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Erstarrter Schwamm

Koreanische Forscher haben das Prinzip von Schwämmen, die hierarchisch verzweigt aufgebaut sind, auf die Chemie übertragen. Die hergestellten Nanoschwämme wurden als Katalysatoren in chemischen Reaktionen getestet – die Anwendungsmöglichkeiten müssen jedoch noch erforscht werden.

Von Hellmuth Nordwig |
    Koreanische Forscher haben das Prinzip von Schwämmen, die mit winzigen Bläschen und größeren Hohlräumen hierarchisch verzweigt aufgebaut sind, auf die Chemie übertragen. Diese Nanoschwämme als neuartige Katalysatoren in chemischen Reaktionen waren Thema auf einer internationalen Konferenz von Katalyseexperten in München.

    Es kommt nicht oft vor, dass ein einziges Atom für einen Durchbruch verantwortlich ist. Doch 2011 war es so: Die Zeitschrift "Science" hat eine bestimmte Festkörperstruktur, einen sogenannten Zeolith, zu einem der wissenschaftlichen Highlights des Jahres gekürt. Hergestellt hat dieses Material der Chemiker Ryong Ryoo vom Korean Advanced Institute of Science and Technology.

    "Bisher wurden Zeolithe immer aus kleinen Vorläufermolekülen hergestellt. Viele Fachleute haben versucht, dafür auch größere Moleküle zu verwenden. Aber sie sind gescheitert. Sie wussten nicht, dass man nur ein zusätzliches Stickstoffatom in die Molekülstruktur einbauen muss. Das war unser Zaubertrick."

    Zeolithe sind so etwas wie erstarrter Schaum. Tatsächlich verwenden die Chemiker eine Art dickflüssiges Spülmittel, um Zeolithe herzustellen. Ein sogenanntes Gel, das in den Ofen kommt und zu einem Festkörper gebrannt wird. Dabei bilden sich winzige Poren, die normalerweise alle gleich groß sind. Doch das zusätzliche Stickstoff-Atom im Ausgangsmaterial des koreanischen Chemikers sorgt dafür, dass zusätzlich zu den kleinen auch deutlich größere Öffnungen im Zeolith entstehen.

    "Dieser Zeolith sieht aus wie ein Schwamm. Schwämme sind Tiere, deren Körper hierarchisch verzweigt aufgebaut ist. Auch unser Zeolith hat so eine geordnete Struktur mit kleinen und größeren Hohlräumen. Wir nennen ihn deshalb einen Nanoschwamm."

    Zeolithe werden häufig als Katalysatoren verwendet. 40 Prozent dieser Reaktionsbeschleuniger in der Chemie bestehen aus den gebrannten Schaumstrukturen. Auch in den Nanoschwämmen aus Korea laufen die katalytischen Reaktionen in den kleineren Poren ab, genau wie bei herkömmlichen Zeolithen. Dass es aber zusätzlich größere Öffnungen gibt, hat entscheidende Vorteile.

    "Außer den erwünschten Produkten entstehen bei jeder Reaktion auch Nebenprodukte. Diese können sich in den kleineren Poren ansammeln. Bei den herkömmlichen Zeolithen kann diese Anhäufung dazu führen, dass die katalytische Aktivität nachlässt. Bei unseren hierarchisch aufgebauten Zeolithen können die Nebenprodukte jedoch durch die großen Poren rasch entweichen. Dadurch lagern sich Nebenprodukten wie Koks nicht so schnell ab. Die Nanoschwämme sind deshalb wesentlich länger als Katalysatoren verwendbar."

    Weil die gesamte Struktur durchlässiger ist, verstopfen die für die Katalyse entscheidenden Hohlräume nicht so leicht. Dass das nicht nur schöne Theorie ist, hat Ryong Ryoo an Hand vieler katalytischer Umsetzungen gezeigt. Einige spielen in der Erdölverarbeitung eine Rolle und sind damit wirtschaftlich bedeutend. Aber auch Naturstoffe wie Vitamin E lassen sich mit Hilfe der neuen Materialien effektiver herstellen – die Nanoschwamm-Katalysatoren halten einfach länger.

    "Einige der herkömmlichen Zeolith-Katalysatoren sind ein paar Tage lang verwendbar, in anderen kommt die Reaktion schon nach ungefähr zwei Stunden zum Erliegen. Dann muss der Katalysator regeneriert werden; dazu wird er in Luft erhitzt, damit die organischen Rückstände verbrennen, die sich angesammelt haben. Aber unsere Schwamm-Zeolithe haben bei vielen Katalysereaktionen eine deutlich längere Lebensdauer."

    Einige Umsetzungen werden in den Nanoschwämmen überhaupt erst möglich. Immer neue Ergebnisse zeigen: Ein Jahr nach dem Durchbruch ist das Potenzial dieser neuartigen Katalysatoren noch lange nicht ausreichend erforscht. Ryong Ryoo gibt sich bescheiden:

    "Wir haben eben erst ein neues wissenschaftliches Phänomen entdeckt, als wir diese neuartigen Zeolithe hergestellt und sie als Katalysatoren in vielen Reaktionen getestet haben. Es gibt aber noch ein Problem. Bisher stellen wir die Ausgangsstoffe von Hand her, und das ist sehr teuer. Wir müssen also eine Methode finden, mit der wir diese Vorläufersubstanzen kostengünstiger erzeugen. Wir beginnen also gerade erst damit, die Anwendungsmöglichkeiten der Nanoschwämme zu erforschen."