In der Nase herrschen schwierige Bedingungen für Bakterien. Darum kämpfen die Mikroorganismen dort mit harten Bandagen, sagt Dr. Bernhard Krimmer.
"Es gibt sehr wenige Nährstoffe in der Nase und das führt natürlich zu der Überlegung, dass ein hoher Wettbewerb um diese wenigen Nährstoffe stattfindet. "
Auch Eisen ist Mangelware, sagt der Mikrobiologe von der Universitätsklinik Tübingen.
"Bakterien sind aber auch auf Eisen angewiesen, und zum anderen gibt es Organismen in der Nase, die selber Wasserstoffperoxid produzieren. Und diese zwei Faktoren, also Eisenmangel und Wasserstoffperoxid sind Stressfaktoren."
Und doch leben in der Nase zwischen ein paar Dutzend und wenigen hundert Bakterienarten. Einige wie Staphylococcus aureus sind dort zwar harmlos, können aber als Krankenhauskeime in offene Wunden gelangen oder Menschen mit schwachem Immunsystem anstecken und schwere, sogar tödliche Infektionen verursachen. Zumal einige Staphylococcus aureus Stämme gegen die gängigen Antibiotika resistent sind. In der Nase – dachten sich die Forscher – gibt es vielleicht Konkurrenten, die sich gegen diese Erreger wehren können.
"Und da haben wir einfach gesehen, dass diese Situation in der Nase tatsächlich dazu führt, dass von bestimmten hemmenden Substanzen mehr gebildet wird, wenn dieser Stress vorliegt. Oder überhaupt erst gebildet wird."
Es sind Bakterien der Art Staphylococcus lugdunensis, die diese Stoffe bilden. Längst nicht alle Menschen tragen Staphylococcus aureus mit sich herum. Bei manchen sorgen genetische Besonderheiten dafür, dass der Keim von der Nasenschleimhaut abrutscht. Anderen verschafft Staphylococcus lugdunensis einen Vorteil.
"Wir können zeigen, dass durch die Anwesenheit von Staphylococcus lugdunensis in der Nase die Wahrscheinlichkeit gleichzeitig mit Staphylococcus aureus besiedelt zu sein, deutlich reduziert wird. In der Normalpopulation kommt Staphylococcus aureus in ungefähr jeder dritten Person, also zu ungefähr 30 Prozent in der Nase von Menschen vor. Wenn Staphylococcus lugdunensis da ist, sind es nur noch ungefähr 5 Prozent."
Staphylococcus lugdunensis verwendet einen kleinen Proteinbaustein, ein sogenanntes Peptid, das die Forscher Lugdunin genannt haben. Es greift die Zellhülle von vielen Bakterien an. Das haben die Forscher in Zellversuchen gezeigt. Sie haben Lugdunin isoliert und erfolgreich gegen eine ganze Reihe mehrfach resistenter Keime eingesetzt. Offene Wunden, die die Forscher Mäusen zugefügt und mit resistenten Staphylococcus aureus besiedelt hatten, konnte Lugdunin von den Bakterien befreien.
Diese Ergebnisse seien vielversprechend, sagt Professor Andreas Peschel, der die Arbeitsgruppe am Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin der Universitätsklinik Tübingen leitet.
"Diese Substanz scheint ziemlich stabil zu sein, zumindest können wir sie lange Zeit bei Raumtemperatur aufheben und sie behält ihre Aktivität. Unsere bisherigen Versuche zeigen, dass sie nicht toxisch ist für menschliche Zellen, das ist ja ein ganz wichtiges Kriterium, und wir haben auch gesehen, dass es den Bakterien sehr schwer fällt, oder fast unmöglich ist, spontane Resistenzen zu entwickeln gegen diese Substanzen, das sind, denke ich, die wichtigsten Kriterien, die ein neues Antibiotikum erfüllen muss."
Die Forscher setzen einen Staphylococcus aureus Stamm 30 Tage lang Lugdunin aus, ohne dass der Keim Resistenzen bildete. Ein anderes Antibiotikum verlor schon nach wenigen Tagen an Wirksamkeit. Aber: Trotz dieser Erfolge müssen noch jahrelange Tests folgen.
Die Entdeckung der Tübinger Wissenschaftler hat die Fachwelt überrascht, sagt Professor Kim Lewis vom Antimicrobial Discovery Center der Northeastern University in Boston, USA.
"Bakterien, die auf dem Menschen leben, stellen nicht besonders häufig antibiotische Substanzen her. Und weil es so starke Konkurrenz um Nährstoffe gibt, dachte man lange, dieser Wettstreit allein erklärt die Verteilung der Bakterien. Diese Entdeckung hilft uns, antibakterielle Werkzeuge zu entwerfen, mit denen wir unsere Bakteriengemeinschaft zu unserem Vorteil verändern können."
Etwa 1000 Arten von Bakterien leben auf und im menschlichen Körper. Da seien noch weitere Überraschungen möglich, vermutet Andreas Peschel. Obwohl es nahe liegt, hat bislang kaum jemand in der menschlichen Nase nach hilfreichen Keimen gesucht.
"Die hat eigentlich kaum jemand bearbeitet bisher und letztlich sind wir vielleicht mit die ersten, die einfach mal so etwas ganz Simples tun, und da stößt man ganz schnell auf spannende Erkenntnisse."