"Das ist für mich der letzte Ausweg gewesen, die letzte Chance, die ich überhaupt noch habe. Ich hätte nicht mehr gewusst, wie es weitergehen soll sonst."
"Auf jeden Fall möchte ich nicht mehr auf den Strich gehen. Und ich habe auch keine Lust mehr, 24 Stunden nur Geld zu beschaffen und immer in der Angst zu leben, dass mir der Stoff ausgeht."
Zwei Heroin-Süchtige aus dem Methadonprogramm Nordrhein-Westfalens: Zusammen mit knapp 100 weiteren sogenannten "Schwerstabhängigen" erhielten sie ab dem 1. März 1988 die Ersatzdroge Methadon: ein Opiat, das in Deutschland damals noch nicht als Medikament zugelassen war. Weil es süchtig macht war der Aufschrei in der Ärzteschaft und auch in der Politik groß. Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Hermann Heinemann musste sich gegen den Vorwurf verteidigen, er mache den Staat zum "Dealer".
"Es ist nicht bestritten, dass Methadon nur der zweitbeste Weg sein kann. Drogenfreiheit ist auch mein Ziel für möglichst viele Menschen. Und wenn sie unsere Einstiegsbedingungen für das Methadonprogramm sehen, dann werden sie auch feststellen können, welche Bedingungen zu erfüllen sind. Ich nenne nur eine Bedingung: Man muss zwei Mal den Versuch der Drogenfreiheit gemacht haben."
Also zwei gescheiterte Entzugstherapien als Voraussetzung. Außerdem waren die Teilnehmer des Modellversuchs verpflichtet, sich regelmäßig von Sozialarbeitern beraten zu lassen und auf den Konsum anderer Drogen zu verzichten – Grundregeln erfolgreicher Methadonprogramme, wie sie Heinemann in den USA und in der Schweiz kennengelernt hatte. Methadon, von der Firma Hoechst in den 1940er-Jahren entwickelt und unter dem Namen "Polamidon" vertrieben, wirkt schmerzstillend wie Morphin und unterdrückt die Entzugserscheinungen von Heroin. Das ermöglichte auch den ersten Methadon-Empfängern in Nordrhein-Westfalen, zu einem halbwegs normalen Alltag zurückzukehren:
"Also, ich sehe jetzt meine konkreten Ziele: Wie will ich weiterleben, ja? Was will ich tun, ja? Ich werde meinen Schulabschluss nachholen mit einer Arbeitsmaßnahme, das steht schon fest für mich. Und das sind Sachen, die hätte ich früher gar nicht tun können, ja? Weil halt eben immer der Druck da war, ich auch eben halt den ganzen Tag hinter der Droge herjagen musste."
Einmal täglich erhielten die Versuchspatienten unter ärztlicher Aufsicht ihre Dosis "Polamidon" – anfangs als Sirup verabreicht, später auch in Tablettenform. Ausgabestellen gab es zunächst nur in Düsseldorf, Essen und Bochum. In dem Projekt sah Gesundheitsminister Heinemann vor allem eine "Überlebenshilfe" für schwer Suchtkranke, aber auch eine Präventionsmaßnahme für die ganze Gesellschaft.
"Alleine Aids wird uns zwingen, hier schnell zu Entscheidungen zu kommen. Und jeder Tag, der versäumt wird, bringt Menschenleben in Gefahr, befürchte ich, steckt Menschen an."
Nach Schätzungen war damals jeder zweite Heroinsüchtige HIV-positiv. Das weckte Ängste, durch die Beschaffungsprostitution könne sich die Krankheit rasant in der gesamten Gesellschaft ausbreiten. Umso aufmerksamer wurden die Ergebnisse des Modellversuchs registriert: Ein Drittel der Teilnehmer schaffte es demnach, ganz ohne Drogen zu leben. Etwa 40 Prozent seien zwar weiter auf Methadon angewiesen, hätten sich aber sozial gut integriert, so der Landesdrogenbeauftragte Hans-Adolf Hüsgen zehn Jahre nach Beginn des Programms.
"Das ist eine stolze Bilanz. Und wir können sagen, dass wir dazu beigetragen haben, dass inzwischen solch eine Substitutionsbehandlung in die Schulmedizin eingegangen ist."
Heute bekommen etwa 80.000 Drogenabhängige in Deutschland Methadon – auf Kosten der Krankenkassen. Gleichwohl ist die Ersatzdroge umstritten, weil es immer wieder Todesfälle gibt: Vor einem Jahr starb in Hamburg die elfjährige Chantal, nachdem sie eine Methadon-Tablette ihrer drogensüchtigen Pflegeeltern geschluckt hatte. Mangelnde Kontrollen: Sie erleichtern auch den "Beikonsum" anderer Drogen, mit dem sich ein Teil der Methadon-Empfänger den fehlenden "Kick" verschafft. Alfred Ferenz ist Sozialarbeiter bei der "Krisenhilfe Essen":
"Sie haben ja über Jahre diese Form von Entspannung gesucht über Droge. Und diese Möglichkeit ist ihnen genommen. Und da ist natürlich die Versuchung immer ganz groß, da mit anderen Mitteln da auszuweichen."
Inzwischen können Heroinsüchtige unter ganz bestimmten Bedingungen sogar "Diamorphin" bekommen: künstlich hergestelltes Heroin auf Rezept. Die kontrollierte Abgabe an Schwerstabhängige ist seit knapp drei Jahren bundesweit per Gesetz geregelt.
"Auf jeden Fall möchte ich nicht mehr auf den Strich gehen. Und ich habe auch keine Lust mehr, 24 Stunden nur Geld zu beschaffen und immer in der Angst zu leben, dass mir der Stoff ausgeht."
Zwei Heroin-Süchtige aus dem Methadonprogramm Nordrhein-Westfalens: Zusammen mit knapp 100 weiteren sogenannten "Schwerstabhängigen" erhielten sie ab dem 1. März 1988 die Ersatzdroge Methadon: ein Opiat, das in Deutschland damals noch nicht als Medikament zugelassen war. Weil es süchtig macht war der Aufschrei in der Ärzteschaft und auch in der Politik groß. Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Hermann Heinemann musste sich gegen den Vorwurf verteidigen, er mache den Staat zum "Dealer".
"Es ist nicht bestritten, dass Methadon nur der zweitbeste Weg sein kann. Drogenfreiheit ist auch mein Ziel für möglichst viele Menschen. Und wenn sie unsere Einstiegsbedingungen für das Methadonprogramm sehen, dann werden sie auch feststellen können, welche Bedingungen zu erfüllen sind. Ich nenne nur eine Bedingung: Man muss zwei Mal den Versuch der Drogenfreiheit gemacht haben."
Also zwei gescheiterte Entzugstherapien als Voraussetzung. Außerdem waren die Teilnehmer des Modellversuchs verpflichtet, sich regelmäßig von Sozialarbeitern beraten zu lassen und auf den Konsum anderer Drogen zu verzichten – Grundregeln erfolgreicher Methadonprogramme, wie sie Heinemann in den USA und in der Schweiz kennengelernt hatte. Methadon, von der Firma Hoechst in den 1940er-Jahren entwickelt und unter dem Namen "Polamidon" vertrieben, wirkt schmerzstillend wie Morphin und unterdrückt die Entzugserscheinungen von Heroin. Das ermöglichte auch den ersten Methadon-Empfängern in Nordrhein-Westfalen, zu einem halbwegs normalen Alltag zurückzukehren:
"Also, ich sehe jetzt meine konkreten Ziele: Wie will ich weiterleben, ja? Was will ich tun, ja? Ich werde meinen Schulabschluss nachholen mit einer Arbeitsmaßnahme, das steht schon fest für mich. Und das sind Sachen, die hätte ich früher gar nicht tun können, ja? Weil halt eben immer der Druck da war, ich auch eben halt den ganzen Tag hinter der Droge herjagen musste."
Einmal täglich erhielten die Versuchspatienten unter ärztlicher Aufsicht ihre Dosis "Polamidon" – anfangs als Sirup verabreicht, später auch in Tablettenform. Ausgabestellen gab es zunächst nur in Düsseldorf, Essen und Bochum. In dem Projekt sah Gesundheitsminister Heinemann vor allem eine "Überlebenshilfe" für schwer Suchtkranke, aber auch eine Präventionsmaßnahme für die ganze Gesellschaft.
"Alleine Aids wird uns zwingen, hier schnell zu Entscheidungen zu kommen. Und jeder Tag, der versäumt wird, bringt Menschenleben in Gefahr, befürchte ich, steckt Menschen an."
Nach Schätzungen war damals jeder zweite Heroinsüchtige HIV-positiv. Das weckte Ängste, durch die Beschaffungsprostitution könne sich die Krankheit rasant in der gesamten Gesellschaft ausbreiten. Umso aufmerksamer wurden die Ergebnisse des Modellversuchs registriert: Ein Drittel der Teilnehmer schaffte es demnach, ganz ohne Drogen zu leben. Etwa 40 Prozent seien zwar weiter auf Methadon angewiesen, hätten sich aber sozial gut integriert, so der Landesdrogenbeauftragte Hans-Adolf Hüsgen zehn Jahre nach Beginn des Programms.
"Das ist eine stolze Bilanz. Und wir können sagen, dass wir dazu beigetragen haben, dass inzwischen solch eine Substitutionsbehandlung in die Schulmedizin eingegangen ist."
Heute bekommen etwa 80.000 Drogenabhängige in Deutschland Methadon – auf Kosten der Krankenkassen. Gleichwohl ist die Ersatzdroge umstritten, weil es immer wieder Todesfälle gibt: Vor einem Jahr starb in Hamburg die elfjährige Chantal, nachdem sie eine Methadon-Tablette ihrer drogensüchtigen Pflegeeltern geschluckt hatte. Mangelnde Kontrollen: Sie erleichtern auch den "Beikonsum" anderer Drogen, mit dem sich ein Teil der Methadon-Empfänger den fehlenden "Kick" verschafft. Alfred Ferenz ist Sozialarbeiter bei der "Krisenhilfe Essen":
"Sie haben ja über Jahre diese Form von Entspannung gesucht über Droge. Und diese Möglichkeit ist ihnen genommen. Und da ist natürlich die Versuchung immer ganz groß, da mit anderen Mitteln da auszuweichen."
Inzwischen können Heroinsüchtige unter ganz bestimmten Bedingungen sogar "Diamorphin" bekommen: künstlich hergestelltes Heroin auf Rezept. Die kontrollierte Abgabe an Schwerstabhängige ist seit knapp drei Jahren bundesweit per Gesetz geregelt.