Sonntag, 28. April 2024

Archiv


Erst Bewässerung, jetzt Goldbergbau

Die UNESCO hat den 2. Februar zum Welttag der Feuchtgebiete gemacht, um auf deren Bedrohung hinzuweisen. Ein Beispiel ist der Sewan-See in Armenien, der zweitgrößte Gebirgssee der Welt. Doppelt so groß wie der Bodensee, diente er zur Zeit der Sowjetunion der künstlichen Bewässerung riesiger Gebiete.

Von Mirko Schwanitz | 02.02.2010
    Über 1900 Meter hoch liegt der Sewan. Durch Wasserentnahme zur Energiegewinnung und zur Bewässerung der Landwirtschaft sank der Wasserspiegel in der Sowjetzeit um 22 Meter. Und das blieb nicht ohne Folgen.

    "Ende der 50er, Anfang der 60er-Jahre begann der See plötzlich seine Farbe zu ändern. Konnte man früher fast 20 Meter in die Tiefe sehen, sind es heute nur etwa fünf Meter. Und dabei hat sich die Situation schon gebessert, vor vier Jahren war es gerade einmal ein Meter."

    Rafael Howhannisyan gilt als die Seele des Sewan. Schon in den 60er-Jahren begann er Pläne zur Rettung des Sees zu erarbeiten.

    "Als Erstes wurden einige Wasserkraftwerke abgeschaltet. Dann überlegten wir, Wasser von einem höher gelegenen Fluss über einen 48 Kilometer langen Tunnel in den See zu führen. Bereits 1964 begann der Bau des Tunnels. Im Moment hebt sich der Wasserspiegel des Sees ständig, in den letzten Jahren bereits um fünf Meter."

    Doch kaum scheint der See gerettet, droht ihm nun eine neue Katastrophe.

    Kreischend kriechen altersschwache Züge am Ufer des Sees entlang. Sie transportieren goldhaltiges Gestein zu einer weit entfernten Verarbeitungsfabrik. Ginge es nach den Minenbesitzern der russischen Geo-Promining Company, stünde schon längst eine Goldwäscherei in direkter Nähe des Sees. Nur Umweltschützern wie Inga Zarafian ist es zu verdanken, dass sie ihre Pläne bis heute nicht umsetzen konnten. Der Bau der Goldwäscherei konnte durch massive Proteste zwar verhindert werden, doch der See wird trotzdem belastet.

    "Das größte Problem ist, dass sie einfach ganze Felsmassive sprengen, um an die Goldadern zu kommen. Dabei werden auch andere Metalle frei: Molybdän, Kupfer und andere giftige Schwermetalle, werden deshalb seit Jahren durch Erosion und Regen ausgewaschen und gelangen über Bäche in den Sewan."

    Hinzu komme ein weiteres Problem, erklärt auch die Biologin und einstige Umweltministerin Armeniens, Dr. Karine Danelian.

    "Ich hatte dem Parlament vorgeschlagen zu gestatten, die Wälder in den Überflutungszonen abzuholzen, um Feuerholz für den Winter zu haben. Das wurde abgelehnt. Die Folge: Schon jetzt versinkt ein Teil der Uferwälder im Wasser, ganze Uferzonen versumpfen."

    Eigentlich hätten die Überflutungszonen zuvor geräumt und gesäubert werden müssen. Doch nichts von alledem ist geschehen, erklärt Inga Zarafian.

    "Normalerweise werden die Aufträge zur Räumung der Uferzonen öffentlich ausgeschrieben. Merkwürdig ist, dass diese Ausschreibungen immer das gleiche Unternehmen gewinnt und das erhält für die Beräumung der Uferzonen vom Umweltministerium sehr viel Geld. Doch wie sie sehen, tut die Firma am See so gut wie nichts."

    Die Überflutung wilder Müllkippen, die durch die Versumpfung entstehenden giftigen Gase und die eingespülten Schwermetalle ergeben einen Chemiecocktail, dessen Folgen für den Sewan noch gar nicht abzuschätzen sind. Keine guten Aussichten für den zweitgrößten Gebirgssee der Welt.