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Eröffnung der Thomas-Mann-Villa
Das Weiße Haus des Exils

In der Villa mit der vornehmen Adresse 1550 San Remo Drive in Los Angeles trafen sich einst prominente Exil-Intellektuelle. Nun soll das ehemalige Haus der Familie Mann wieder eine transatlantische Begegnungsstätte werden. Das erklärte Bundespräsident Steinmeier bei der feierlichen Eröffnung.

Von Jörg Münchenberg | 19.06.2018
    Bundespräsident Steinmeier im Gespräch mit Fridolin Mann.
    Frido Mann im Gespräch mit Bundespräsident Steinmeier (pa/dpa/Jutrczenka)
    Zumindest in den offiziellen Reden wurde Donald Trump bei der feierlichen Eröffnung des Thomas-Mann-Hauses nicht genannt. Und doch war der US-Präsident und seine America-First-Doktrin allgegenwärtig – in den Gesprächen der gut 200 geladenen Gäste sowieso. Bundespräsident Frank-Walter-Steinmeier, der das Projekt schon als Außenminister maßgeblich vorangetrieben hatte, blieb dagegen diplomatisch und doch wusste jeder, wer gemeint war:
    "Es ist ein wundervoller Moment, gerade auch für mich und meine Frau, und ich glaube auch: Es ist ein wundervoller Moment für die Freundschaft unserer beiden Länder in diesen turbulenten Zeiten."
    2016 hatte der Bund das ehemalige Exilhaus von Thomas Man für rund 13 Millionen Dollar erworben und dann noch einmal für geschätzte fünf Millionen Dollar behutsam renovieren lassen. Jetzt wird das zweistöckige weiße Haus mit der vornehmen Adresse 1550 San Remo Drive im Riviera-Viertel von Los Angeles Anlaufpunkt für deutsche Stipendiaten. Es soll ein neuer Debatten- und Dialogort entstehen und so die historisch verbürgte Tradition des Hauses fortgesetzt werden, betonte Steinmeier:
    "Das war nicht nur ein Familienhaus. Nicht nur ein Platz zum Nachdenken und Schreiben. Ein Zentrum Weimars auf der pazifischen Seite. Ein Hafen für Literatur, Musik, Film und Kunst. Nein, das war ein Weißes Haus, und das Studienzimmer von Thomas Mann war in vieler Hinsicht das "Oval Office" der Emigrationsbewegung auf Hitlers Terror in Berlin."
    "Hier wurden Feste gefeiert, hier wurde diskutiert"
    Zehn Jahre hatte die Familie Mann im weißen Haus in den 1940er Jahren gelebt. Entworfen von dem ebenfalls nach Los Angeles emigrierten Architekten Julius Ralph Davidson, der, wie viele andere deutsche Architekten, die sogenannte Kalifornische Modere nachhaltig beeinflusst hat. Als Kind, so erzählt dann Enkel Frido Mann im Wohnzimmer mit der breiten Glasfront, habe er in der Villa viel Zeit verbracht:
    "Jeden Abend saß man da auf dem Sofa, hier war der Musikplattenschrank. Da wurde immer Musik gespielt. Hier stand ein Flügel, der jetzt bei mir in München ist, da wurde ganz viel Musik gemacht. Da hat manchmal sogar Thomas Mann seine Wagner-Akkorde gespielt, improvisiert und so weiter. Hier wurden Feste gefeiert, hier wurde diskutiert."
    Martin Buber, Theodor Adorno, Albert Einstein, Franz Werfel, Berthold Brecht oder auch Lion Feuchtwanger - sie alle kamen zum Haus am San Remo Drive. Thomas Mann selbst wurde gerade durch den Aufenthalt in den USA zum leidenschaftlichen Befürworter der Demokratie. Der "Doktor Faustus" ist hier geschrieben worden, aber auch seine Radioansprachen an Nazi-Deutschland. Die neue Nutzung jetzt als Stipendiatenhaus hätte ihm sicherlich gefallen, meint sein Enkel Frido Mann:
    "Er würde sich, glaube ich, besonders jetzt freuen, muss ich schon sagen, dass das "Weiße Haus des Exils" jetzt wirklich zustande gekommen ist. Das hätte er sich aber nie träumen lassen, dass sich die Verhältnisse umkehren. Das damals durch und durch demokratische Amerika und das undemokratische Deutschland - jetzt hat es sich umgedreht."
    Pläne der "Fellows" für ihre Zeit in der Mann-Villa
    Freilich, auch Manns Abschied aus den USA 1952 erfolgt nicht freiwillig. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg geraten er und die Kinder Erika und Klaus schnell ins Fadenkreuz des sogenannten "House Committee on Un-American Activities", angeführt von US-Senator McCarthy. Die Sorge, auch Amerika könnte in den Faschismus abrutschen, treibt Mann ins zweite Exil in die Schweiz. Auch das ist also Teil der Geschichte eines Hauses, das demnächst von den Stipendiaten bewohnt werden soll. Die sich einiges vorgenommen haben, wie etwa die Berliner Soziologin Jutta Allmendinger oder der Schauspieler Burghart Klaußner:
    "Ganz bestimmt nicht immer im Haus zu sitzen, sondern nach draußen zu gehen, Hände schmutzig zu machen und die enorme Transformation der amerikanischen Gesellschaft zu beobachten. Dass ich daraus lerne, was uns in Deutschland bevorsteht, und wie man ein Stück von unserem Sozialstaat vielleicht so umbauen kann, dass er zukunftssicherer ist."
    "Ich habe mir vorgenommen, an einem nächsten Buch hier zu schreiben. Hier auch die entsprechenden Anregungen zu gewinnen über unter anderem die Frage, wie man hier zu einem politischen Schriftsteller werden kann, sieht man an Thomas Mann."