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Erste Gebärmutter-Transplantation in Deutschland
23-Jährige erhielt das Organ einer lebenden Spenderin

Mitte Oktober hat ein Ärzteteam am Universitätsklinikum Tübingen einer 23-Jährigen die Gebärmutter einer lebenden Spenderin transplantiert. Die junge Frau war aufgrund einer Fehlbildung ohne Uterus auf die Welt gekommen. Auf einer Pressekonferenz haben die Forscher gestern erstmals öffentlich über den Eingriff gesprochen und über ihre weiteren Pläne berichtet.

Von Christine Westerhaus | 10.11.2016
    Medizinische Illustration einer Fötusentwicklung in der neunten Woche
    Eine Gebärmutter-Transplantation soll es Frauen, die ohne Uterus zur Welt gekommen sind, ermöglichen, Kinder auszutragen (Imago / Stocktrek Images )
    In Deutschland leben schätzungsweise 15.000 Frauen, die nicht schwanger werden können, weil sie keinen funktionierenden Uterus haben. Die meisten von ihnen sind ohne Gebärmutter geboren worden - so wie die 23-Jährige, der das Tübinger Forscherteam das Organ einer lebenden Spenderin eingesetzt hat. Es stammte von der Mutter der Patientin. Sara Brucker, die das Ärzteteam geleitet hat, forscht schon seit vielen Jahren daran, jungen Mädchen mit dieser Fehlbildung zu helfen:
    "Für mich hat sich an diesem Tag der Kreis geschlossen. Der Kreis geschlossen deshalb, weil ich mich seit über 16 Jahren mit diesen jungen Mädchen beschäftige, die als Frau auf die Welt kommen, aber denen man dann in der Pubertät sagt: 'Ihr habt das, was eine Frau ausmacht, nämlich eine Scheide und eine Gebärmutter, das habt ihr nicht.'
    Und ich habe vor vielen Jahren ein Verfahren entwickelt, um diesen jungen Mädchen eine Scheide anzulegen mit einem minimalinvasiven Schlüsselloch verfahren, so dass diese jungen Mädchen sich endlich als Frau fühlen können. Und jetzt schließt sich der Kreis, dass diese Frauen sich dann auch als Mutter fühlen können."
    Schwangerschaft frühestens in einem Jahr möglich
    Ob dies gelingt, wird sich frühestens in einem Jahr zeigen. Erst dann werden die Ärzte einen befruchteten Embryo in die verpflanzte Gebärmutter einsetzen. Die Eizellen haben die Forscher vor der Transplantation aus den intakten Eierstöcken der Empfängerin entnommen und mit den Samen ihres Ehemanns im Reagenzglas befruchtet.
    Nach Angaben des Universitätsklinikums geht es der Patientin gut, der Eingriff verlief komplikationslos. Bis zu einer erfolgreichen Geburt ist es jedoch noch ein langer Weg: Unter der Schwangerschaft muss die transplantierte Gebärmutter um das 100-fache ihres Volumens wachsen und neun Monate lang ein Kind austragen können.
    Erste Erfolge aus Schweden zeigen aber, dass das Verfahren funktionieren kann: Dort haben fünf Frauen ein gesundes Baby in einer gespendeten Gebärmutter ausgetragen. Eine von ihnen erwartet derzeit ihr zweites Kind. Das schwedische Ärzteteam plant bereits weitere Transplantationen.
    Sara Brucker, Ärztliche Direktorin des Forschungsinstituts für Frauengesundheit der Universität Tübingen, am 9. November 2016 in Tübingen vor einer Pressekonferenz zur ersten Gebärmuttertransplantation in Deutschland
    Für Sara Brucker, Ärztliche Direktorin des Forschungsinstituts für Frauengesundheit der Universität Tübingen, hat sich der Kreis geschlossen, sagt sie. (dpa picture alliance / Marijan Murat)
    Und auch in Tübingen soll es zusätzliche Eingriffe geben. Ein Standardverfahren wie die künstliche Befruchtung wird die Gebärmuttertransplantation jedoch nicht werden, sagt Sara Brucker:
    "Das wird mit Sicherheit keine Routineoperation werden. Dazu ist das Verfahren zu komplex, die Vorbereitung sehr komplex. Auf der anderen Seite gibt es aber ungefähr 15.000 Frauen in Deutschland, die entweder sehr früh ihre Gebärmutter verloren haben oder noch nie eine besessen haben. Allerdings wird auch nur für einen Bruchteil der Kinderwunsch so groß sein, dass sie sagen: 'Ja, ich möchte eine Gebärmutter Transplantation.'"
    Gebärmuttertransplantation ethisch umstritten
    Die Gebärmuttertransplantation ist jedoch nicht unumstritten. Sie gilt als riskant, da die Operationszeit sehr lang ist und weil bei der Entnahme der Gebärmutter auch Blutgefäße und Gewebebänder mit entnommen werden müssen. Daher besteht für die Spenderin des Organs die Gefahr, dass das umliegende Gewebe durch den Eingriff geschädigt wird.
    Nach der Transplantation und während der Schwangerschaft muss die Empfängerin Medikamente einnehmen, die die Abstoßungsreaktion des Körpers unterdrücken. Ob diese Immunsupressiva die Entwicklung des Kindes im Mutterleib stören, ist nicht abschließend geklärt.
    Zudem erhöht sich die Gefahr einer Frühgeburt. Diese Risiken müssen abgewogen werden, meint der Tübinger Medizinethiker Urban Wiesing:
    "Das eine ist das Wohl des Kindes. Auf der anderen Seite haben wir den Wunsch einer Frau. Und der Wunsch einer Frau nach einem eigenen Kind ist etwas sehr, sehr starkes. Und dann sind eben dort die Risiken für die Spenderin.
    Ich glaube, dass es da keine Patentlösungen gibt in dem Sinne: Das ist das einzig Richtige und oder das einzig Falsche. Sondern ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass man das sehr sorgfältig macht."
    Auch Sara Brucker, die Leiterin des Tübinger Ärzteteams hofft, dass in Deutschland nun eine ethische Diskussion angestoßen wird. Die Leihmutterschaft wäre für die Betroffenen mit weniger Risiken verbunden. Doch sie ist in Deutschland bislang verboten:
    "Ich erhoffe mir dadurch, dass wir jetzt die erste Gebärmuttertransplantation in Deutschland durchgeführt haben, dass wir eine offene Diskussion führen inwieweit wir tatsächlich besser die Leihmutterschaft in Deutschland zulassen, als eine Gebärmutter Transplantation durchführen zu müssen. Oder vielleicht auch wenn wir die Leihmutterschaft in Deutschland nicht einführen, dann im Moment die Frauen tatsächlich zwingen, illegal ins Ausland zu gehen."