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Erlebnispark Weltraum

Eine Himmelslandschaft hat der Künstler Tomás Saraceno im Düsseldorfer K21 aufgebaut. "In Orbit" heißt die Installation aus einem monumentalen Maschendrahtnetz und fünf luftgefüllten Kugeln. Wer Mut hat, ist eingeladen, das Netz zu erklettern.

Von Georg Imdahl |
    Spötter werden jetzt sagen: Als Nächstes halten Bungee-Springen und Kletterwand Einzug ins Museum. Soweit ist es in Düsseldorf noch nicht. Doch sportliches Schuhwerk empfiehlt die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen ihren Besuchern auch nicht allzu häufig. Auf jeden Fall hat es eine Menge mit Selbstüberwindung zu tun, was im K21 gerade auf dem Programm steht. Die Ausstellung kommt regelrecht einer Mutprobe gleich. Traue ich mich das? Will ich das überhaupt?

    An diesen Zweifeln kommt nicht vorbei, wer hoch oben unter der Kuppel steht und sich mit Blick in die Tiefe überlegt, ob er sich das nun antun soll. Ein riesiges Netz aus Maschendraht hat Tomás Saraceno dort aufgespannt: Man soll es betreten. Erwandern geradezu.

    Installiert hat Saraceno in Düsseldorf so etwas wie einen "Erlebnispark Weltraum" im Museum. Mit besagtem Netz, auf dem man sich bewegen kann, und fünf großen, luftgefüllten Kugeln aus PVC. "Sphären" nennt der Künstler diese Planeten seines Universums.

    Bekannt geworden ist der 1973 geborene Argentinier mit einem begehbaren Spinnennetz, das er 2009 bei der Biennale in Venedig aufspannte. "Cloud Cities", Wolkenstädte, hat Saraceno in Berlin, New York und Helsinki angelegt. Selten war das Kunstwort "Installation" treffender als für Saracenos raumgreifende Skulpturen. Sein Vorbild ist die Arbeit der Spinne. Mit Wissenschaftlern hat er sie nach eigenem Bekunden ausführlich studiert. Und sich davon auch bei seinem Düsseldorfer Werk "In Orbit" anregen lassen.

    Wer also das Wagnis auf sich nimmt, in die jüngste Himmelslandschaft dieses Bildhauers einzutreten, erklimmt zunächst einmal eine provisorisch angelegte Treppe, die nach oben zum Netz führt. Unsicheren Schrittes tastet man sich dann auf dem Maschenwerk vor, darum bemüht, immer schön die Ruhe zu bewahren und das Gleichgewicht zu halten. Schließlich fühlt man sich wie im Zirkus oben unterm Zeltdach. Und schaut gut dreißig Meter in die Tiefe auf die sogenannte Piazza des Museums: Da ist man besser schwindelfrei. Nur – wer ist das schon?

    Bis zu zehn Menschen dürfen gleichzeitig auf Saracenos Netz, das damit auch zu einer Bühne für die Kommunikation werden soll. Die Besucher sollen sich auf dem schwankenden Grund wechselseitig spüren. Sie können sich auf dem Netz aber auch niederlassen und wie auf einer gigantischen Hängematte lümmeln.

    Die Ausstellung "In Orbit" – ein großer Abenteuerspielplatz also? Im Prinzip: ja. Doch zielt ein Künstler wie Saraceno natürlich nicht allein auf den Adrenalin-Kick. Er bemüht Utopien wie die eines Richard Buckminster Fuller. Dieser Visionär unter den modernen Baumeistern wollte in den sechziger Jahren New York mit einer Glaskuppel überwölben. Der Künstler Gordon Matta-Clark hat diese Ideen mit Ballongebäuden und Wolkenbügeln weitergesponnen. Auch ein Gesamtkunstwerk wie das Münchner Olympiastadion von Frei Otto und Günter Behnisch stand offensichtlich Pate bei Saracenos Weltall. All diese Anleihen machen seine Visionen wie auch die einer "Air-Port-City" übrigens eher nostalgisch als futuristisch.

    Insgesamt sind die Bemächtigung des Riesenraums und der Dialog mit der Architektur des Museums in Düsseldorf imposant. Die hohe Präzision der Installation ist allein schon der Sicherheit geschuldet. Aber auch visuell ist Saracenos Orbit durchgearbeitet. Das spektakuläre Werk wird sein Publikum finden und es in zwei Lager teilen. In jene, die sich oben bewegen und begegnen, und die anderen, die ihnen unten dabei zuschauen.