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Erst das Klonen, dann die Stammzellen

Stammzellen. - Die britischen Stammzellforscher dürfen mehr als die meisten ihrer europäischen Kollegen. Sie dürfen Embryonen eigens für die Forschung herstellen, um dann Stammzellen aus ihnen zu gewinnen. Bislang haben allerdings erst zwei Institute Anträge auf Forschung mit menschlichen Stammzellen gestellt: die Universität Sheffield und das bekannte Roslin Institut in Schottland ­ die Heimat des Klonschafes Dolly. Dort soll nun auch Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen stattfinden.

    Am Roslin-Institut in der Nähe von Edinburg hat Stammzell-Forschung Tradition. Allerdings war man dabei nicht immer erfolgreich. Gerade die Misserfolge bei der Züchtung von Tierzellen führten dazu, dass man einen Weg beschritt, den Wissenschaftler außerhalb des Roslin-Instituts für aussichtslos hielten. Grahame Bulfield, der Direktor des Roslin-Institus:

    Als es uns gelang, Embryo-Zellen von Tieren genetisch zu verändern, wollten wir sie in Zellkulturen vermehren. Aber immer wenn wir das versuchten, begannen die Zellen auszureifen. Sie spezialisierten sich, anstatt jung zu bleiben und weiter zu wachsen. Das war damals ein Gesetz der Entwicklungsbiologie: Wenn die Spezialisierung der Zellen einmal begonnen hat, dann kann man sie nicht mehr rückgängig machen.

    Die Forscher wollten embryonale Stammzellen für die Gentechnik züchten. Zum Beispiel um so gentechnisch veränderte Schafe zu vermehren. Und weil dies immer wieder fehlschlug, versuchten es die beiden Wissenschaftler Ian Wilmut und Keith Campbell vom Roslin-Institut einmal anders.

    Sie drehten das Problem einfach um. Statt perfekte embryonale Stammzellen zu züchten, machten sie ausgereifte Zellen wieder zu Embryozellen. Sie drehten die Lebensuhr der Zellen zurück.

    Dies gelang, indem sie den Zellkern und damit das Erbgut ausgereifter Zellen in eine Eizelle ohne eigenes Erbgut verpflanzten. Aus einer ausgereiften Körperzelle wurde ein Embryo. Die Klontechnik war geboren. Der Durchbruch kam 1996 mit dem Klonschaft Dolly. Das war auch die Geburtsstunde der Idee vom "therapeutischen Klonen³. Denn mit dieser Technik müsste es möglich sein, aus Haut- oder Blutzellen eines Patienten einen Embryo zu erzeugen, und dann aus dem Embryo embryonale Stammzellen. US-Forscher haben diesen Plan vor einigen Wochen erstmals in die Tat umgesetzt. Allerdings erfolglos, denn nach sechs Zellen war Schluss mit dem Wachstum. Stammzellen konnten sie nicht gewinnen. Was genau beim Klonen abläuft, dieser Prozess wird zur Zeit am Roslin-Institut untersucht in erster Linie mit Tierzellen. Aber jetzt können Experimente mit menschlichen embryonalen Stammzellen beginnen. Zumindest wurden einzelne Versuche beantragt und bewilligt. Dabei arbeiten die Roslin-Forscher mit ihrer US-Partnerfirma Geron zusammen. Allerdings geht es bei diesen Experimenten zunächst ausschließlich um Grundlagenforschung. Grahame Bulfield:

    Langfristig wollen wir herausfinden, welche Substanzen im menschlichen Embryo dafür verantwortlich sind, dass in seinen Zellen so viele Fähigkeiten stecken. Was sind das für Chemikalien, die dem Zellkern einer Hautzelle sagen, er soll wieder zum Kern einer Embryozelle werden? Wenn wir diese Substanzen finden, dann brauchen wir keine menschlichen Embryonen.

    Man müsste nur diese Substanzen auf eine Haut-, Muskel- oder Blutzelle geben, um so aus ihr eine Alleskönner-Zelle zu machen so die Vision. In der praktischen Medizin der Zukunft bräuchte man dann keine Embryonen und auch keine Klontechnik. Aber um dorthin zu gelangen, müsse man forschen: auch an menschlichen embryonalen Stammzellen und auch mit der Klontechnik, so die Meinung der Roslin-Forscher.

    Autor: Michael Lange

    Links: Roslin Institute, Edinburgh http://www.roslin.ac.uk University of Sheffield http://www.shef.ac.uk/