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Erosion an der portugiesischen Küste

Wie wichtig eine integrierte Küstenschutzpolitik ist, die Tourismus- und Umweltbelange berücksichtigt, zeigt das Beispiel Portugal. Durchschnittlich um einen Meter geht die portugiesische Küste inzwischen jährlich zurück, die Erosion wird immer stärker. Hier wurde zu viel und zu dicht am Wasser gebaut, und jetzt sind nicht nur die Feriensiedlungen in Gefahr.

Von Jochen Faget |
    Wären da nicht die Wellenbrecher aus Beton, die weit in den Atlantik hinausragen, gäbe es diese Bilderbuchküste wohl schon nicht mehr. Kilometerlang sind die Sandstrände an der Ria de Aveiro, einer Art Haff in Nordportugal. Aber sie werden immer kleiner, das Meer schwemmt sie weg. Bei Vagueira etwa ist die Wasserlinie in den vergangenen acht Jahren um 180 Meter zurückgegangen. Das einst verschlafene Fischerdorf, heute ein quirliger Ferienort, der aus allen Nähten platzt, läuft größte Gefahr:

    "Wenn die schützende Sandbank bricht – und das wird sie eines Tages -, sind große, sehr fruchtbare landwirtschaftliche Nutzflächen bedroht,"

    …erklärt der Erosionsspezialist Fernando Veloso Gomes.

    "Die würden überschwemmt oder mit Salzwasser durchsetzt. Auch weiter vom Meer entfernte Häuser wären betroffen. Die stehen in tiefliegenden, vom Wasser leicht zu erreichenden Gebieten. Ganze Ökosysteme wären in Gefahr, es käme in wenigen Tagen zu unvorhersehbaren Veränderungen mit schwersten Folgen."

    Der Universitätsprofessor aus Porto weiß, wovon er spricht: Jahrelang hat er die Küstenerosion in Portugal untersucht, ist ihren Ursachen auf den Grund gegangen:

    "Das sind vor allem Folgen menschlichen Eingreifens: Die Flüsse wurden verändert, sie führen jetzt weniger Wasser und fließen langsamer. Darum transportieren sie weniger Ablagerungen zum Meer. Viele Flüsse versanden, der Sand fehlt dann im Ozean. In anderen Flüssen wiederum wurde und wird unkontrolliert Bausand ausgebaggert – ohne Rücksicht auf die Konsequenzen, die das für den Küstenbereich hat. Und diese Konsequenzen sind viele! "

    Denn ohne die Ablagerungen aus den Flüssen verändern sich Meeresströmungen, verschwinden ganze Strände. Bei der nordportugiesischen Stadt Ofir haben die Wissenschaftler selbst auf dem Meeresboden kein Körnchen Sand mehr gefunden, sondern nur noch nackten Fels. Und drei Hochhäuser, eine Bausünde aus den 70er Jahren, stehen inzwischen nicht mehr am Strand, sondern fast im Wasser.


    Der gesamten Westküste Portugals droht "Land unter": Die Klippen in der Landesmitte brechen weg. An der Costa da Caparica, einer beliebten Badegegend südlich von Lissabon, verschwinden nicht nur die Strände, sondern bereits auch die zu deren Schutz angelegten Steinwälle. Und in der Algarve zerbröckeln die berühmten Sandsteinfelsen. Paradebeispiel ist die Luxus-Feriensiedlung Vale do Lobo.

    Deren berühmter Golfplatz auf den Klippen ist bereits teilweise gesperrt, aber auch mehrere Villen sind akut einsturzgefährdet. Seit nebenan ein Yachthafen gebaut und dadurch die Strömungen verändert wurden, hat die Situation sich noch verschlimmert. Nuno Grade von der Umweltschutzorganisation Quercus macht für die Probleme aber auch Bau- und Planungsfehler, die leicht zu vermeiden gewesen wären, verantwortlich:

    "In Portugal bauen wir eben noch immer zu nah am Wasser. Und wer zu nah am Wasser baut, macht sich irgendwann nass. Die Feriensiedlung Vale do Lobo ist da ein gutes Beispiel, dort geht die Küste besonders stark zurück. Und es ist doch wohl ein klarer Fehler, dort zu bauen, wo wissenschaftlich erwiesen ist, dass die Gebäude noch innerhalb eines Menschenlebens einstürzen werden. "

    Für diese Fehler sind vor allem Spekulation und wirtschaftliche Interessen verantwortlich. Und so verkünden in Vale do Lobo Schilder bereits eine neue Bauphase – mit weiteren Luxusvillen direkt auf der einsturzgefährdeten Klippe. Ob die gebaut werden, ist allerdings fraglich. Portugals neue Regierung will Ordnung in den bedrohten Küstenstreifen bringen, neue Projekte am Meer sollen auf Eis gelegt werden. Für Maßnahmen zur Stabilisierung der Küste, die die Erosion zumindest zeitweise aufhalten können, ist wegen der hohen Staatsverschuldung allerdings kein Geld da – die sollen frühestens 2007 beginnen.

    Schlimmer noch: Bereits begonnene Bauprojekte in Meeresnähe werden sorglos weitergeführt, auch im nordportugiesischen Vagueira. Da enstehen noch mehr Apartmentsiedlungen fast neben dem Strand. Manuel Rodrigues, ein Cafébesitzer, meint:

    "Nein, die Küstenerosion macht mir keine Sorgen. Das Wasser wird schon nicht weiter steigen, sonst würden die Leute ja nicht diese teuren Wohnungen kaufen, die überall gebaut werden. Die meinen auch, es wird schon alles gut gehen. Sicher, bei Sturmfluten kommt das Meer immer wieder über die Straße. Aber danach wird alles wieder normal. "

    Wenn er sich da nur nicht täuscht! Die Küstenerosion dürfte in den nächsten Jahren noch stärker werden, warnt der Universitätsprofessor Veloso Gomes. Irgendwann wird es wohl zur Katastrophe kommen:

    "Das Risiko hat wegen der starken Bebauung von Problemzonen sehr zugenommen. Kurz- und mittelfristig können wir die Gefahr zwar noch eindämmen. Aber langfristig stoßen wir an die Grenzen der technischen Mittel, diese Gebiete zu schützen. "