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Ersatz für Silizium gesucht

Informationstechnologie. – Hat sich der gute alte Siliziumchip, wie er in MP3-Player, in Uhren oder Computer eingebaut ist, bald ausgedient? Und was kommt danach? Fragen wie diese stellen sich derzeit die rund 1300 Teilnehmer der "International Conference on the Physics of Semiconductors" in Wien.

26.07.2006
    Siliziumchips findet man heute in fast allen elektronischen Alltagsgegenständen - im Telefon ebenso wie im Wecker, im CD-Player oder im Notebook. Sie fallen nicht auf, weil sie so klein sind, führen aber entscheidende Rechnungen und Schaltungen aus. Dass sie immer kleiner und leistungsfähiger wurden, hat auch einen Preis:

    "”Es kann nicht ewig so weitergehen. Wenn man die Chips immer dichter bepackt, werden sie nicht mehr besser, sondern schlechter. Und diesen Punkt haben wir mittlerweile überschritten. Eines der größten Probleme, mit dem wir durch die Miniaturisierung zu kämpfen haben, ist die Hitzentwicklung. Wir können diese Hitze in den dicht gepackten Siliziumchips nicht mehr kontrollieren.""

    Eine Ersatz-Technologie hat der Halbleiterphysiker Phaedon Avouris von IBM bereits im Visier. Er möchte Silizium durch Kohlenstoff ersetzen - genaugenommen durch Kohlenstoff-Nanoröhrchen. Das sind sehr kleine Drähte, etwa 10.000 Mal dünner als ein Haar, die Strom besonders gut leiten und auch nicht heiß werden. Diesen Nanoröhren gibt Avouris auch kurzfristig Chancen, zu einem Ersatz für Silizium-Chips zu werden

    "”Wir wollen vom Silizium weggehen, aber seine Architektur und seine Strukturen behalten, weil wir wissen, dass sie funktionieren, während wir gleichzeitig Silizium durch ein besseres Material ersetzen.""

    Die jetzigen Silizium-Strukturen sind rund 60 Nanometer groß - eine Verkleinerung ist nach Ansicht vieler Physiker nur mehr bis auf 15 Nanometer möglich. Laut Avouris wird man diese Grenze in spätestens sechs Jahren erreicht haben. Praktische Probleme gibt es mit den Nano-Tubes aber noch genügend - zum Beispiel können sie nicht sortenrein erzeugt werden, sondern nur als Gemisch unterschiedlichster Varianten. Außerdem macht das Verbinden mit dem Trägermaterial noch immer große Probleme, wie der Wiener Physiker Karl Unterrainer meint.

    "”Man muss Kontakte drauf geben, und das Kontaktieren dieser idealen Stromleiter ist sehr schwierig. Das ist nicht ganz gelöst, und das wird meines Erachtens auch der Knackpunkt sein.""

    Größere Chancen gibt Unterrainer einem anderen Ansatz. Lars Samuelson von der schwedischen Universität Lund erzeugt Chips, die sich zum Teil selber zusammenbauen - indem er Halbleitermaterialen lokal dazu bringt, sich in die gewünschten Strukturen zu organisieren. Samuelson:

    "”Die heutige Technologie baut auf dem lithographischen Druckprozess auf, mit dem wir Muster auf eine Unterlage drucken. Wir brauchen nur eine Schicht dieses Musters, und darauf lassen wir Millionen identischer Transistoren wachsen. Das heißt der Rest der Arbeit wird durch die kontrollierten Selbstorganisation der Elemente erledigt.""

    Lars Samuelson glaubt, dass er seine Transistoren bis auf zehn Nanometer verkleinern kann. Durch den vertikalen Aufbau kommt auch noch die dritte Dimension dazu - man würde damit weitaus mehr Transistoren als bisher auf derselben Fläche unterbringen. Samuelson:

    "”Ob das die Chips jetzt um den Faktor 100 oder 1000 oder sogar noch mehr verbessert, das wird man sehen. Die Industrie hat jedenfalls riesiges Interesse daran. Ich koordiniere jetzt auch ein europäisches Projekt zum Thema ‚Nanoelektronik’.""

    Die selbst-aufbauenden Nanodrähte mit klassischen Materialen leiten zwar nicht so gut wie Kohlenstoff-Nanoröhren, sie haben aber für Karl Unterrainer einen entscheidenden Vorteil:

    "Man schafft es jetzt schon, dieses selbstorganisierte Wachstum so zu initiieren, dass die Röhrchen zusammenwachsen. Und für mich schaut das fast schon so aus wie das Wachstum von Neuronen - von Nervenzellen, die sich zu vernetzen beginnen."