschäpes Verhalten verärgert Angehörige der Opfer
    Viele Male hat Beate Zschäpe die Opfer durch ihr Verhalten im Prozess vor den Kopf gestoßen. Sie lachte und scherzte mit ihren Anwälten, teilte sich auf der Anklagebank Bonbons, schien zeitweise die Aufmerksamkeit zu genießen und bestimmt seit Monaten immer wieder den Prozessverlauf - zuerst durch das Zerwürfnis mit ihren drei sogenannten Altverteidigern, dann durch die Ankündigung einer Erklärung durch ihre zwei neuen Verteidiger. Nebenkläger sprechen flapsig von der "Zschäpe-Show" - denn für die Opferfamilien ist das Verhalten der Hauptangeklagten schwer zu ertragen.
    Abdulkerim Simsek, dessen Vater im Jahr 2000 mutmaßlich durch den NSU ermordet wurde, hält es kaum aus, mit Beate Zschäpe in einem Raum zu sitzen. "Ich war einmal da und ich habe die Beate Zschäpe einmal gesehen und es ist wirklich sehr schwer. Also ich kann es nicht ertragen, sie da zu sehen, das schmerzt mich viel zu sehr. Ich verfolge den Prozess intensiv durch meine Anwälte, aber ich selber bin ungern dort", sagt er. Heute wird Abdulkerim Simsek neben einigen anderen Opferfamilien anreisen, um Beate Zschäpes Erklärung persönlich anzuhören.