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Erste Anzeichen im Blick

Medizin. – Allein in Deutschland erleiden jedes Jahr 160.000 Menschen einen Schlaganfall. Ein Gefäß im Gehirn setzt sich zu und verursacht eine Unterversorgung mehr oder weniger großer Areale. Die schnelle Öffnung dieses Gefäßes ist daher von zentraler Bedeutung. Die Regel lautet: nach rund drei Stunden muss der Pfropf aufgelöst sein, sonst kann das Blutgefäß platzen und es kommt zu größeren Schäden.

    Ein Schlaganfall ist ein Hirnschaden mit komplexer und weitgehend unbekannter Vorgeschichte. Die Mediziner haben sich bislang vornehmlich auf die Nervenzellen des Gehirns konzentriert und dabei den Blutgefäßen selbst nur wenig Beachtung geschenkt. Dabei sind sie es, die als erste geschädigt werden, lange bevor sich das Blut in das umgebende Hirngewebe ergießt. Insbesondere die Zellen der inneren Aderschicht, die so genannten Endothelzellen, gehören zu den ersten Opfern. Am Berliner Forschungsinstitut für molekulare Pharmakologie untersucht man das Geschehen in diesen Zellen während der Anfangsphasen eines Schlaganfalls genauer. Rainer Haseloff: "Wir haben diese Zellen einem Sauerstoffentzug ausgesetzt. Gleichzeitig wurden sie in der Abwesenheit von Glucose, beziehungsweise auch in Gegenwart von Glucose kultiviert. Das hängt von der Dauer des Sauerstoffentzugs ab." Die Endothelzellen schalten daraufhin wie alle anderen Zellen auch ein Notprogramm ein, das ihr Überleben sichern soll. Das bedeutet: Sie produzieren andere Proteine als im normalen Zustand. Nach diesen Änderungen suchte Rainer Haseloff. Er vergleicht die Proteinproduktion einer gestressten mit der einer normalen Zelle. Und tatsächlich unterscheidet sich Enzymzusammensetzung und -aktivität einer gestressten Zelle erheblich von denen einer normalen Zelle. Die Veränderungen erstrecken sich auch auf den Zellaufbau. Haseloff: "Die Proteine, die das Zyto-Skelett ausprägen, werden deutlich verändert, außerdem werden Proteine, die für die Biosynthese von Proteinen verantwortlich sind, verändert." Ziel der Forschung ist es molekulare Ansatzpunkte für neue Medikamente zu finden, die in dieser frühen Phase eines Schlaganfalls eingreifen und größere Schäden verhindern können. Allerdings werden bis dahin noch viele Jahre vergehen.

    [Quelle: Uwe Springfeld]