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Ernährung
Düstere Prognosen für Reis, Weizen und Mais

Können die wichtigen Getreidepflanzen den Hunger der Menschheit auch in Zukunft stillen? Um verlässliche Aussagen über künftige Erträge und den Bedarf treffen zu können, haben US-amerikanische Wissenschaftler Daten aus der Vergangenheit herangezogen.

Von Jochen Steiner | 18.12.2013
    "Meine Kollegen und ich beschäftigen uns seit Jahren mit den Prognosen zum weltweiten Bedarf von Nahrungsmitteln und ob diese Prognosen zeigen, dass der Bedarf in Zukunft gedeckt werden kann."
    Das Team um den amerikanischen Agrarwissenschaftler Professor Ken Cassman von der Universität Nebraska will zum Beispiel wissen, wie viel Land benötigt wird, um genügend Nahrungsmittel produzieren zu können.
    "Als wir uns die vorhandenen Daten angesehen hatten, stellten wir fest, dass es kaum präzise wissenschaftliche Untersuchungen zu solchen Fragen gibt."
    Bislang sei viel Rätselraten mit im Spiel gewesen, wenn es darum ging, zukünftige Erträge von Ackerpflanzen vorherzusagen, so Ken Cassman. Für einen realistischen Blick in die Zukunft brauche man aber zunächst einmal verlässliche Daten aus der Vergangenheit. Der Agrarwissenschaftler und seine Kollegen nutzten Daten der Welternährungsorganisation FAO ab 1960:
    "Wir haben einen statistischen Ansatz gewählt, der uns für jedes Land die Frage beantworten kann, wie stark die Erträge angestiegen sind und ob ein Anstieg linear verlaufen ist oder plötzlich stagnierte oder einbrach."
    Nachdem die Forscher mathematische Gleichungen für die unterschiedlichen Verläufe der Ernteanstiege aufgestellt und mit den vorliegenden Rohdaten gefüttert hatten, kamen sie zu folgendem Ergebnis. Cassman:
    "Das Auffälligste ist, dass 31 Prozent der weltweiten Weizen-, Reis- und Maisproduktion in den Ländern eingefahren werden, in denen der jährliche Ertragszuwachs immer geringer ausgefallen ist oder in denen die Erträge überhaupt nicht mehr angestiegen sind."
    Bisherige Untersuchungen waren meist von ständig ansteigenden Ernteerträgen in praktisch allen Ländern ausgegangen. Nach Ken Cassmans Berechnungen aber steigen die Reiserträge in China, Japan und Kalifornien seit Jahren nicht mehr an, ebenso die Weizenerträge in Deutschland, Frankreich und Großbritannien:
    "In vielen Ländern stagnieren die Ernteerträge für viele Ackerpflanzen. Wir glauben deshalb, dass es eine obere Grenze bei den Erträgen gibt."
    Die Bauern könnten noch so viel Technik einsetzen, so Cassman, an den drei biophysikalischen Faktoren Sonnenlicht, Temperatur und Regenmenge könnten sie nichts ändern. Deshalb würden zum Beispiel deutsche Bauern beim Weizen eine Ernteausbeute von 80 Prozent vom dem einfahren, was unter Idealbedingungen möglich wäre. Wollten die Bauern noch mehr erreichen, würden die möglichen Zusatzerträge aber die Kosten nicht mehr decken.
    Die Ergebnisse von Ken Cassman und seinem Team legen den Schluss nahe, dass es in Zukunft eine noch größere Herausforderung sein wird als gedacht, die schnell wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Bisherige Studien über zukünftige Erträge seien oft zu optimistisch gewesen.
    Der Agrarwissenschaftler plädiert nun dafür, den Ertrag auf den vorhandenen Flächen zu steigern. Was in Deutschland kaum noch möglich ist, könnte aber vor allem in afrikanischen Ländern südlich der Sahara erfolgreich sein:
    "Aber wenn das nicht mehr funktioniert, dann müssen die landwirtschaftlichen Flächen vergrößert werden. Und wir wissen, dass dafür eigentlich nur noch ökologisch sehr wertvolle Flächen wie Regenwälder, Sümpfe oder Grasland infrage kommen."
    Das hätte dann aber, so Cassman, einen drastischen Anstieg der Treibhausgasemissionen und einen Verlust an Artenreichtum zur Folge.