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Ernährungssicherheit und Agrarindustrie

Im Vorfeld der "internationalen Grünen Woche" beklagt die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), dass sich die Agrarindustrie auf der Messe wieder als Retter für die Ernährungssicherheit in der Welt präsentiert. Dabei sorgen die Agrarmultis nach Ansicht der AbL für mehr Hunger auf der Welt.

Von Philip Banse | 12.01.2009
    Die Lobbyisten der kleinen Bauern werfen den Großbauern und der Agrarindustrie Augenwischerei vor. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, AbL, Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf:

    "Die Vertreter der agrarindustriell ausgerichteten Agrarpolitik wollen unter dem Deckmantel der Welternährung und des Besiegens des Hungers eine Offensive starten zur Durchsetzung agrarindustrieller und gentechnologischer Produktionsweisen."

    Die Kritik der AbL: Wenn Europa die Welt mit Nahrungsmitteln beliefern wolle, gehe das nur, indem vorher noch mehr Nahrungsmittel aus Schwellen- und Entwicklungsländern nach Europa importiert werden, als Rohstoffe und Futtermittel für die Fleischproduktion etwa.

    "Die Länder der Dritten Welt, die Bauern dort, werden von den Agrarmultis unter der Armutsgrenze aufgekauft. Das kommt dann hier hin, wird veredelt, also umgesetzt in tierische Produkte, und dann geht das zurück in diese Ländern und erreicht die Märkte dort nur, weil es nach unten gedumpt ist."

    Nach unten gedumpt meint, mit Subventionen verbilligt. Diese Subventionen wurden zwar weitgehend abgeschafft, im Zuge der Finanzkrise rufen aber auch Bauern und Agrarindustrie nach staatlicher Hilfe. Diese Art der globalen Nahrungsmittelproduktion mindere nicht den Hunger, sondern vermehre ihn, so Benedikt Haerlin von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft.

    Großindustrielle Nahrungsmittelproduktion schade darüber hinaus dem Klima. So hat der UN-Weltklimabericht festgestellt, dass kaum irgendwo so schnell so viel schädliche Klimagase eingespart werden könnten wie in der Landwirtschaft.

    "Der größte Feind dieser Einsparungen sind agroindustrielle Monokulturen. Die CO2-Effizienz dieser Wirtschaftsform ist mit Abstand die Schlimmste."

    Dünger, Pestizide, Bewässerung - all das verbrauche Öl, produziere Klimagase. Die Vertreter der Kleinbauern setzen daher auf ein völlig anderes Landwirtschaftsmodell: Regionale Nahrungsmittelproduktion, die ihre Energie mit Solarzellen erzeugt. Benedikt Haerlin fühlt sich in diesem Ansatz vom jüngsten UNO-Weltagrarbericht bestätigt. Die Kernthese dieses wissenschaftlichen Reports fasst der Kleinbauernlobbyist so zusammen:

    "Es kommt nicht darauf an, dass wir unsere Produktivität weiter steigern nach dem Modell, was man gemeinhin die grüne Revolution genannt hat. Sondern es kommt darauf an, dass Lebensmittel dort produziert werden, wo sie gebraucht werden und zwar auch zu Preisen und sozialen Bedingungen, die es den Menschen dort erlauben, sich selbst zu ernähren. Es geht also um Selbstversorgung in Nord und Süd."

    Das würde einen radikalen Wandel unserer Nahrungsmittelproduktion bedeuten, "rückwärtsgewandt, mittelalterlich", sagen Großbauern und der Deutscher Bauernverband. Regionale Kleinbauern-Produktion würde die Auswahl verkleinern und Nahrungsmittel verteuern. Auch Kleinbauern-Vertreter Benedikt Haerlin sagt:

    "Fleisch muss einfach teurer werden."

    Müssen wir also insgesamt mehr für Ernährung ausgeben? Nicht unbedingt, sagt die AbL. Fertigprodukte wie Tiefkühlgerichte werden mehr Geld kosten. Zu etwa gleichen Kosten wie heute äße, wer selber kocht und Gemüse auf dem Markt kauft.