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Ernährungsbericht 2004

Die Deutschen essen zu kalorienreich: zu viel, zu süß und zu fett. Zu diesem Ergebnis kommt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung in ihrem 10. Ernährungsbericht. Er wurde vergangene Woche in Berlin der zuständigen Ministerin Renate Künast überreicht.

Von William Vorsatz |
    Die Situation sei noch kritischer als bei der letzten Veröffentlichung vor vier Jahren, weil wir uns seither noch weniger bewegen. Es gibt zwar auch Lichtblicke - wir essen etwas mehr Obst und Gemüse - aber insgesamt noch immer viel zu wenig davon. Vitamintabletten oder ähnliches können eine nicht ausgewogene Ernährung aber in den seltensten Fällen kompensieren.

    Der Ernährungsbericht 2004 ist 480 Seiten dick. Er beleuchtet von allen Seiten, welches Essen und Trinken wir zu uns nehmen, wo, wann und wie das getan wird und welcher Nutzen bzw. welche Risiken von einzelnen Nahrungsmitteln ausgehen können. Am gefährlichsten sind jedoch nicht etwa irgendwelche Mängel. Zu schaffen macht die Fülle, betont Verbraucherministerin Renate Künast:

    9Dieser Ernährungsbericht belegt meines Erachtens, dass tatsächlich Ernährungsverhalten und Lebensstil nicht zueinander passen. Weil die durchschnittliche Energiezufuhr im Verhältnis zur körperlichen Aktivitäten nach wie vor zu hoch ist, und man feststellen kann, dass wir zu viel, zu süß und zu fett essen.

    Das Verhältnis hat sich in dem letzten vier Jahren sogar weiter verschlechtert. Weil sich die Menschen hierzulande noch sparsamer bewegen und dazu das Falsche essen - zu energiereiche Nahrung. Da der Magen jedoch auf eine bestimmte Mengen eingestellt ist, nimmt er bei zucker- und fettreicher Kost mehr Kalorien auf. Aus dem täglichen Überschuss werden Fettdepots. Auch diese müssen durchblutet werden, also steigt der Energiebedarf, die Übergewichtigen essen noch mehr und nehmen so stetig weiter zu. Mehr Obst und Gemüse könnte das verhindern:

    Wir stellen hier aber fest, dass mit durchschnittlich 150 g pro Tag wir weit unter den 400 sind, die die WHO empfiehlt, ganz zu Schweigen von höheren Zahlen, die die deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt mit 650 am Tag.

    Vor allem Jugendliche machen Sorgen, weil sie von der Pubertät bis zu einem Alter von etwa 18 Jahren oft die letzten guten Essgewohnheiten über Bord werfen und bevorzugt zu Junkfood wie Pizza und Pommes greifen, minderwertiger Nahrung mit viel Energie. Insgesamt essen wir im Schnitt zwar heute etwas mehr Obst und Gemüse als vor vier Jahren. Aber leider ist dieses Mehr zur bisherigen Nahrungsmenge dazugekommen, statt dafür Ungesundes wegzulassen. Während neuere Studien die prophylaktische Wirkung von Obst und Gemüse gegen Krebs weiter untermauert haben, bleibt hoher Fleischkonsum problematisch. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Prof. Helmut Ebersdobler, weist auf neue Forschungsereignissen aus den letzten zwei Jahren. Er gibt zu bedenken,

    ... dass bearbeitetes und verarbeitetes Fleisch, vor allem gepökeltes Fleisch, in zu großer Menge ein Problem macht, es würde also doch empfehlenswert sein, Fleisch in Zukunft nativ herzustellen, zu kochen und nicht zu viel zu pökeln und zu stark zu rösten und zu grillen. Negativ zu sehen ist ganz sicher der Alkoholkonsum, hier treten gerade im oberen Verdauungstrakt und auch im Rachenbereich Probleme auf, besonders wenn Alkohol mit
    Rauchen vergesellschaftet ist.


    Krebs kann aber auch durch Mykotoxine entstehen, Gifte von Schimmelpilzen. Hier berichtet die Ernährungsgesellschaft von immer besseren Messverfahren, die dadurch mehr Fälle erfasst haben. Betroffen sind eher die importierte Obst- und Gemüsesorten. Bei Trauben werden dagegen vor allem Rückstände von Pestiziden beklagt.
    Der Vitamin- und Mineralgehalt der pflanzlichen Produkte schwankt stark, insgesamt ist aber entgegen andere Verlautbarungen kein Trend zu einer Verarmung festzustellen. Eine ausgewogene Ernährung bietet dem Normalverbraucher genügend Vitamine. Daher wird auch vor dem unkritischen Schlucken von Nahrungsergänzung gewarnt. Im günstigsten Fall würde sie nur den Geldbeutel belasten. Aber es kommt auch zu gefährlichen Überdosierungen, etwa beim
    Vitamin E:

    Es werden heute Präparationen bis zu 1000 mg angeboten, das sind die sogenannten Megavitaminpackungen und Dosierungen, und der Bedarf liegt ungefähr bei 15 Milligramm pro Tag, und da sind Tausend fast schon die 100fache Überdosierung, und man hat jetzt herausgefunden, das Aufnahmen von über 400 Milligramm pro Tag nicht empfehlenswert sind. Sie können umschlagen in einen pro-oxidativen Effekt, normalerweise ist ja Vitamin E anti-oxydativ wirksam und schützt vor der inneren Verrostung, sagt man etwas banal, aber wenn man große Mengen aufnimmt, kann es in das Gegenteil umschlagen.

    Solche Überdosierungen zu können zu Krebs und Herzkreislauferkrankungen führen.
    Die Experten verurteilen die Anreicherung der Nahrung jedoch nicht pauschal als schädlich oder nutzlos. Probiotika im Jogurt beispielsweise können Verdauung und Abwehrkraft stärken. Aber der Verbraucher sollte sich immer informieren, welche Stoffe er aufnimmt und wie viel davon. Sonst ist es sinnvoller, auf diese Angebote zu verzichten, rät die Deutsche Gesellschaft für Ernährung.
    Insgesamt wüssten immer noch zu wenig Menschen, wie gesunde Ernährung konkret aussieht.