In der Nacht zum 20. August 1936 drangen Anhänger des späteren Diktators Francisco Franco in das Haus des Landarbeiters Valerico Canales in dem kleinen Dorf Pajares de Adaja im zentralspanischen Kastilien ein. Weil sich sein Vater an einem Streik beteiligt hatte und linke Zeitungen las, holten sie ihn ab, erzählt Fausto Canales, der Sohn des in dieser Nacht ermordeten Valerico Canales.
"Meine Mutter verließ das Haus mit uns sofort. Ich war damals zwei Jahre alt, mein Bruder vier Jahre. Ihr war klar, es gibt kaum eine Hoffnung, ihn lebend wiederzusehen. Unter Tränen hat sie bei ihren Eltern Zuflucht gesucht. Wir sind nie mehr in dieses Haus zurück. Und mein Vater kam auch nicht wieder."
Wie der Sohn erst Jahre später erfuhr, wurde sein Vater in dieser Nacht mit zehn weiteren aus dem gleichen Dorf an einem Graben an der Straße zum Nachbarort erschossen und in einem trockenen Brunnen verscharrt. Ähnliche Säuberungsaktionen gab es in allen Gebieten, die die Putschisten schnell unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Oft setzte damit auch das lange Schweigen ein, in dem selbst innerhalb der Familien der Angehörigen die Toten zum Tabuthema wurden. Der heute 75-jährige streift sich das volle graue Haar nach hinten, setzt die Brille ab und blickt auf den Boden, wenn er von seiner Kindheit spricht:
"Es war schon schwer, dieses Trauma zu verarbeiten. Zu Hause wurden wir getröstet. Aber die Täter und die Denunzianten gingen stolz im Dorf spazieren, in aller Ruhe. Sie waren die Sieger, niemand würde von ihnen Rechenschaft verlangen."
Doch Fausto Canales hatte Glück. Er erhielt mit 12 Jahren ein Stipendium für ein Internat in Madrid. Dort richtete er mit anderen Schülern eine geheime Bibliothek mit verbotenen Büchern von Lyrikern wie Garcia Lorca oder Miguel Hernández ein. Er schloss sich einer studentischen Widerstandsgruppe an. Und er forschte nach seinem Vater. Doch erst 2003, da war Canales schon 69 Jahre alt und Rentner, versuchte er mit den übrigen Angehörigen der fast 70 Jahre zuvor in der Nähe von Pajares Erschossenen, eine erste Exhumierung.
"Da waren noch kleinere Knochen, ein fast intakter Schädel, viele Rippen, Zähne, eine Bleistiftmine. Weil wir auch einen Fingerhut in der Grube fanden und unter den Toten auch eine Frau sein musste, waren wir aber sicher, dass dies das Grab der Erschossenen aus Pajares ist. Wir legten alle Reste in eine Urne und bestatteten sie auf dem Friedhof in Pajares, wo wir auch eine kleine Gedenkstätte errichteten."
Fausto Canales forschte weiter und fand heraus: In einer Nacht-und-Nebel-Aktion hatte das Franco-Regime 1959 die Gebeine aus dem Grab exhumiert, und wie die Zehntausender Weiterer, in die Gedenkstätte "Tal der Gefallenen" in der Nähe von Madrid gebracht, in eine in einen Berg gehauene Kultstätte für Franco-Nostalgiker, mit einem enormen, weit sichtbaren Kreuz darauf. 1975 wurde auch der Ex-Diktator dort bestattet. Fausto Canales fuhr hin und begann mit dem Prior der Abtei, die die Gedenkstätte betreut, eine Diskussion.
"Ich sagte ihm: Sie finden dieses Monument hier sicher in Ordnung. Aber ich kann nicht damit einverstanden sein, dass mein Vater hier in einer Krypta eingemauert ist, über der steht "gefallen für Gott und Spanien". Mein Vater wollte dieses Regime nicht, seine Ideale waren andere. Ich kann nicht erlauben, dass er dort bleibt. Dies war das erste Mal, das ich im 'Tal der Gefallenen' war. Und wenn ich ein zweites Mal dort hingehe, dann nur, um meinen Vater dort rauszuholen."
Und dass er noch ein zweites Mal hinfährt, dazu ist er fest entschlossen. Er kennt die genaue Bezeichnung der Kiste, in der die Gebeine der Erschossenen aus Pajares liegen. Doch die spanische Regierung antwortet auf seine Bittbriefe nicht. Und die Justiz will von den Fällen aus der Franco-Zeit nichts wissen, so lange gegen Untersuchungsrichter Baltasar Garzón wegen Rechtsbeugung ermittelt wird. Sein Fall sei vollkommen in der Schwebe und ähnlich stehe es um die Vergangenheitsbewältigung in ganz Spanien, meint Fausto Canales:
"Wir sind mit diesem Thema nicht weiter als 1975, als Franco starb. Keine Regierung war bisher bereit, bei der Suche nach den 'Verschwundenen' zu helfen, die Exhumierungen zu unterstützen. Es gab Wiedergutmachungen. Aber uns fehlt ein Konsens, wie das Franco-Regime zu beurteilen ist. Stattdessen heißt es ständig, das Kapitel müsse abgeschlossen werden. Ein Kapitel kann man erst abschließen, wenn man es gelesen hat. Wenn man es verstanden hat. Ohne das Buch zu lesen, kann man es nicht schließen. Das ist Selbstbetrug."
"Meine Mutter verließ das Haus mit uns sofort. Ich war damals zwei Jahre alt, mein Bruder vier Jahre. Ihr war klar, es gibt kaum eine Hoffnung, ihn lebend wiederzusehen. Unter Tränen hat sie bei ihren Eltern Zuflucht gesucht. Wir sind nie mehr in dieses Haus zurück. Und mein Vater kam auch nicht wieder."
Wie der Sohn erst Jahre später erfuhr, wurde sein Vater in dieser Nacht mit zehn weiteren aus dem gleichen Dorf an einem Graben an der Straße zum Nachbarort erschossen und in einem trockenen Brunnen verscharrt. Ähnliche Säuberungsaktionen gab es in allen Gebieten, die die Putschisten schnell unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Oft setzte damit auch das lange Schweigen ein, in dem selbst innerhalb der Familien der Angehörigen die Toten zum Tabuthema wurden. Der heute 75-jährige streift sich das volle graue Haar nach hinten, setzt die Brille ab und blickt auf den Boden, wenn er von seiner Kindheit spricht:
"Es war schon schwer, dieses Trauma zu verarbeiten. Zu Hause wurden wir getröstet. Aber die Täter und die Denunzianten gingen stolz im Dorf spazieren, in aller Ruhe. Sie waren die Sieger, niemand würde von ihnen Rechenschaft verlangen."
Doch Fausto Canales hatte Glück. Er erhielt mit 12 Jahren ein Stipendium für ein Internat in Madrid. Dort richtete er mit anderen Schülern eine geheime Bibliothek mit verbotenen Büchern von Lyrikern wie Garcia Lorca oder Miguel Hernández ein. Er schloss sich einer studentischen Widerstandsgruppe an. Und er forschte nach seinem Vater. Doch erst 2003, da war Canales schon 69 Jahre alt und Rentner, versuchte er mit den übrigen Angehörigen der fast 70 Jahre zuvor in der Nähe von Pajares Erschossenen, eine erste Exhumierung.
"Da waren noch kleinere Knochen, ein fast intakter Schädel, viele Rippen, Zähne, eine Bleistiftmine. Weil wir auch einen Fingerhut in der Grube fanden und unter den Toten auch eine Frau sein musste, waren wir aber sicher, dass dies das Grab der Erschossenen aus Pajares ist. Wir legten alle Reste in eine Urne und bestatteten sie auf dem Friedhof in Pajares, wo wir auch eine kleine Gedenkstätte errichteten."
Fausto Canales forschte weiter und fand heraus: In einer Nacht-und-Nebel-Aktion hatte das Franco-Regime 1959 die Gebeine aus dem Grab exhumiert, und wie die Zehntausender Weiterer, in die Gedenkstätte "Tal der Gefallenen" in der Nähe von Madrid gebracht, in eine in einen Berg gehauene Kultstätte für Franco-Nostalgiker, mit einem enormen, weit sichtbaren Kreuz darauf. 1975 wurde auch der Ex-Diktator dort bestattet. Fausto Canales fuhr hin und begann mit dem Prior der Abtei, die die Gedenkstätte betreut, eine Diskussion.
"Ich sagte ihm: Sie finden dieses Monument hier sicher in Ordnung. Aber ich kann nicht damit einverstanden sein, dass mein Vater hier in einer Krypta eingemauert ist, über der steht "gefallen für Gott und Spanien". Mein Vater wollte dieses Regime nicht, seine Ideale waren andere. Ich kann nicht erlauben, dass er dort bleibt. Dies war das erste Mal, das ich im 'Tal der Gefallenen' war. Und wenn ich ein zweites Mal dort hingehe, dann nur, um meinen Vater dort rauszuholen."
Und dass er noch ein zweites Mal hinfährt, dazu ist er fest entschlossen. Er kennt die genaue Bezeichnung der Kiste, in der die Gebeine der Erschossenen aus Pajares liegen. Doch die spanische Regierung antwortet auf seine Bittbriefe nicht. Und die Justiz will von den Fällen aus der Franco-Zeit nichts wissen, so lange gegen Untersuchungsrichter Baltasar Garzón wegen Rechtsbeugung ermittelt wird. Sein Fall sei vollkommen in der Schwebe und ähnlich stehe es um die Vergangenheitsbewältigung in ganz Spanien, meint Fausto Canales:
"Wir sind mit diesem Thema nicht weiter als 1975, als Franco starb. Keine Regierung war bisher bereit, bei der Suche nach den 'Verschwundenen' zu helfen, die Exhumierungen zu unterstützen. Es gab Wiedergutmachungen. Aber uns fehlt ein Konsens, wie das Franco-Regime zu beurteilen ist. Stattdessen heißt es ständig, das Kapitel müsse abgeschlossen werden. Ein Kapitel kann man erst abschließen, wenn man es gelesen hat. Wenn man es verstanden hat. Ohne das Buch zu lesen, kann man es nicht schließen. Das ist Selbstbetrug."