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Ersatz für den Kehlkopf

Medizintechnik. - Durchschnittlich 20.000 Mal pro Jahr wird in Deutschland eine Totaloperation des Kehlkopfes notwendig. Die Patienten können danach nur noch mit technischer Hilfe sprechen - und das mit ziemlich bescheidenem Ergebnis. Einen Hoffnungsschimmer für Kehlkopflose gibt es aber: Mit Stimmprothesen können Betroffene demnächst wieder fast normal sprechen.

Von Mirko Smiljanic |
    Es war schon ein schwerer Schlag für den 56-jährigen Kettenraucher aus Hamburg, als ihm sein Arzt mitteilte, dass der Kehlkopf komplett entfernt werden müsse. Seine Stimme, dass war ihm klar, würde er verlieren, denn im Kehlkopf sind auch die Stimmbänder oder Stimmlippen integriert.

    "Die Stimmlippen dienen dazu, den Ton zu erzeugen, der dann in den Mundraum transportiert wird und dort wird er moduliert und dadurch wird dann halt die Sprache erzeugt."

    Die ausgeatmete Luft - sagt Jan-Eric Bialek von der Fahl Medizintechnik GmbH in Köln - lässt die Stimmbänder vibrieren. Dadurch entsteht ein Ton, der Grundlage für alles Sprechen und Singen, Stammeln und Schreien ist. Völlig stumm sind Kehlkopflose aber nicht. Sie können auf dreierlei Arten Töne erzeugen. Da ist zunächst die Ösophagus- beziehungsweise Speiseröhrenstimme. Der Patient schluckt Luft herunter und presst sie anschließend wieder nach oben. Dadurch vibriert das Gewebe, ein Ton entsteht.

    "Eins, zwei drei vier fünf - Guten Tag, wie geht es Ihnen?"

    Ganz anders arbeiten elektronische Sprechhilfen. Bialek:

    "Hier wird also durch einen Stößel an einer Kunststoffplatte ein Ton erzeugt, diese Kunststoffplatte müssen wir irgendwo an einen Bereich legen am Körper im Kopf-Hals-Bereich, wo wir eine große Auflagefläche haben und dann kann man mit diesem Ton, der dann in den Mundraum transportiert wird wieder sprechen."

    So klingt der Tongenerator, den sich der Patient an den Hals drückt. Und so die dazugehörige Stimme:

    "Januar, Februar März, April - Guten Tag, wie geht es Ihnen?"

    Eine Roboterstimme, die wenig attraktiv klingt, sich aber problemlos anwenden lässt. Weitaus besser ist der dritte Weg, Töne zu erzeugen: Die Stimmprothese. Sie wird im Rahmen einer kleinen Operation an die Stelle des Kehlkopfes gesetzt. Bialek:

    "Die Stimmprothese ist im Endeffekt ein Einwegventil, was eine Verbindung darstellt zwischen Luft- und Speiseröhre",... "

    ...trennt also Speise- und Luftröhre voneinander. Um zu sprechen, presst der Patient nun wie bei der Ösophagus-Stimme Luft aus der Speiseröhre durch das Ventil in den Mundraum. Dadurch entsteht ein genau definierter Luftstrom der einen genau definierten Ton im Gewebe erzeugt. Stimmprothesen der neuesten Generation steuern sogar die Dauer des Luftstroms. Jan-Eric Bialek:

    ""Wenn ich ein normales Silikonventil habe, brauche ich ja einen gewissen Anblasdruck, um es zu öffnen, und dann schließt es sich auch relativ leicht wieder, ich kann dann nur eine gewisse Zeit die Luft auspressen, das ist ja alles begrenzt, die neuen Techniken sind dann so, dass der Betroffene einen etwas höheren Anblasdruck braucht, um sie öffnen, sie dann aber durch Magnetmechanismus etwas länger geöffnet bleibt, bis sie sich wieder schließt, so kann ich also länger phonieren",.... "

    ...beziehungsweise Töne erzeugen, die sich dann im Mundraum zu gesprochener Sprache wandeln.

    ""Guten Tag, wie geht es Ihnen? - Es ist gut, wieder mit einer normalen Stimme zu sprechen."

    Vor allem muss der Patient während des Sprechens nicht mehr den Tongenerator an den Hals drücken, was viele Kehlkopflosen als unangenehm empfinden. Einziger Nachteil: Nach einigen Wochen muss die Stimmprothese ausgewechselt werden, weil Candida-Pilze das Silikon besiedeln und so das Einwegventil undicht machen. Trotzdem bieten Stimmprothesen für viele Kehlkopflose die beste Möglichkeit, wieder mit Menschen zu sprechen. Auch wenn es nicht die Originalstimme ist.

    "Ich bin froh, dass ich wieder eine Stimme habe."