Mit einem lateinischen Zitat (von Vergil) schmückte sich die Ouverture: "Von Hohem lasst uns singen!" Und gesungen wird mit den raffiniert schlichten Weisen Händels in der Tat vom Höchsten. Der mutete vor 2000 Jahren seinem mutmaßlichen Sohn den Opfertod zu; doch habe ER, so steht es geschrieben, den Gekreuzigten auferstehen lassen, dadurch den Rechtgläubigen den Weg zur Erlösung eröffnet. – Prächtig gerät dar Soundtrack zum Bühnen-Messias unter den energischen und freundlich animierenden Armbewegungen des Korsen Spinosi. Der befehligt ein glänzend besetztes Solisten-Ensemble, den in Höchstform agierenden Arnold Schoenberg Chor sowie das mit nachgebautem historischem Gerät im Orchestergraben präsente Ensemble Matheus. Flexible Tempogebung und reiche dynamische Schattierungen gewinnen die Herzen der WienerInnen im Flug. So ereignen sich drei musikalisch glückliche Stunden.
Da der Tod bekanntlich auf spezielle Weise aan Weaner ist, hat Claus Guths szenische Einrichtung ihm und dem Publikum an der Wien Referenz erwiesen. Das große Vorbild im Hintergrund war offensichtlich Herbert Wernickes Bach-Kantaten-Adaption Actus tragicus. Ganz unmittelbar aber wurde in der schamlosesten Weise von Paul Esterhazys Literarisierung, Bebilderung und Inszenierung der Verdischen Messa da requiem in Kombination mit Morton Feldmans Neither abgekupfert, einer Produktion, die vor einem Jahr am Staatstheater Kassel herauskam.
Claus Guth banalisierte freilich Esterhazys raffinierte historische Tiefendimensionen. Er schusterte Händels alttestamentarischen Sentenzen und Offenbarungs-Zitaten eine gegenwartsfixierte Bühnenhandlung zu, in der zunächst ein Geistlicher den in unterschiedlichen Heftigkeitsgraden trauernden Hinterbliebenen Trostworte am Sarg spendet. Die graue Aussegnungshalle wurde von Christian Schmidt pfiffig mit Nebenräumen versehen – mit Korridoren, Konferenz- und Speiseraum sowie Gästezimmern für Seitensprünge. Da eröffnet sich eine Familien- und Sozial-Anamnese des Verstorbenen.
Der mischt sich – ebenso wie eine von Helmut Oehring erborgte Gebärdensolistin – als stumme Figur im Rückwärtsgang unter die Überlebenden. Das sind allesamt Kleinbürger, wie sie zwischen Graben und Karlsplatz unterwegs sind oder sich im ORF selbstdarstellen. Der aus dem Leben geschiedene Familienvater erweist sich schon der Taufe des Erstgeborenen nicht gewachsen. Beruflich wird er als völliger Versager dargestellt. Die Gattin legt sich zum Ausgleich mit einem seiner Brüder ins Bett und singt: "How beautiful are the feet" – wobei das Original-Libretto zweifelsfrei nicht die Extremitäten eines Betthaserl, sondern die Beine eines göttlichen Boten meinte (– eine alberne Heiterkeit in der ansonsten grauen Geschichte). Denn der vom Leben Benachteiligte schneidet sich die Schlagadern auf, stürzt dadurch die Nächsten in Gewissensbisse und treibt sie zum feuchtfröhlichen Leichenschmaus. Die ariose Frage, wo angesichts des in Aussicht gestellten ewigen Lebens der Tod noch seinen Stachel habe, beantwortet ein dreiviertel Liter Grappa. Doch dann wird’s wieder respektvoll ernst und die Obertitel erinnern uns: "Groß ist das Geheimnis des Glaubens".
Anders als vor einem Viertel Jahrhundert Achim Freyers Messias-Bildertheater in Berlin entwickelt Claus Guths Alltagsgeschichte aus dem Dunstkreis der Gegenwart in Wien nichts Rätselhaftes oder Erratisches – es ist eine schauderhaft triviale Geschichte. Trivial schauderhaft. Guths theatervirtuose Banalität missbraucht die Musik en detail und en gros, verbaut die historischen Dimensionen des Werks imposant. Im Kern macht sich die neue "Handlung" mit der auf Shoppen, Poppen und Mobben konditionierten Klientel gemein. Die Älteren aber, die zeitweise vielleicht ein wenig Magendrücken bekommen bei dieser Produktion, wollen keine Spielverderber sein und klatschen mit, weil sie Guths Mutwillen für einen Indikator von Modernität halten.
Da der Tod bekanntlich auf spezielle Weise aan Weaner ist, hat Claus Guths szenische Einrichtung ihm und dem Publikum an der Wien Referenz erwiesen. Das große Vorbild im Hintergrund war offensichtlich Herbert Wernickes Bach-Kantaten-Adaption Actus tragicus. Ganz unmittelbar aber wurde in der schamlosesten Weise von Paul Esterhazys Literarisierung, Bebilderung und Inszenierung der Verdischen Messa da requiem in Kombination mit Morton Feldmans Neither abgekupfert, einer Produktion, die vor einem Jahr am Staatstheater Kassel herauskam.
Claus Guth banalisierte freilich Esterhazys raffinierte historische Tiefendimensionen. Er schusterte Händels alttestamentarischen Sentenzen und Offenbarungs-Zitaten eine gegenwartsfixierte Bühnenhandlung zu, in der zunächst ein Geistlicher den in unterschiedlichen Heftigkeitsgraden trauernden Hinterbliebenen Trostworte am Sarg spendet. Die graue Aussegnungshalle wurde von Christian Schmidt pfiffig mit Nebenräumen versehen – mit Korridoren, Konferenz- und Speiseraum sowie Gästezimmern für Seitensprünge. Da eröffnet sich eine Familien- und Sozial-Anamnese des Verstorbenen.
Der mischt sich – ebenso wie eine von Helmut Oehring erborgte Gebärdensolistin – als stumme Figur im Rückwärtsgang unter die Überlebenden. Das sind allesamt Kleinbürger, wie sie zwischen Graben und Karlsplatz unterwegs sind oder sich im ORF selbstdarstellen. Der aus dem Leben geschiedene Familienvater erweist sich schon der Taufe des Erstgeborenen nicht gewachsen. Beruflich wird er als völliger Versager dargestellt. Die Gattin legt sich zum Ausgleich mit einem seiner Brüder ins Bett und singt: "How beautiful are the feet" – wobei das Original-Libretto zweifelsfrei nicht die Extremitäten eines Betthaserl, sondern die Beine eines göttlichen Boten meinte (– eine alberne Heiterkeit in der ansonsten grauen Geschichte). Denn der vom Leben Benachteiligte schneidet sich die Schlagadern auf, stürzt dadurch die Nächsten in Gewissensbisse und treibt sie zum feuchtfröhlichen Leichenschmaus. Die ariose Frage, wo angesichts des in Aussicht gestellten ewigen Lebens der Tod noch seinen Stachel habe, beantwortet ein dreiviertel Liter Grappa. Doch dann wird’s wieder respektvoll ernst und die Obertitel erinnern uns: "Groß ist das Geheimnis des Glaubens".
Anders als vor einem Viertel Jahrhundert Achim Freyers Messias-Bildertheater in Berlin entwickelt Claus Guths Alltagsgeschichte aus dem Dunstkreis der Gegenwart in Wien nichts Rätselhaftes oder Erratisches – es ist eine schauderhaft triviale Geschichte. Trivial schauderhaft. Guths theatervirtuose Banalität missbraucht die Musik en detail und en gros, verbaut die historischen Dimensionen des Werks imposant. Im Kern macht sich die neue "Handlung" mit der auf Shoppen, Poppen und Mobben konditionierten Klientel gemein. Die Älteren aber, die zeitweise vielleicht ein wenig Magendrücken bekommen bei dieser Produktion, wollen keine Spielverderber sein und klatschen mit, weil sie Guths Mutwillen für einen Indikator von Modernität halten.