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Ernst Jünger im Hörspiel

"Strahlungen" heißt das Hörspiel des Monats Mai, das der Komponist, Musiker und Regisseur Hermann Kretzschmar realisierte. Kretzschmar wagt mit diesem Stück den Versuch, sich mit einem der problematischsten und umstrittensten Autoren der deutschen Literatur auseinander zu setzen – mit Ernst Jünger, der vor allem mit seinen Kriegsberichten in den Ruch kam, die Schlacht als Form männlicher Selbstbehauptung zu verherrlichen und dem Faschismus zu huldigen. Jünger und das Hörspiel, über diese Verbindung habe ich mich mit Hermann Kretzschmar unterhalten.

Von Frank Olbert |
    Frank Olbert: Herr Kretzschmar, die Musik ist in Ihrem Hörspiel weit davon entfernt, bloße Illustration zu sein. Sie kommentiert oder arbeitet auch gegen den Text. Wie sind Sie bei dieser Arbeit vorgegangen?

    Hermann Kretzschmar: Ich bin durch verschiedene andere Autoren darauf gekommen, die "Strahlungen" zu lesen und hatte am Anfang auch eine Art Widerwillen. Ich habe das Buch wieder weggelegt - es hat mich aber letztens Endes doch animiert weiterzulesen. Es war gewissermaßen eine Hassliebe dazu. Jünger wird vorgeworfen, sehr kalt und distanziert geschrieben zu haben. Distanziert ja, aber kalt fand ich ihn nicht. Als ich dann begann, an dem Höspiel zu arbeiten, gab es drei verschiedene Strukturen: Zu einem Teil des Textes war mir die Musik schon bei der Lektüre durch den Kopf gegangen. Dann gab es Textpassagen, die ich unbedingt drin haben wollte, zu denen ich aber noch keine Musik hatte und schließlich musikalische Einfälle, zu denen ich den Text noch finden musste. Was man sagen kann, ist, dass die Musik auf keinen Fall ohne den Text auskommt. Das ist eine Musik, deren Entstehung eng mit dem Text verknüpft ist. Ob sie kontrastiert oder untermalt, kann ich gar nicht entscheiden.

    Frank Olbert: Ernst Jünger ist ja kein unproblematischer Autor. Sind Sie denn eigentlich auch auf Ablehnung gestoßen?

    Hermann Kretzschmar: Ja, aber mehr bei deutschen Redaktionen als im Ausland. Das Hörspiel wurde im Ausland, in Amsterdam, vorgestellt und kam bei den meisten Leuten sehr gut an. Sie waren sehr überrascht. Es kam nur bei den deutschen Verantwortlichen nicht so gut an, was ich auch verstehe. Aber für mich hat diese Beschäftigung mit Jünger auch etwas mit dem Selbstverständnis zu tun, das man heute als Künstler vertreten kann – und eben nicht als deutscher Künstler. Ich muss auch wirklich sagen, dass ich mit sehr vielen Dingen, die in den "Strahlungen" stehen, auch nicht übereinstimme. Auf der anderen Seite habe ich für mich die Texte ausgewählt, die Ernst Jünger als einen universellen und modernen Künstler darstellen.

    Der Deutschlandfunk sendet "Strahlungen" am 7. August um 20.05 Uhr.