Schmitz: Zuerst einmal, wer ist dieser Heribert Tenschert?
Koldehoff: : Einer der profiliertesten und bekanntesten Antiquare, früher in Deutschland in Rotthalmünster beheimatet, inzwischen in die Schweiz umgezogen. Heribert Tenschert ist eigentlich derjenige, der immer in Aktion tritt, wenn es darum geht, beispielsweise Kulturgut für die Bundesrepublik Deutschland zu erhalten. Als also vor einigen Jahren zum Beispiel das Evangeliar Heinrichs des Löwen ins Ausland versteigert werden sollte, da war Herr Tenschert derjenige, der von der Bundesregierung mit Verhandlungen beauftragt wurde, und es letztlich dann auch geschafft hat, das Buch in Deutschland zu halten - also ein Buchhändler eigentlich.
Schmitz: Was hat er denn als Buchhändler und als Sammler zu bieten in Frankfurt?
Koldehoff: : Eine fantastische Ausstellung, das muss man wirklich sagen. Eine Ausstellung, die natürlich mit diesem theologischen Thema sehr schön in die Adventszeit passt, die aber tatsächlich dem Auge auch die Möglichkeit gibt, vollkommen zu wandern in dieser Zeit, rund um 1500, als diese gedruckten Andachtsbücher - und nur um die geht es, nicht mehr um die handschriftlichen, sondern tatsächlich um die ersten gedruckten - aufkamen, vor allen Dingen in Frankreich und in Flandern.
Man muss sich ein bisschen den kulturgeschichtlichen Hintergrund vergegenwärtigen. Um 1470 wurde der Buchdruck in Paris eingeführt. Der damalige König Karl VII. hatte eigens einen Drucker aus Paris nach Mainz in die Gutenbergstadt geschickt und dem gesagt, nun schau dir mal an, wie das da funktioniert. Das möchten wir auch gerne haben. Der hat sich aber anschließend entschieden, nicht nach Paris zurückzukehren, sondern in Venedig eine eigene Druckerei aufzumachen. Also mussten es die Professoren der Sorbonne sein, die dann begannen, auch in Paris zu drucken. Und sehr schnell waren ihre Hauptbeschäftigungen eigentlich das Drucken dieser Stundenbücher.
Schmitz: Welche Werke, die Sie in dieser Ausstellung gesehen haben, hat es Ihnen besonders angetan? Was war besonders schön? Was haben Sie gesehen?
Koldehoff: : Das schöne waren vor allen Dingen, also es sind Werke tatsächlich zu sehen aus der Zeit von 1487. Das ist das früheste Buch, das zu sehen ist. Übrigens schon ein sehr spektakuläres Buch, weil es, was man gar nicht vermuten würde, eine illuminierte, also eine handgemalte Darstellung einer vollkommen nackten Frau im Bade zeigt. Einer Frau, die auch ganz deutlich als Frau dargestellt ist, mit roten Brustwarzen, mit einem Tuch, das gerade knapp die Scham verhüllt, also eigentlich ganz spektakulär für ein theologisches Buch. Aber natürlich suchte man damals schon den Vorwand, auch nackte Haut zeigen zu können. Und das hat Tenschert heute morgen bei der Pressekonferenz auch ganz deutlich gesagt, die Vorwände hießen "Eva im Paradies" und sie hießen "Susanna mit den Alten".
Schmitz: Also, die private erotische Lektüre über das Gebet. Erfährt man denn auch etwas über den einzigen Gebrauch unabhängig von diesem erotischen möglicherweise Implikationen dieser Stundenbücher vor 300 oder 500 Jahren?
Koldehoff: : Deswegen finde ich die Ausstellung so schön. Es ist eine sehr ästhetische Ausstellung, diese Privatsammlung, die umfangreichste. Nicht einmal die Nationalbibliothek in Paris hat eine solche Sammlung von Stundenbüchern. Also es ist alles zum ersten Mal zu sehen. Es ist nicht nur ein ästhetischer Genuss, sondern wirklich auch ein Bildungserlebnis, denn man sieht an diesen Stundenbüchern wieder um 1500 herum plötzlich die Religion oder das religiöse Empfinden beginnt, sich ganz, ganz vorsichtig und langsam von der Kirche zu emanzipieren. Man muss sich das ja klar machen, diese Stundenbücher, die wurden nicht in der Kirche, sie haben beschrieben, wie sie den Tag theologisch gliedern, nicht in der Kirche eingesetzt, sondern in Fürstenhäusern, in Bürgerhäusern später dann auch, also privat. Das heißt, es war nicht mehr die Kirche, die sozusagen zu bestimmen hatte, welcher Kanon von Texten denn da gelesen wird. Das war die Entscheidung derjenigen, die diese Bücher drucken ließen. Natürlich musste die Kirche, auch das hat Tenschert heute morgen sehr anschaulich beschrieben, alles genehmigen. Es kamen Vertreter der Bischöfe in die Druckereien, gucken sich an, was da hergestellt wurde. Und es gibt auch einige Bücher, in denen dann mit dickem schwarzen Stift durchgestrichen ist, was nicht dem Kanon der Kirche entsprach.
Schmitz: Aber immerhin eine private Sammlung der Lieblingsgebete und Psalmen in diesen Stunden.
Koldehoff: : Sozusagen.
Schmitz: Vielleicht noch ein Wort dazu, wie die Bücher präsentiert werden.
Koldehoff: : In Vitrinen. Man darf natürlich nicht blättern. Aber es gibt einen hervorragenden Katalog, in dem sehr viele Einzelseiten abgebildet sind. Man würde sich natürlich wünschen, so etwas einmal in die Hand nehmen zu können, ein bisschen blättern zu können, das damals sehr, sehr teure Pergament knistern zu hören. Aber es ist verständlich, dass ein Museum und zumal ein Privatsammler so etwas nicht zulassen.
Schmitz: Stefan Koldehoff: , vielen Dank für die Eindrücke über die Ausstellung "Erleuchtete Stunden" imMuseum für angewandte Kunst in Frankfurt.
Koldehoff: : Einer der profiliertesten und bekanntesten Antiquare, früher in Deutschland in Rotthalmünster beheimatet, inzwischen in die Schweiz umgezogen. Heribert Tenschert ist eigentlich derjenige, der immer in Aktion tritt, wenn es darum geht, beispielsweise Kulturgut für die Bundesrepublik Deutschland zu erhalten. Als also vor einigen Jahren zum Beispiel das Evangeliar Heinrichs des Löwen ins Ausland versteigert werden sollte, da war Herr Tenschert derjenige, der von der Bundesregierung mit Verhandlungen beauftragt wurde, und es letztlich dann auch geschafft hat, das Buch in Deutschland zu halten - also ein Buchhändler eigentlich.
Schmitz: Was hat er denn als Buchhändler und als Sammler zu bieten in Frankfurt?
Koldehoff: : Eine fantastische Ausstellung, das muss man wirklich sagen. Eine Ausstellung, die natürlich mit diesem theologischen Thema sehr schön in die Adventszeit passt, die aber tatsächlich dem Auge auch die Möglichkeit gibt, vollkommen zu wandern in dieser Zeit, rund um 1500, als diese gedruckten Andachtsbücher - und nur um die geht es, nicht mehr um die handschriftlichen, sondern tatsächlich um die ersten gedruckten - aufkamen, vor allen Dingen in Frankreich und in Flandern.
Man muss sich ein bisschen den kulturgeschichtlichen Hintergrund vergegenwärtigen. Um 1470 wurde der Buchdruck in Paris eingeführt. Der damalige König Karl VII. hatte eigens einen Drucker aus Paris nach Mainz in die Gutenbergstadt geschickt und dem gesagt, nun schau dir mal an, wie das da funktioniert. Das möchten wir auch gerne haben. Der hat sich aber anschließend entschieden, nicht nach Paris zurückzukehren, sondern in Venedig eine eigene Druckerei aufzumachen. Also mussten es die Professoren der Sorbonne sein, die dann begannen, auch in Paris zu drucken. Und sehr schnell waren ihre Hauptbeschäftigungen eigentlich das Drucken dieser Stundenbücher.
Schmitz: Welche Werke, die Sie in dieser Ausstellung gesehen haben, hat es Ihnen besonders angetan? Was war besonders schön? Was haben Sie gesehen?
Koldehoff: : Das schöne waren vor allen Dingen, also es sind Werke tatsächlich zu sehen aus der Zeit von 1487. Das ist das früheste Buch, das zu sehen ist. Übrigens schon ein sehr spektakuläres Buch, weil es, was man gar nicht vermuten würde, eine illuminierte, also eine handgemalte Darstellung einer vollkommen nackten Frau im Bade zeigt. Einer Frau, die auch ganz deutlich als Frau dargestellt ist, mit roten Brustwarzen, mit einem Tuch, das gerade knapp die Scham verhüllt, also eigentlich ganz spektakulär für ein theologisches Buch. Aber natürlich suchte man damals schon den Vorwand, auch nackte Haut zeigen zu können. Und das hat Tenschert heute morgen bei der Pressekonferenz auch ganz deutlich gesagt, die Vorwände hießen "Eva im Paradies" und sie hießen "Susanna mit den Alten".
Schmitz: Also, die private erotische Lektüre über das Gebet. Erfährt man denn auch etwas über den einzigen Gebrauch unabhängig von diesem erotischen möglicherweise Implikationen dieser Stundenbücher vor 300 oder 500 Jahren?
Koldehoff: : Deswegen finde ich die Ausstellung so schön. Es ist eine sehr ästhetische Ausstellung, diese Privatsammlung, die umfangreichste. Nicht einmal die Nationalbibliothek in Paris hat eine solche Sammlung von Stundenbüchern. Also es ist alles zum ersten Mal zu sehen. Es ist nicht nur ein ästhetischer Genuss, sondern wirklich auch ein Bildungserlebnis, denn man sieht an diesen Stundenbüchern wieder um 1500 herum plötzlich die Religion oder das religiöse Empfinden beginnt, sich ganz, ganz vorsichtig und langsam von der Kirche zu emanzipieren. Man muss sich das ja klar machen, diese Stundenbücher, die wurden nicht in der Kirche, sie haben beschrieben, wie sie den Tag theologisch gliedern, nicht in der Kirche eingesetzt, sondern in Fürstenhäusern, in Bürgerhäusern später dann auch, also privat. Das heißt, es war nicht mehr die Kirche, die sozusagen zu bestimmen hatte, welcher Kanon von Texten denn da gelesen wird. Das war die Entscheidung derjenigen, die diese Bücher drucken ließen. Natürlich musste die Kirche, auch das hat Tenschert heute morgen sehr anschaulich beschrieben, alles genehmigen. Es kamen Vertreter der Bischöfe in die Druckereien, gucken sich an, was da hergestellt wurde. Und es gibt auch einige Bücher, in denen dann mit dickem schwarzen Stift durchgestrichen ist, was nicht dem Kanon der Kirche entsprach.
Schmitz: Aber immerhin eine private Sammlung der Lieblingsgebete und Psalmen in diesen Stunden.
Koldehoff: : Sozusagen.
Schmitz: Vielleicht noch ein Wort dazu, wie die Bücher präsentiert werden.
Koldehoff: : In Vitrinen. Man darf natürlich nicht blättern. Aber es gibt einen hervorragenden Katalog, in dem sehr viele Einzelseiten abgebildet sind. Man würde sich natürlich wünschen, so etwas einmal in die Hand nehmen zu können, ein bisschen blättern zu können, das damals sehr, sehr teure Pergament knistern zu hören. Aber es ist verständlich, dass ein Museum und zumal ein Privatsammler so etwas nicht zulassen.
Schmitz: Stefan Koldehoff: , vielen Dank für die Eindrücke über die Ausstellung "Erleuchtete Stunden" imMuseum für angewandte Kunst in Frankfurt.