Mittagspause beim Küchenpersonal im "Gouden Leeuw", dem "Goldenen Löwen" in Voorschoten bei Den Haag. Wie immer begibt sich Koch Mefru Lekaraká an die Bar, um dort zusammen mit Ober Oktai eine Cola zu trinken oder ein "kopje koffie". Die beiden kennen seit Tagen nur ein Gesprächsthema: den Ausschluss von insgesamt drei türkischstämmigen Kandidaten von den Wahllisten der Christ- und der Sozialdemokraten.
Der Grund: Die drei weigern sich, den Massenmord an den Armeniern vor rund 90 Jahren als Völkermord anzuerkennen. Koch Mefru ist darüber so empört, dass er bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am 22. November erstmals nicht von seinem Stimmrecht Gebrauch machen will:
"Meine Frau und meine Schwägerin wollen auch nicht wählen, so böse sind die beiden."
Mefru lebt seit 30 Jahren in den Niederlanden. Vor 16 Jahren bekam er einen niederländischen Pass. Seitdem hat der 47-Jährige seine Stimme immer der Sozialdemokratischen Partei der Arbeit gegeben, der PvdA. Doch damit sei es jetzt vorbei:
"Warum beschäftigen sie sich auf einmal mit Ereignissen, die fast 100 Jahre zurückliegen? Erstens haben die Armenier damals auch türkische Frauen und Kinder ermordet! Zweitens können sie uns deshalb doch nicht hier zur Verantwortung ziehen? Das geht die Niederländer doch überhaupt nichts an! Das ist ein türkisches Problem, das in der Türkei gelöst werden muss!"
Die Frage des Völkermordes an den Armeniern könnte dem sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Wouter Bos den Wahlsieg kosten. Erwartet wird ein Kopf an Kopf-Rennen mit dem christdemokratischen Ministerpräsidenten Jan Peter Balkenende. Bislang konnten sich die Sozialdemokraten vieler Immigrantenstimmen sicher sein.
Bei den letzten Kommunalwahlen wählten 80 Prozent aller Türken PvdA. Doch jetzt erwägen türkische Organisationen, zu einem Wahlboykott aufzurufen. 235.000 türkische Stimmen stehen auf dem Spiel, gut für drei von insgesamt 150 Parlamentssitzen. Auch die türkischstämmigen Studenten, die Ende letzter Woche auf einer Protestdemonstration durch Amsterdam zogen, drohen den Sozialdemokraten mit Stimmenentzug:
""Ich werde dieser Partei nicht länger meine Stimme geben."
"Es geht hier um das Recht auf freie Meinungsäusserung!""
Laut Parteichef Michiel van Hulten von den Sozialdemokraten sei die Haltung der ausgeschlossenen Kandidaten unakzeptabel gewesen. Man müsse in Zukunft einfach besser kontrollieren, mit welchem politischen Reisegepäck Politiker mit Immigrantenhintergrund anrücken.
In Talksshows und auf den Meinungsseiten der Zeitungen jedoch fragen sich viele Bürger, ob von türkischen Immigranten verlangt werden könne, vor alteingesessenen Niederländern Rechenschaft abzulegen über die Taten ihrer Vorfahren.
Erstens beziehe aus diplomatischen Gründen noch nicht einmal Den Haag Stellung und vermeide das Wort Völkermord. Zweitens müssten türkischstämmige Mitbürger dann nicht nur damit rechnen, als Verräter ausgeschimpft und bedroht zu werden, sie könnten auch vor einem türkischen Gericht landen.
Von einem erpressten Glaubensbekenntnis ist die Rede. Türkische Zeitungskommentatoren werfen den Niederländern Scheinheiligkeit vor und erinnern an den Unabhängigkeitskrieg in Indonesien, der noch heute beschönigend als Polizeiaktion bezeichnet wird. Die Niederländer sollten erst einmal vor der eigenen Haustür kehren, findet auch Koch Mefru.
In einem allerdings sind sich viele einig: Die Affäre hat einmal mehr gezeigt, wie dringend die Frage um den Völkermord an den Armeniern geklärt werden müsse. Es sei höchste Zeit, die Dinge beim Namen zu nennen; die Türkei dürfe dieses Kapitel ihrer Geschichte nicht länger tabuisieren.
Ministerpräsident Balkenende hat die Wähler aufgerufen, einen kühlen Kopf zu bewahren. Das Wichtigste sei, alles gut auszudiskutieren. "Sucht die Debatte!", so Balkenende: Auch rief er alle auf, in jedem Falle von ihrem Stimmrecht - einem demokratischen Grundrecht - Gebrauch zu machen.
Der Grund: Die drei weigern sich, den Massenmord an den Armeniern vor rund 90 Jahren als Völkermord anzuerkennen. Koch Mefru ist darüber so empört, dass er bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am 22. November erstmals nicht von seinem Stimmrecht Gebrauch machen will:
"Meine Frau und meine Schwägerin wollen auch nicht wählen, so böse sind die beiden."
Mefru lebt seit 30 Jahren in den Niederlanden. Vor 16 Jahren bekam er einen niederländischen Pass. Seitdem hat der 47-Jährige seine Stimme immer der Sozialdemokratischen Partei der Arbeit gegeben, der PvdA. Doch damit sei es jetzt vorbei:
"Warum beschäftigen sie sich auf einmal mit Ereignissen, die fast 100 Jahre zurückliegen? Erstens haben die Armenier damals auch türkische Frauen und Kinder ermordet! Zweitens können sie uns deshalb doch nicht hier zur Verantwortung ziehen? Das geht die Niederländer doch überhaupt nichts an! Das ist ein türkisches Problem, das in der Türkei gelöst werden muss!"
Die Frage des Völkermordes an den Armeniern könnte dem sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Wouter Bos den Wahlsieg kosten. Erwartet wird ein Kopf an Kopf-Rennen mit dem christdemokratischen Ministerpräsidenten Jan Peter Balkenende. Bislang konnten sich die Sozialdemokraten vieler Immigrantenstimmen sicher sein.
Bei den letzten Kommunalwahlen wählten 80 Prozent aller Türken PvdA. Doch jetzt erwägen türkische Organisationen, zu einem Wahlboykott aufzurufen. 235.000 türkische Stimmen stehen auf dem Spiel, gut für drei von insgesamt 150 Parlamentssitzen. Auch die türkischstämmigen Studenten, die Ende letzter Woche auf einer Protestdemonstration durch Amsterdam zogen, drohen den Sozialdemokraten mit Stimmenentzug:
""Ich werde dieser Partei nicht länger meine Stimme geben."
"Es geht hier um das Recht auf freie Meinungsäusserung!""
Laut Parteichef Michiel van Hulten von den Sozialdemokraten sei die Haltung der ausgeschlossenen Kandidaten unakzeptabel gewesen. Man müsse in Zukunft einfach besser kontrollieren, mit welchem politischen Reisegepäck Politiker mit Immigrantenhintergrund anrücken.
In Talksshows und auf den Meinungsseiten der Zeitungen jedoch fragen sich viele Bürger, ob von türkischen Immigranten verlangt werden könne, vor alteingesessenen Niederländern Rechenschaft abzulegen über die Taten ihrer Vorfahren.
Erstens beziehe aus diplomatischen Gründen noch nicht einmal Den Haag Stellung und vermeide das Wort Völkermord. Zweitens müssten türkischstämmige Mitbürger dann nicht nur damit rechnen, als Verräter ausgeschimpft und bedroht zu werden, sie könnten auch vor einem türkischen Gericht landen.
Von einem erpressten Glaubensbekenntnis ist die Rede. Türkische Zeitungskommentatoren werfen den Niederländern Scheinheiligkeit vor und erinnern an den Unabhängigkeitskrieg in Indonesien, der noch heute beschönigend als Polizeiaktion bezeichnet wird. Die Niederländer sollten erst einmal vor der eigenen Haustür kehren, findet auch Koch Mefru.
In einem allerdings sind sich viele einig: Die Affäre hat einmal mehr gezeigt, wie dringend die Frage um den Völkermord an den Armeniern geklärt werden müsse. Es sei höchste Zeit, die Dinge beim Namen zu nennen; die Türkei dürfe dieses Kapitel ihrer Geschichte nicht länger tabuisieren.
Ministerpräsident Balkenende hat die Wähler aufgerufen, einen kühlen Kopf zu bewahren. Das Wichtigste sei, alles gut auszudiskutieren. "Sucht die Debatte!", so Balkenende: Auch rief er alle auf, in jedem Falle von ihrem Stimmrecht - einem demokratischen Grundrecht - Gebrauch zu machen.