Samstag, 20. April 2024

Archiv

Ernährung
Mit Gen-Bananen gegen Vitamin-A-Mangel

Etwa 190 Millionen Kleinkinder leiden weltweit an Vitamin-A-Mangel. Der "stille Hunger" lässt sie erblinden oder sterben. Eine genetisch veränderte Banane soll helfen, die Unterversorgung in den Ländern Afrikas zu bekämpfen. Ihre Wirksamkeit wird nun zum ersten Mal an Menschen getestet.

Von Anneke Meyer | 01.07.2014
    Besteck und eine Banane liegen auf einem orangefarbenen Teller.
    Durch das eingeschleuste Gen haben James Dale und seine Kollegen den Pro-Vitamin-A-Gehalt der Früchte um das Fünffache erhöht. (picture alliance / ZB / Jens Kalaene)
    "Wir haben Bananen genetisch verändert und zwar, indem wir Gene von einer Banane genommen haben die natürlicherweise viel Pro-Vitamin A enthält. Dieses Gen haben wir dann in die Banane eingeschleust, die für uns interessant war."
    Und die sieht von Außen wie eine ganz normale afrikanische Kochbanane aus. Von Innen leuchtet ihr Fruchtfleisch aber fast orange. James Dale, Professor an der Queensland University of Technology in Australien, hofft mit der genetisch veränderten Banane den Vitamin-A-Mangel zu lindern, an dem in Afrika jedes dritte Kind leidet. Viele von ihnen werden blind oder sterben.
    Kochbananen sind in Ost-Afrika das Hauptnahrungsmittel der Armen. Durch das eingeschleuste Gen haben James Dale und seine Kollegen den Pro-Vitamin-A Gehalt der Früchte um das fünffache erhöht. In einem Versuch mit Menschen geht es nun darum herauszufinden, ob Pro-Vitamin A aus der orangen Banane auch vom Körper aufgenommen werden kann.
    "Wir sind sehr zuversichtlich. Wir haben bereits Futterversuche mit Mongolischen Wüstenrennmäusen gemacht und das mit sehr gutem Ergebnis. Wüstenrennmäuse haben einen Vitamin-A-Stoffwechsel, der dem des Menschen sehr Ähnlich ist. Und auch andere Studien legen Nahe, dass die Ergebnisse übertragbar sein werden."
    Die ersten, die die Banane probieren werden, sind Freiwillige in den USA. Sechs Wochen lang wird sie ein Hauptbestandteil ihrer Nahrung sein. In Uganda, wo die Banane langfristig eingeführt werden soll, gibt es für solche Versuche noch keinen gesetzlichen Rahmen. In den USA hingegen machen die Vorgaben eine Durchführung relativ einfach möglich. Anders als in Australien selber, wo die Bananen für den Versuch herkommen werden.
    "Unsere Versuchserlaubnis hat eine Beschränkung, die besagt, dass die Bananen nicht zum essen oder füttern verwendet werden dürfen. Es ist ein bisschen frustrierend - wir hätten die Genehmigung bekommen, den Futterversuch in Australien durchzuführen, aber das wäre nur in unserem Labor gegangen. Damit wäre die Objektivität gefährdet, weil wir einfach zu nah an den Ergebnissen dran sind."
    "Goldener Reis" wartet seit 20 Jahren auf Markteinführung
    Die Sorge um Objektivität ist kaum überraschend. Gerade Vorhaben zur genetischen Veränderung von Pflanzen sind immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt. Ein Problem mit dem vor allem das Pionierprojekt auf diesem Gebiet, der Goldene Reis, zu kämpfen hat.
    Das gelbe Getreide wurde speziell zur Verbesserung der Vitamin-A-Versorgung in Asien entwickelt. Seit bald 20 Jahren steht es in den Startlöchern und wartet auf die Markteinführung. Die scheitert immer wieder am Widerstand von Gentechnikgegnern, mangelnder Unterstützung vor Ort, aber auch an gesetzlichen Regulierungen. Im Windschatten des Vorreiterprojektes haben James Dale und seine Kollegen es bisher geschafft solche Probleme zu vermeiden.
    "Wir haben viel Unterstützung bekommen. Tatsächlich ist unser Feldversuch genau im Bananenanbaugebiet Australiens. Wir haben die Farmer getroffen und sie alle finden das, was wir tun, sehr gut. Wir haben natürlich auch Feldversuche in Uganda. Das ist kein Geheimnis. Wir wollen wirklich sicherstellen, dass alle Beteiligten involviert sind."
    Alle Beteiligten, das sind insbesondere auch Wissenschaftler und Politiker in Uganda. Aufgrund der Unterstützung vor Ort rechnet Dale damit, dass die rechtlichen Hürden zur Verbreitung der Banane bald genommen sein werden. Ab 2020 sollen dann Farmer in Uganda die Pro-Vitamin-A-angereicherte Frucht uneingeschränkt anbauen dürfen.
    Ob damit der Vitamin-A-Mangel in dem ostafrikanischen Land behoben werden kann, ist allerdings fraglich. Das zumindest meint Michael Krawinkel, Ernährungswissenschaftler und Experte für Entwicklungsländer an der Universität Gießen.
    "Also auf jeden Fall ist es ein sehr eindimensionaler Ansatz in der Bekämpfung von Mangelernährung. Die Banane allein ist sicher ebenso wenig die Lösung wie der Reis allein. Es muss Gemüse dazu, es muss Fett dazu, es müssen im geringeren Umfang auch tierische Nahrungsmittel dazu."
    Ohne Fett keine Aufnahme von Pro-Vitamin A
    Ohne Fett kann Pro-Vitamin A nicht vom Körper aufgenommen werden. Ein Problem, das bei Versuchen im Rahmen einer westlichen, fettreichen Ernährung nicht zum tragen kommt, bei Unterernährung aber durchaus relevant ist.
    Hinzu kommt, dass der Pro-Vitamin-A-Gehalt der genetisch veränderten Kochbanane geringer ist als in vielen in Ostafrika beheimateten grünen Blattgemüsen.
    "Es ist unverständlich, wie viel Geld in die Züchtung einer solchen neuen Pflanze investiert wird, anstatt vor Ort zu schauen, welche Vitamin-A- und Pro-Vitamin-A-Quellen gibt es dort und wie man diese lokal verfügbaren Nahrungsmittel am besten nutzen kann, um lokal wirklich eine gute Versorgung zu gewährleisten."
    Genetisch manipulierte Nahrungsmittel könnten am ehesten in Armenvierteln von Großstädten relevant werden. Auch dort sind sie aber nicht alternativlos.
    WHO und Unicef zufolge zeigen Programme mit Vitamin-A-Präparaten zur Nahrungsergänzung beträchtliche Erfolge.
    Gegen die eigentliche Ursache der Mangelernährung, die Armut, sind allerdings sowohl Prävention als auch Gentechnik machtlos.