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Erste Ausfahrt Kalia Beach

An den Kalia Beach am Toten Meer fährt man nicht, um sich zu erfrischen. Das extrem salzhaltige Wasser hat eine Temperatur von 30 Grad, am Strand ist es sogar im Schatten noch mal fünf Grad wärmer. Trotzdem baden zahlreiche Menschen im Toten Meer, denn das mineralienhaltige Wasser soll gegen Hautkrankheiten helfen.

Von Mandy Schielke |
    Jemand im Hotel in Jerusalem rät zur Autofahrt ans Tote Meer. Aber nicht an die überfüllten Strände von En Gedi und En Bokek, sondern nach Kalia Beach. Ist nicht leicht zu finden, lohne sich aber.

    Also raus aus der Stadt. Auf der Transitautobahn Nummer eins geht es durch das Westjordanland. Rechts und links karge Steinwüste, dann auf die Schnellstraße 90 Richtung Elat. Auf einem Pfeil aus Holz steht am Straßenrand mit schwarzer Schrift: Kalia Beach. Das Meer ist nicht zu sehen. Aber ein Blick auf die Straßenkarte beruhigt. Die nördliche Spitze des salzigen Sees kann nicht mehr weit sein.
    Ein schmaler Weg führt durch eine Geisterstadt, zu beiden Seiten etwa zwei Dutzend flache, verwaiste Häuser, die eher wie Baracken und nicht wie Wohnhäuser aussehen: Unkraut, das die Wände hoch wächst, überall zerbrochenes Glas und keine Menschenseele. Hier stehen die Überbleibsel einer jordanischen Siedlung. Vor dem Sechstagekrieg gehörte dieses Gebiet noch Israels westlichem Nachbarn Jordanien. Auch die Ruinen der ehemaligen jordanischen Ferienhäuser symbolisieren den Konflikt im Nahen Osten. Man entkommt ihm nicht.
    Noch ein paar Meter weiter und endlich ist man am Eingang zum Strand. Fast hätte ich nicht mehr daran geglaubt, dass am Ende der verlassenen, staubigen Straße wirklich ein Ort der Erholung wartet.
    Unter Palmen halten Frauen mit fleischigen Leibern und großen Sonnenbrillen gekühlte Colaflaschen in den Händen. Im extrem salzhaltigen Wasser können sich die Badegäste im Wasser einfach hinsetzen oder auf dem Rücken treiben lassen ohne unterzugehen. Touristen machen die obligatorischen Fotos, auf denen sie im Wasser Zeitung lesen.
    Ein paar Stufen führen hinab zu Liegestühlen unter Sonnenschirmen. Vorbei an einer Freiluft-Bar mit Plastikstühlen, die genau so orange sind wie die Apfelsinen, die in einer Schale neben der Obstpresse liegen. Hinterm Tresen steht Rotam:

    "Ich arbeite seit drei Monaten hier hinter der Bar. Und sieh mal dort rüber, da siehst Du den Steg, über den die Leute hier noch bis vor einigen Jahren ins Wasser gegangen sind. Aber der Wasserspiegel ist in den vergangenen Jahren so stark gesunken, dass er jetzt einfach weit oben, einfach in die Luft zeigt."
    Das Tote Meer ist achtzig Kilometer lang und bis zu achtzehn Kilometer breit. Jedes Jahr sinkt der Wasserspiegel um einen Meter. Für die Strandbetreiber heißt das, dass sie ihre weißen Plastikstühle immer weiter runter tragen müssen. Abkühlung sucht man in dem öligen See, dessen Salzgehalt zehn Mal so hoch ist wie in der Nordsee, indes vergeblich. Die Wassertemperatur liegt bei 30 Grad. Draußen im Schatten unter den Schirmen ist es noch fünf Grad wärmer. Aber hier geht es auch nicht um Erfrischung, sondern um Heilung. Denn nicht nur das mineralienhaltige Wasser, sondern auch der am Ufer reichlich vorhandene, lehmige Schlamm sollen gegen Hautkrankheiten helfen.
    Am Strand reiben sich die Badegäste mit dem schwarzen Matsch ein. Danach stehen sie wie die Ölgötzen am Strand, um ihre die schwarze Schlammhülle an ihrem Körper trocknen zu lassen. Bei Wladimir Retin ist sie schon ganz grau und fest geworden. Zeit sich vorsichtig ein paar Stufen hinauf zu den Duschen zu begeben.

    Der Mann mit dem Kugelbauch trägt einen großen Strohhut. Er lebt in Jerusalem. Ich spreche kein hebräisch nur russisch, lacht der 77-Jährige:

    "Ich komme einmal die Woche hierher ganz einfach deshalb, das Wasser und der Matsch sind gut für meine alte Haut. Ich bin Rentner wie auch mein alter Freund da unten, der ist gerade im Wasser. Er besitzt ein Auto. Und damit kommen wir immer donnerstags hierher. Das dauert doch auch nur eine halbe Stunde von Jerusalem bis an den Strand."
    Kalia ist eben der nächste Strand von Jerusalem aus.
    Dann greift er an den Holzgriff, der an einer Metallkette herunter hängt. Mit seinem ganzen Körpergewicht hängt er sich daran, schließt die Augen und genießt das frische, kalte Wasser, das aus dem Duschkopf spritzt. Er stammt aus Odessa am Schwarzen Meer, erzählt der 77-Jährige. Vor dreißig Jahren ist er nach Israel gekommen. Warum, will er nicht sagen, ist eine lange Geschichte.
    Zurück auf der Küstenstraße blicke ich zurück auf die verlassene jordanische Siedlung. Sie muss noch großer sein als ich anfangs dachte. An einer Fassade dicht an der Schnellstraße die Richtung Süden nach Elat führt, hängt ein riesengroßes Werbeplakat. Kristin Davis, die schöne und reine Charlotte aus der Amerikanischen Serie "Sex and the City" lächelt vom Plakat herunter und wirbt für die Schönheitsprodukte vom Toten Meer. Ein groteskes Bild in dieser kargen Landschaft.