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Ernstfall für die Geo-Lauscher

Technik. - Nach mehrfacher Androhung hat Nordkorea heute Ernst gemacht und der Welt gezeigt, dass es offenbar über nukleare Sprengsätze verfügt. Um Atomwaffentests aufzuspüren, baut eine Unterorganisation der Vereinten Nationen derzeit ein weltweites Sensorsystem auf, dass auch die Detonation in Nordkorea meldete. Manfred Henger von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe erläutert das System im Gespräch mit Monika Seynsche.

09.10.2006
    Monika Seynsche: Herr Henger, Sie arbeiten an der
    Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover und betreuen die Sensoren des Netzwerks in Deutschland. Wann haben Sie von den möglichen Atomwaffentests erfahren?

    Manfred Henger: Heute morgen ganz früh. Ich bin aufgestanden und habe neben mir ein Handy liegen und wird wussten ja schon seit Tagen, dass die Nordkoreaner einen Kernwaffentest planen. Wir hatten deshalb alle Ereignisse, die ein automatisches System in Wien bei der Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty Organization (CTBTO) meldet, praktisch auf dieses Handy gelegt. Und heute morgen kurz nach dem Aufwachen um sechs habe ich darauf geschaut und da war ein Ereignis aus Nordkorea. und da dachte ich: "jetzt ist es soweit." Dieses automatische Prozedur überträgt nicht nur SMS-Meldungen, sondern sie startet gleichzeitig hier in der Bundesanstalt mehrere Prozesse, um Daten abzurufen von diesen Stationen, die dazu beigetragen haben, dieses automatische System sozusagen zu triggern.

    Seynsche: Was haben denn diese Messstationen gemessen? Wie kann ich mir das vorstellen?

    Henger: Das sind Seismometer, die messen die seismische Bodenbewegung. Und eine Explosion, die löst ja sozusagen einen Impuls, eine Schockwelle aus, die sich in die Erde hinein ausbreitet. Diese Schockwelle läuft durch die Erde durch und kommt dann an diesen verschiedenen seismischen Seismometerstationen an. Wenn die ganz nahe sind, mit einem stärkeren Signal, wenn sie weit weg sind, mit einem schwächeren Signal. Aber die Signale beziehungsweise die Seismometerstationen sind so empfindlich und die Signale waren trotzdem so stark, dass wir sie bis nach Deutschland hin gemessen haben. Da kommt dann bei einem Seismometer - das ist nichts anderes als ein Pendel, das in Ruhe ist, und aufgrund seiner Trägheit erstmal in Ruhe bleibt - und plötzlich bewegt sich was. Das ist praktisch die Schockwelle, die ausgehend von der Explosion, dann durch die Erde gelaufen ist. Dieser Ausschlag wird aufgezeichnet und aus diesen verschiedenen Ausschlägen lässt sich dann berechnen, wo dieses Ereignis war, und auch wie stark es war. Da automatische Systeme nicht immer zuverlässig sind, sondern auch Fehler machen, werden diese Meldungen dann überprüft. Das haben wir heute morgen auch gemacht sobald wir im Büro waren. Kollegen haben diese Meldung auch erhalten. Wir haben uns die Daten angeguckt und gesehen, dass diese Automatikmeldung sehr genau war und dass wir eigentlich gar nichts mehr zu machen brauchten. Es hat sich gezeigt, das ist ein Ereignis, das in Nordkorea stattgefunden hat in einer Gebirgsregion, und die Stärke wurde mit Magnitude 4 bestimmt.

    Seynsche: Jetzt scheint ja klar zu sein, dass es ein Ereignis gegeben hat, dass es eine große Explosion gegeben hat. Es ist aber anscheinend noch nicht klar, ob das wirklich ein Atomwaffentest war oder ob es eine konventionelle Sprengung war. Wie kann man das denn herausfinden?

    Henger: Das ist richtig. Das kann man aber nicht mit seismischen Verfahren herausfinden. Wir können eigentlich nur sagen: "hier hat was stattgefunden, an diesem Ort, mit dieser Stärke. Das ist ähnlich wie bei Erdbebenmessungen. Man kann die Stärke in Magnituden angeben, und es gibt dann eine Relation, wo man sagen kann: "Aha, diese Magnitude entspricht der und der Ladungsstärke in TNT. Im Fall des nordkoreanischen Ereignisses lag diese Stärke bei etwa einer Kilotonne. Eine Kilotonne sind 1000 Tonnen. Das hört sich zunächst viel an, aber das ist für einen Kernwaffentest relativ klein. Aber feststellen, ob das eine Kernwaffe war oder eine chemische Sprengung, das kann man mit den seismischen Methoden nicht. Dazu braucht man radioaktive Partikel. Diese Partikel sind nun einmal unter der Erde, denn es war ein unterirdischer Test, und es dauert möglicherweise sehr lange, bis diese Partikel an die Oberfläche kommen und dann durch die Luft zu irgendwelchen Stationen getragen werden, wo man dann feststellen kann, dass eine leicht erhöhte Radioaktivität da war. Aber ob dies der Fall sein wird und wann, das können wir im Moment nicht sagen.