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Erlkönige verköstigen

Technik. – In Stuttgart können sich deutsche Winzer zurzeit informieren, welche der seit kurzem erlaubten Kniffe bei der Weinherstellung wirklich etwas bringen, und welche nicht. Auf der Fachmesse "Intervitis" stellen Forscher mit den neuen Methoden hergestellte Weine vor.

Von Volker Mrasek |
    "Fangen wir mit der Kontrolle an."
    "Wunderschön ist die Aromaausbildung. Das ist ja richtig ein Grapefruit.”" ""Genauso, genauso wie hier diese reifen Noten, gelbe Früchte.”"
    ""Ja, ja.”"
    ""... die sind da wirklich exzellent.”"

    Experten unter sich in Halle 5.2 der Stuttgarter Messe. Auf drei langen Tischreihen stehen Dutzende von Flaschen in Plastikkühlern. Der Deutsche Weinbauverband lädt Besucher der Fachmesse Intervitis zur Verkostung. ...

    ""Aber, aber auch dieses Ziehende, Adstringente, das ...”"
    ""... ja, auch immer wieder mit Bitternis ...”"
    ""... mit Bitternis, ja.”"
    ""OK, trotzdem schön, der Versuch.”"
    ""Ja!” "Ja!”"

    Der sensorische Test in Stuttgart ist vermutlich weltweit einzigartig. Fünf Tage lang konnten auf der Intervitis 280 Weine verkostet werden, die es nirgendwo zu kaufen gibt. Es sind Tropfen aus neun deutschen Lehr- und Forschungsanstalten sowie aus Versuchen des Bundes Deutscher Önologen. Gekeltert, vergoren und abgefüllt unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten: Sie wurden nach diversen neuen Verfahren im Weinbau erzeugt. So wie dieser Lemberger, den Ulrich Fischer im Glas hat. Fischer:

    ""So, jetzt probieren wir die Zugabe von Chips. Und zwar interessanterweise nicht nach der Gärung, sondern schon während der Gärung."

    Fischer leitet die Abteilung Weinbau und Önologie im Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum in Neustadt an der Weinstraße, früher bekannt als Staatliche Lehr- und Forschungsanstalt für Wein- und Gartenbau. Die Chips, von denen Fischer spricht, sind aus Eichenholz und noch immer ein heiß diskutiertes Thema. Statt sie im Holzfass auszubauen, dürfen Winzer ihren Weinen vorübergehend getoastete Eichenholz-Späne zusetzen. Ähnlich wie die Dauben eines Fasses geben die Chips Aromastoffe an den Wein ab. Das soll für mehr Körper sorgen und ist seit kurzem auch in Deutschland offiziell erlaubt. Fischer verkostet zunächst einen Lemberger ohne Chips-Behandlung:

    ""Natürlich die typische Kirsch- und etwas Holunderfrucht des Lembergers. Ich würde mal sagen: ein Wein, dem etwas die Tiefe fehlt.”"

    Dann der gleiche Rotwein, aber mit Chips-Note ...

    ""... und in der Nase hat sich das Aroma komplett verändert. Es ist unglaublich, wie mit dieser kleinen Maßnahme ein Wein mehr Struktur bekommen hat. Also, Kompliment an die Kollegen aus Weinsberg, die diesen Versuch durchgeführt haben.”"

    Bei anderen Weinen geht es um den Einsatz neuer Hefen für die Gärung, um unterschiedliche Termine der Weinlese oder die Verwendung alternativer Verschlüsse anstelle von Kork - um nur ein paar weitere Beispiele zu nennen. In der Forschungsecke der Messe können Winzer in Erfahrung bringen, wie sich die neuen Methoden und Materialien am Ende im Wein auswirken. Ulrich Fischer schätzt an dem ganzen Projekt,

    ""daß die Besucher dieser Messe nicht nur die Technologie sehen können, sondern auch wie die Technologie Einfluß nimmt auf den Wein. Der Nutzen für uns als Wein-Wissenschaftler ist, daß wir der Praxis vorgelagerte Versuche bieten können, die sie nicht selbst durchführen kann. Die Beziehung zwischen Forschung und Praxis wird sehr stark gefördert und intensiviert.”"

    Von Fischers Forschungsanstalt in Neustadt können Winzer lernen, wie sie am besten Sauvignon Blanc ausbauen. Die spät reifende, weiße Rebsorte ist in Deutschland auf dem Vormarsch. Weil ihre Aromastoffe aber empfindlich auf Sauerstoff reagieren, setzten die Neustädter Experten den Trauben bei der Verarbeitung Ascorbinsäure zu, Vitamin C. Anstelle der Aromastoffe sollte der Sauerstoff die Säure angreifen, das war die Idee. Offenbar funktioniert sie. Bisherige Verfahren, das Aroma von Sauvignon Blanc zu bewahren, waren aufwendiger und teurer. Fischer:

    ""Wir haben mit dieser kleinen Maßnahme, die in fünf Minuten durchführbar ist, belegt, daß wir das viel einfacher machen können.”"

    Und auch kostengünstiger. Ein Beispiel für den unmittelbaren Nutzen, den Winzer aus der Weinbauforschung ziehen können.