Samstag, 20. April 2024

Archiv


Erste Frau auf dem lutherischen Bischofssitz

"Dammbruch in Hamburg – Männerdomäne gefallen". So lautete eine Schlagzeile, als Maria Jepsen zur Bischöfin gewählt worden war. Am 30. August 1992 wurde sie in ihr Amt eingeführt. Für viele war sie eine Hoffnungsträgerin, doch der ersehnte Durchbruch lässt bis heute auf sich warten. Drei Frauen neben 21 Männern stehen derzeit an der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Von Peter Hertel | 30.08.2012
    "Dammbruch in Hamburg – Männerdomäne gefallen". Eine Schlagzeilen vom April 1992. Die Synode der evangelisch-lutherischen Nordelbischen Kirche hat die Pröbstin Maria Jepsen zur Bischöfin in Hamburg gewählt. Zum ersten Mal wird eine Frau in einem evangelischen Kirchensprengel ganz oben sein. Die nordelbische Synodenpräsidentin, Elisabeth Lindner, verkündet:

    "Maria Jepsen wird auf die Dauer von zehn Jahren das Amt der Bischöfin für den Sprengel Hamburg mit dem Dienstsitz in Hamburg übertragen."

    1945 wurde Maria Jespen im holsteinischen Bad Segeberg geboren. Als Kind wollte sie Bundeskanzlerin werden. Die gibt es bei ihrer Wahl noch nicht. Doch auch Bischöfin ist ein Wort, das bis-her nicht im Duden steht. Maria Jepsen selber findet Gefallen daran:

    "Manche tun sich schwer und sagen dann: "Frau Bischof". Ich sage: wenn mit Titel, dann auch "Bischöfin". Mich hat es gefreut, dass im Hebräischen das Wort neu für mich geprägt wurde in einer israelischen Zeitung."

    Eine untypische evangelische Theologin. Ihre Lieblingsmusik beispielsweise sind nicht die Werke der großen Kirchen-Komponisten wie Bach und Telemann, die protestantische Glaubenstexte vertonten.

    "Ich hör gern Klezmer-Musik, jiddische Musik. Ich kenne es auch von Israel her auch. Die Musik hat so etwas Ermutigendes, traurig Ermutigendes, Hoffnungsvolles."

    Außerdem raucht die Pröbstin gern Pfeife.

    "Da es viele ärgert und viele es immer als Provokation sehen, rauche ich nur zu Hause. Jeder Mann, der Pfeife raucht, da sagt man: Ach ja, das ist was."

    Ärger bereiten ihr nach der Wahl vor allem Männer der Landeskirche. Ihre Wahl sei – so ein Kritiker wörtlich - der triumphale Abschluss eines Irrweges in der evangelischen Kirche.

    "Ich weiß, aber ich bin nicht persönlich gemeint, sondern es geht um Frauen in der Kirche. Es ist auch gut, wenn über Kirche und über Glaubensfragen neu nachgedacht und gestritten wird. Manchmal war leider der Streit unterhalb der Gürtellinie."

    Vier Monate nach ihrer Wahl wird Maria Jepsen in ihr Amt eingeführt. Es ist der 30. August 1992. Mehr als 5000 Menschen sind zum Hamburger Michel gekommen, zur evangelischen Hauptkirche der Stadt. Sie wollen die erste neue evangelische Spitzenfrau sehen und ihre erste Predigt hören. Inzwischen ist bundesweit bekannt, dass sie sich nicht nur für die Frauen, sondern auch gegen die Diskriminierung Homosexueller engagiert, dass sie sich für sozial Benachteiligte, eine faire Asylpolitik und für Israel einsetzt.

    "Kolonialgeschichte und Judenverfolgungen und Rassismus – das sind ja nicht nur Vergangenheit. Ausländerhass und Ablehnung fremder Menschen nehmen Ausmaße an, die gegen alle biblischen Worte, gegen jede Menschlichkeit stehen."

    Ihre zehnjährige Amtszeit versieht Maria Jepsen in intensivem, zähem Tagesgeschäft. 2002 wird sie auf ein weiteres Jahrzehnt gewählt. Aber 2010 erklärt sie ihren Rücktritt. Nachdem nämlich sexuelle Missbrauchsfälle in ihrer Kirche bekannt geworden waren, ist ihr Untätigkeit, ja Versagen vorgeworfen worden; ob zu Recht oder nicht, darüber gehen die Ansichten auseinander.

    Als erste Frau auf dem lutherischen Bischofssitz ist Maria Jepsen Hoffnungsträgerin für viele gewesen. Aber der ersehnte Durchbruch, der 1992 von manchen prophezeit wurde, lässt immer noch auf sich warten. Fast scheint es, als hätte die Bischöfin das vorausgesehen, als sie vier Tage nach ihrer Einführung sagte:

    "Manchmal wünschte es man es sich natürlich anders, dass man schneller etwas durchpreschen kann, was wichtig ist, jetzt sag ich mal: in der Frauenfrage, dass wir sozusagen die Quote mit 40 Prozent … dass 40 Prozent aller Stellen von Frauen besetzt sind. Aber es muss im Grunde genommen von allen mitgetragen werden. Es nützt ja nichts, irgend etwas durchzusetzen, was nachher abgelehnt wird."

    Auch auf höchster Ebene war die Frauenquote nach jenem 30. August tatsächlich hochgeprescht. Aber dann ist sie wieder abgesackt. Derzeit stehen nur noch drei Frauen an der Spitze von Gliedkirchen und Sprengeln der Evangelischen Kirche in Deutschland - drei Frauen neben 21 Männern.