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Eröffnung beim neuen TAT Frankfurt

Lückert: Hören Sie, was Forsythe über die Neueröffnung des TAT sagte:

Ursula May über die Neueröffnung des TAT in Frankfurt. |
    Forsythe: Das ist sehr schwer zu beschreiben, weil das ein öffentlicher Raum ist. Wir bieten unverwaltete Zeiten an. Es ist eine Sache, die sehr schwer ist. Es geht um bestimmte Ideen, zum Beispiel um Phänomenologie, um natural attitude. Das ist ein bisschen schwer hier zu erklären.

    Lückert: Ursula May in Frankfurt, das hört sich schon wieder sehr experimentell an. Was ist denn an dem neuen Konzept so schwer zu erklären?

    May: Na ja, es ist vor allen Dingen deswegen nicht so einfach, weil es sich um ein sehr offenes Konzept handelt. William Forsythe hat sich gemeinsam mit Absolventen der Offenbacher Hochschule für Gestaltung entschieden, in diesem Bockenheimer Depot, das ist ein früheres Straßenbahndepot, ein Haus zu eröffnen, das offen sein soll für alle. Es wird von 14.00 bis 24.00 Uhr jeden Tag geöffnet sein. Dort werden dann täglich neue Überraschungen serviert und auch Anlässe geschaffen, damit Menschen zusammen kommen und gemeinsam etwas erleben. Da werden Vorträge gehalten, Musik gespielt, Filme gezeigt, Installationen aufgebaut und auch Mitspielaktionen angeboten. Ab Februar soll es zum Beispiel so eine Art TV-Serie geben, bei der jeder dann mit machen kann, der Lust hat. Da kommt dann eben auch das heraus, was die Leute von sich aus anbieten. Daneben wird es Gastspiele internationaler Tänzer und Ensembles geben. Damit dieses Miteinander dieser beiden Dinge reibungslos funktionieren kann, wurde diese riesige Halle des Bockenheimer Depots zweigeteilt. Hinten tanzt das Ballett und vorne ist dann der öffentlich zugängliche Raum. Getrennt werden beiden Bereiche durch eine Wand aus Filz.

    Lückert: Vielleicht können Sie die Lage des TAT noch ein wenig genauer erklären. Man glaubte ja im letzten Jahr, dass das Theater am Ende sei. Das Ensemble wurde aufgelöst. Die Verträge der Regisseure Schuster und Kühne laufen jetzt aus. Forsythe geht weg. Nun steigt das TAT wie Phönix aus der Asche. Wie soll man das verstehen?

    May: Ich glaube, man muss das als so eine Art Galgenfrist für das TAT sehen. Also zugemacht hat die Sparte der städtischen Bühnen, eben der Sprechtheateranteil, für den Robert Schuster und Tom Kühne eben stehen. Der hat sich Ende des Jahres verabschiedet. Ballettchef William Forsythe, der auch eben für das TAT zuständig ist, hatte den Auftrag, ein Konzept für die letzten anderthalb Jahr zu entwickeln, vor allem einen Gastspielbetrieb für Tanztheater. Dieses TAT war ja immer das Problemkind der Kulturpolitik. Es hat in der ganz frühen Phase helfen sollen, Schwellenängste bei Menschen abzubauen, die freiwillig nicht ins Theater gehen. Es hat sich dann eine lange Geschichte unter Tom Stromberg bis hin zu einer Experimentiertheaterbühne entwickelt. Die Konzeption war nie ganz unumstritten. Das war natürlich auch letztlich der Ansatzpunkt für eine sehr kopflose Frankfurter Kulturpolitik, hier den eisernen Besen ansetzen zu können. Denn gerade diese Sparte und das TAT mit seinem kleinen Verwaltungsapparat war ganz besonders schnell abzuwickeln.

    Lückert: Sie führen den Begriff "Hinauszögerung der endgültigen Abwicklung" an. Macht Forsythe da jetzt auch gute Miene zum bösen Spiel?

    May: Ja, also die Eröffnung heute Abend begeht er sehr euphorisch. Er ist da ganz guter Laune. Er ist inzwischen sogar schon ein bisschen traurig, dass er Frankfurt verlassen wird, weil eben auch mit den neuen Intendanten an den städtischen Bühnen ein ganz gutes Einvernehmen stattzufinden scheint.

    Lückert: Welche Perspektiven ergeben sich für das Frankfurter Kulturleben? Es ging ja zuvor schon um die mögliche Verlegung der Buchmesse in dieser Sendung. Wird denn die Luft dünn für die Kultur in Frankfurt?

    May: Die Situation ist nach wie vor schwierig. Das Frankfurter Ballett wird aufgelöst bis Mitte 2004. Die Verträge von Robert Schuster und Tom Kühne gehen auch noch bis 2004. Das Ensemble ist aufgelöst worden. Aber es werden eben noch einzelne Inszenierungen von den beiden im Bockenheimer Depot gemacht werden. Das Geld für die jungen Leute von der Offenbacher Schule für Gestaltung, die eben jetzt für diesen Erlebnisraum zuständig sind, reicht gerade einmal für vier Monate. Was danach kommt, ist ganz offen. Natürlich hoffen die Macher, dass dieses Konzept Erfolg hat, dass man damit auch ganz neue Publikumsschichten erschließen kann. Man will eben auch Leute von der Straße holen. Man hofft, dass das Konzept auch fortgeführt wird. Aber wenn man die Frankfurter Situation vor Augen hat, dann ist das mehr als unwahrscheinlich. Also eine Stadt, die einen Choreographen wie William Forsythe ziehen lässt, die überhaupt keine Konzept von Kulturpolitik hat, wird dafür wohl kaum Mittel auftreiben können. Die neuste Botschaft kam ja aus den städtischen Bühnen, dass die Tariferhöhungen jetzt ganz überraschend Mehrkosten von 1,5 Millionen DM bringen, zusätzlich zu 3 Millionen DM, die im Laufe des Jahres 2003 gespart werden müssen. Also ich sehe da keine realistische Chance für das Weiterbestehen für das TAT über 2004 hinaus.

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