Er ist der Enkel und Sohn von Architekten, der Ehemann und Vater. Gottfried Böhm ist der prominenteste Spross einer ganzen Baumeister-Dynastie, und er ist mittlerweile so etwas wie eine Vaterfigur für die traditionelle Art des Entwerfens. In der aktuellen Debatte über die durchdesignte Stararchitektur und ihre Folgen für die Stadtlandschaft steht Böhm für die Zeit, in der Architekten noch handzeichnende Baukünstler und keine Computerexperten waren. Der Stuttgarter Architekturprofessor Arno Lederer hat mit seinen Studenten Modelle von Böhms berühmtesten Bauten gezimmert, auch damit sie wieder lernen, mit den Händen zu arbeiten.
"Ich glaub, dass der Modellbau deshalb in der Pädagogik unglaublich wichtig ist, weil es eine Verbindung gibt zwischen dem, was die Hand macht, und dem, was das Gehirn dabei aufnimmt. Und das Erfassen des Räumlichen ist bei dieser Studentengeneration, die ja hauptsächlich nur noch mit dem Computer arbeitet, ungeheuer wichtig. Und das hat auch einen hohen pädagogischen Hintergrund. Also dieses Erfassen, wir sprechen ja vom Erfassen oder vom Begreifen. Diese zwei Ausdrücke, die sagen was über den Zusammenhang, von dem was im Kopf vor sich geht und dem, was die Hand tut. "
In seiner Festrede zur Eröffnung der Böhm-Retrospektive im Frankfurter Architekturmuseum plädierte Lederer mehr als leidenschaftlich für Handarbeit, für das Zeichnen und Formen als Grundlage des Entwurfs und verdammte die heute so beliebten computergenerierten Blobs. In den oft blasenförmigen, immer komplexen Solitären wie Renzo Pianos Kölner Kaufhaus oder dem Mercedes-Museum in Stuttgart von Ben van Berkel machte Lederer Symptome eines Kulturverfalls aus. Wer wäre da als Gewährsmann geeigneter als der 86-jährige Gottfried Böhm, auch von der Statur her ein Architektur-Titan, der stets zugleich Architekt und Bildhauer war, bis heute den Computer meidet und doch mit dem Kohlestift komplexe Räume entwirft.
Die Retrospektive zeigt gediegen die berühmten Gebäude wie die Wallfahrtskirche Maria Königin in Neviges, die Züblin-Hauptverwaltung in Stuttgart oder die Deutsche Bank in Luxemburg. Dabei werden die ausgezeichneten Modellbauten durch unzählige freie Handzeichnungen und skulpturale Kleinmodelle aus der Hand Böhms ergänzt. Kurator Wolfgang Voigt.
"Böhm wollte eigentlich erst Bildhauer werden, und er hat ja während des Kriegs studiert, weil er ja kriegsversehrt war. Und er hat sich zuerst für Bildhauerei eingeschrieben und hat dann parallel Architektur studiert, die Architektur dann früher fertig gemacht. Das ist eigentlich sein großes Talent, dass er beides kann. Und ich behaupte, dass man das aller Architektur, die er macht ansieht. Und das ist eine besondere Qualität."
"Felsen aus Beton und Glas" heißt die Ausstellung in Anspielung auf die skulpturalen Qualitäten der Entwürfe Böhms. Auf die gefalteten Betondecken und aufgeschnittenen Wände, auf die grandiosen Kirchenräume, die wie die seines Vaters Dominikus Böhm auch etwas von Höhlen haben, von Behausungen, die sich schützend um die Menschen legen. Aber die Ausstellung zeigt auch die frühe, konstruktiv sehr experimentelle Zeit Böhms, als er in der Kapelle Madonna in den Trümmern 1948 eine Betongewebedecke ausprobierte und in Dutzenden von Kirchen mit Licht, Raum und Konstruktion spielte. Nicht alles davon überzeugt heute noch ästhetisch, aber als Experimente sind die Bauten einleuchtend. Das Spielerische ging Böhm ohnehin nie verloren. Er mag Türmchen und Fahnen, Überraschungen in den Details. Es gibt selbst in Großprojekten immer Orte, an denen die Architektur im Kleinen ganz individuell wird und handwerklich, ob das der Fußboden einer Halle ist oder ein schmückender Aufsatz für einen Nottreppenturm.
Voigt: "Er ist ein sehr ernsthafter Architekt, der seine Aufgabe sehr ernst nimmt und sehr genau nimmt. Daneben erlaubt er sich Träumereien, und es ist sehr schön zu sehen, dass er am Ende dieses Werkes, das nun schon fast 60 Jahre andauert, dass er am Ende dieser Zeit das Theater in Potsdam bauen kann, mit diesen schwebenden Schalen, das ist ja auch eine Idee, die er sehr lange in seiner Fantasie bewegt hat, bis er sie dann bauen konnte."
Im September wird Gottfried Böhms jüngster Bau eröffnet. Von Stangen gehalten schweben drei dunkelrote Dächer luftig über Bühne und Zuschauerraum, der Rest ist Glas. Zeichenhafter und skulpturaler hätten das auch Piano oder van Berkel nicht bauen können. Sie hätten beim Entwurf allerdings nicht mit Kohle gezeichnet.
"Ich glaub, dass der Modellbau deshalb in der Pädagogik unglaublich wichtig ist, weil es eine Verbindung gibt zwischen dem, was die Hand macht, und dem, was das Gehirn dabei aufnimmt. Und das Erfassen des Räumlichen ist bei dieser Studentengeneration, die ja hauptsächlich nur noch mit dem Computer arbeitet, ungeheuer wichtig. Und das hat auch einen hohen pädagogischen Hintergrund. Also dieses Erfassen, wir sprechen ja vom Erfassen oder vom Begreifen. Diese zwei Ausdrücke, die sagen was über den Zusammenhang, von dem was im Kopf vor sich geht und dem, was die Hand tut. "
In seiner Festrede zur Eröffnung der Böhm-Retrospektive im Frankfurter Architekturmuseum plädierte Lederer mehr als leidenschaftlich für Handarbeit, für das Zeichnen und Formen als Grundlage des Entwurfs und verdammte die heute so beliebten computergenerierten Blobs. In den oft blasenförmigen, immer komplexen Solitären wie Renzo Pianos Kölner Kaufhaus oder dem Mercedes-Museum in Stuttgart von Ben van Berkel machte Lederer Symptome eines Kulturverfalls aus. Wer wäre da als Gewährsmann geeigneter als der 86-jährige Gottfried Böhm, auch von der Statur her ein Architektur-Titan, der stets zugleich Architekt und Bildhauer war, bis heute den Computer meidet und doch mit dem Kohlestift komplexe Räume entwirft.
Die Retrospektive zeigt gediegen die berühmten Gebäude wie die Wallfahrtskirche Maria Königin in Neviges, die Züblin-Hauptverwaltung in Stuttgart oder die Deutsche Bank in Luxemburg. Dabei werden die ausgezeichneten Modellbauten durch unzählige freie Handzeichnungen und skulpturale Kleinmodelle aus der Hand Böhms ergänzt. Kurator Wolfgang Voigt.
"Böhm wollte eigentlich erst Bildhauer werden, und er hat ja während des Kriegs studiert, weil er ja kriegsversehrt war. Und er hat sich zuerst für Bildhauerei eingeschrieben und hat dann parallel Architektur studiert, die Architektur dann früher fertig gemacht. Das ist eigentlich sein großes Talent, dass er beides kann. Und ich behaupte, dass man das aller Architektur, die er macht ansieht. Und das ist eine besondere Qualität."
"Felsen aus Beton und Glas" heißt die Ausstellung in Anspielung auf die skulpturalen Qualitäten der Entwürfe Böhms. Auf die gefalteten Betondecken und aufgeschnittenen Wände, auf die grandiosen Kirchenräume, die wie die seines Vaters Dominikus Böhm auch etwas von Höhlen haben, von Behausungen, die sich schützend um die Menschen legen. Aber die Ausstellung zeigt auch die frühe, konstruktiv sehr experimentelle Zeit Böhms, als er in der Kapelle Madonna in den Trümmern 1948 eine Betongewebedecke ausprobierte und in Dutzenden von Kirchen mit Licht, Raum und Konstruktion spielte. Nicht alles davon überzeugt heute noch ästhetisch, aber als Experimente sind die Bauten einleuchtend. Das Spielerische ging Böhm ohnehin nie verloren. Er mag Türmchen und Fahnen, Überraschungen in den Details. Es gibt selbst in Großprojekten immer Orte, an denen die Architektur im Kleinen ganz individuell wird und handwerklich, ob das der Fußboden einer Halle ist oder ein schmückender Aufsatz für einen Nottreppenturm.
Voigt: "Er ist ein sehr ernsthafter Architekt, der seine Aufgabe sehr ernst nimmt und sehr genau nimmt. Daneben erlaubt er sich Träumereien, und es ist sehr schön zu sehen, dass er am Ende dieses Werkes, das nun schon fast 60 Jahre andauert, dass er am Ende dieser Zeit das Theater in Potsdam bauen kann, mit diesen schwebenden Schalen, das ist ja auch eine Idee, die er sehr lange in seiner Fantasie bewegt hat, bis er sie dann bauen konnte."
Im September wird Gottfried Böhms jüngster Bau eröffnet. Von Stangen gehalten schweben drei dunkelrote Dächer luftig über Bühne und Zuschauerraum, der Rest ist Glas. Zeichenhafter und skulpturaler hätten das auch Piano oder van Berkel nicht bauen können. Sie hätten beim Entwurf allerdings nicht mit Kohle gezeichnet.