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Erschwindelte Doktorwürde

Seit Tagen überschlagen sich die Medien. Hat zu Guttenberg bei seiner Doktorarbeit an der Universität Bayreuth geschummelt und Zitate als seine eigenen Gedanken ausgegeben? Abschreiben ist kein Kavaliersdelikt, wie die aktuelle Rechtsprechung zeigt.

Von Armin Himmelrath | 17.02.2011
    Christian Birnbaum ist Rechtsanwalt in Köln. Mit Gerichtsverfahren im Universitätsmilieu kennt er sich aus: Der Verwaltungsjurist hat sich auf Studienplatzklagen und die Anfechtung von Prüfungsleistungen spezialisiert. Den Fall Guttenberg verfolgt er mit großem Interesse.

    "Nach allem, was wir aus der Rechtsprechung der letzten Jahre kennen, ist das wohl ein klarer Täuschungsversuch, der zum Entzug des Doktorgrades führen kann."

    Seine Prognose: Das Ganze wird ein verwaltungsrechtliches Nachspiel haben. Und dabei, sagt der Anwalt, komme es gar nicht so sehr auf die Frage an, wie viel bei einer Arbeit gepfuscht wurde – die Tatsache alleine genügt.

    "Man muss schon sehen, dass die Gerichte hier in den letzten Jahren beinhart sind. Da reichen geringfügige Täuschungen, jetzt in Anführungszeichen, Fehlzitate, um nachher auch wirklich die wissenschaftliche Arbeit wieder abzuerkennen."

    Die harte Haltung der Justiz ist ganz im Sinne von Matthias Kleiner, dem Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Ohne die Arbeit des Verteidigungsministers bewerten zu wollen, stellt Matthias Kleiner klar: Plagiate müssen mit aller Entschiedenheit bekämpft werden.

    "Jeder muss wissen, das ist kein Kavaliersdelikt. Plagiat, Fälschung sind schwerwiegende Fehlverhalten im Wissenschaftssystem und müssen entsprechend untersucht und dann auch mit Konsequenzen belegt werden. Und ich glaube, dass die Fälle, die wir in letzter Zeit hatten, auch entsprechend gezeigt haben, dass das System entsprechend differenziert drauf reagiert: Es werden Rügen ausgesprochen, es werden Verbote, Anträge zu stellen, Mitwirkungsverbote, für eine gewisse Zeit ausgesprochen – und das wirkt, und insbesondere natürlich über den damit verbundenen Reputationsverlust."

    Die harte Linie gegen wissenschaftliches Fehlverhalten wurde in Gerichtsurteilen der letzten Zeit immer wieder bestätigt. Anwalt Christian Birnbaum über ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bremen.

    "OVG Bremen, 12.10.2010: Die Übernahme von Textpassagen ohne Verdeutlichung, dass es sich um fremde Texte handelt, genügt für die Bejahung des Täuschungsversuchs – die Angabe von Quellen im Literaturverzeichnis steht dem nicht entgegen. Es reicht also nicht, die Quelle im Literaturverzeichnis zu benennen."

    Ähnlich konsequent eine Entscheidung aus Münster.

    "Da hat jemand "vergleiche" geschrieben, bei wörtlicher Übernahme. Unkorrekte Zitierweise! Ein 1/3 Seite wurde wörtlich übernommen einer 47-seitigen Arbeit – keine Frage, Täuschungsversuch ist zu bejahen. Und die Dimension scheint die vorliegende Sache ja mindestens zu haben."

    Und, noch klarer, ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim:

    "VGH Mannheim, 13.10.2008: Der Umfang der Täuschung oder die verbleibende wissenschaftliche Qualität nach Abzug der Täuschungsleistung ist irrelevant."

    In allen Fällen wurden die wissenschaftlichen Titel einkassiert. Christian Birnbaum hat eine Liste mit solchen Urteilen, in denen geringste Verfehlungen gegen die wissenschaftliche Redlichkeit zum Titelentzug führten. Doch damit es zu einem solchen Urteil überhaupt kommen kann, muss erst einmal die betroffene Universität – im Fall Guttenberg also die Universität Bayreuth – den verliehenen Titel wieder einkassieren. Wenn der Betroffene dann dagegen klagt, kommt es zum Verfahren – sonst nicht. Anwalt Christian Birnbaum kennt diese Situation – und hat für den Minister einen Rat:

    "Ich habe solche Fälle schon gehabt, und ich selbst gehe in der Regel so vor, wenn es eindeutig ist. Dass ich ganz klar einräume: Es ist ein Täuschungsversuch; das Bedauern zum Ausdruck bringe; dann versuche, zu argumentieren über das Ermessen, mit der Geringfügigkeit der Täuschungshandlung und so versuche, das Verfahren noch irgendwie zu retten. Also, hier kann man eher was gewinnen, wenn man mit offenen Karten spielt."