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Erst Babypause, dann die Karriere

Wer ein Kind bekommt, kann in Dänemark ein Jahr lang Zuhause bleiben. Neunzig Prozent des Gehaltes sind garantiert. Immer mehr Paare entscheiden sich deshalb, das Jahr unter sich zu aufzuteilen. Immer mehr Väter möchten zumindest einige Wochen und Monate allein mit ihrem Sprössling daheim verbringen. Marc-Christoph Wagner hat ein solches Paar in Kopenhagen besucht und dabei sogar festgestellt, dass Babypause und Karriere kein Gegensatz sein müssen.

    Es ist kurz nach halb Acht. Bei den Christensens herrscht morgendlicher Trubel. In der Küche bereitet Vater Martin das Frühstück. Im kleinen Bad wickelt Majken den elf Monate alten Tobias. In knapp einer halben Stunde muss die junge Steuerberaterin aus dem Haus:

    "Als ich schwanger wurde, dachte ich: Ein ganzes Jahr weg vom Job, das ist zu lange. Als Tobias dann geboren war und acht Monate alt war, da hätte ich sicher noch Zuhause bleiben können, denn da fing alles an, richtig Spaß zu machen. Andererseits habe ich mich auch auf meinen Job gefreut. Und so war es natürlich ideal, dass wir Tobias noch nicht in die Krippe geben mussten, sondern dass er daheim zusammen mit seinem Vater war. Die beiden haben noch dazu ein sehr viel engeres Verhältnis bekommen. Der Tag, an dem Tobias weinte und erstmals lieber von Martin als von mir getröstet werden wollte, war ein rabenschwarzer für die Mutter und ein Triumph für den Vater."

    Am Herd rührt Martin langsam den Hirsebrei für Tobias. Seit drei Monaten ist der 27-jährige Polizist daheim bei seinem Sohn.
    "Unter den Kollegen ist der Vaterschaftsurlaub sehr anerkannt. Die Älteren sticheln schon ab und an, aber ich glaube, das ist der pure Neid – die hatten damals ja höchstens 14 Tage. Generell finden die meisten, daß man die Möglichkeit wahrnehmen sollte, Zeit mit seinen Kindern zu verbringen, noch dazu bei vollem Gehalt. Denn gerade die ersten Monate sind ja eine wertvolle Zeit."

    Der kleine Tobias ist hungrig. Immer wieder streckt er sich nach dem Teller mit dem Brei. In seinem Hochstuhl zappelt er unentwegt hin und her:

    "Anstrengend? Und wie! Ich habe inzwischen großen Respekt vor allen Müttern, die alleine mit ihren Kindern zuhause sind. Am Anfang dachte ich, die Zeit mit Tobias wird ein reines Vergnügen werden, wir spielen ein bisschen und nach den dreieinhalb Monaten wird er mit mir daheim laufen können. Aber man findet schnell heraus, dass so ein Kind ein richtig harter Job ist. Man muss ja ständig präsent sein."

    Anfang 2006 wird sich aber auch der dann fast einjährige Tobias an neue Zeiten gewöhnen müssen. Martin kehrt zurück in den Polizeidienst – und für Tobias beginnt der Alltag in der Krippe. Wird er einmal krank, werden die Eltern von mal zu mal neu entscheiden müssen, wer von ihnen daheim bleibt. Die Zeiten, als das ganz automatisch Aufgabe der Mutter war, sind in Dänemark längst vorbei. Das weiß man auch bei Martins Arbeitgeber, der Rigspolitiet, versichert Personalchefin Lene Frank:

    "Wir haben ein Interesse daran, dass unsere Angestellten rundherum zufriedene und ausgeglichene Persönlichkeiten sind. Die Polizisten haben einen stressigen Job mit ständig wechselnden Arbeitszeiten – und da ist es umso wichtiger, dass ihr Familienleben harmonisch ist und sie sich daheim entsprechend engagieren."

    Die engagierten Väter aber werden nicht allein ausgeglichenere Persönlichkeiten, sondern gleichzeitig bessere Angestellte, das zumindest behauptet der Journalist Espen Kjær. In einem neuen Buch hat er sich diesem Thema gewidmet und eine Vielzahl von Vätern und Arbeitgebern interviewt:

    "Sie stehen nicht am Kaffeeautomaten und palavern mit den Kollegen, sondern sie arbeiten effektiv und enorm strukturiert, weil sie wissen, dass sie um halb Fünf gehen müssen. Was jedoch noch wichtiger ist: daheim bei ihrem Kind lernen sie all das, was man sonst versucht, ihnen in teuren Managementkursen zu vermitteln, nämlich mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, andere zu motivieren, zu inspirieren und mit gutem Beispiel voranzugehen, anstatt mit der Faust auf den Tisch zu hauen. Und glauben sie mir: Viele Väter sind nach ihrer Zeit Zuhause sehr viel bessere Chefs geworden."